Sicherheitspolitik statt groteske Intervention!

Der Nicht-Wirklich-Bundesrat Ueli Maurer hat wieder einmal grotesk interveniert: obwohl er eine möglichst grosse Zahl von „Kampfjets“ will, schlägt er vor, auf die seit langen Jahren diskutierte „Tiger“-Ersatzbeschaffung zu verzichten. Das bietet seinen SVP-Fraktionskollegen die Gelegenheit, horrende Geldforderung zu präsentieren für eine massiv verstärkte Militarisierung der Schweiz. Einmal mehr findet keine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Sicherheitspolitik statt.

Die offizielle Schweiz behauptet mehrheitlich, die Schweizerische Armee sei eine Verteidigungsarmee – spannend dann die Frage, warum eine solche Armee Kampfjets braucht. Solche semantischen Widersprüche weisen darauf hin, dass Überlegungen zur Sicherheitspolitik, die über das Wörtchen „Armee“ hinausgehen, in diesem Land nicht ernsthaft stattfinden, gefangen auch im Mythos der Reduit-Armee des 2. Weltkriegs.

Sicherheit ist mehr als die Abwesenheit von Konflikten! Sowohl die technologischen Infrastrukturen als auch die gesellschaftliche Realität zeigt: für Gewaltanwendungen mit welcher Motivation auch immer gibt es in einem aufgeklärten, zukunftsorientierten Staat schlicht keinen Platz. Dies verlangt nach einer Politik, die in all ihren Handlungen jederzeit deeskalierend wirkt.

Als ein Beispiel: Verkehrspolitik. Autos sind bezüglich Lärm, Platz – während der Fahrt und als Stehzeug -, Schadstoffausstoss, Ressourcenverbrauch, Ausstoss von Treibhausgasen extrem aggressiv. Selbst bei ausgesprochen mässiger Nutzung führt die Nutzung des Autos bei sehr vielen Menschen zu einem übermässigen ökologischen Fissabdruck. Wenn zudem einbezogen werden, dass für das Autofahren ein erheblicher Teil des individuellen Einkommens verwendet werden muss, wird verständlich, warum Autofahrende gerade ultimativ mehr Strassenraum beanspruchen – und deshalb auf Velofahrende reagieren, die smarter von A als B kommen als die Dinosauerer-Blechpanzer-Fahrenden. Und um die unsinnige Geldausgeberei für das individuelle Auto aufrechtzuerhalten, betreibt die Polizei, auch die Stadtpolizei Zürich, eigentliche Feldzüge gegen die harmlosen Velofahrenden. Die Verkehrspolitik ist alles andere als deeskalierend – sie benachteiligt nachweislich die klugen Unterwegs-Formen und priorisiert die Unterwegsseienden statt die Bleibenden! Mobilität durch physikalische Bewegung hat in der Gesellschaft einen deutlich höheren Stellenwert als virtuelle und geistige Beweglichkeit!

Auch soziale Aspekte sind von zentraler Bedeutung für die Deeskalation von Konflikten – dazu gehört etwa, dass Lieferanten, die z.B. die öffentliche Hand beliefern, gewährleisten können, dass bei der gesamten Herstellungs-, Handels und Vertriebskette ihrer Produkte, d.h. inklusive alle Subunternehmer, die Bestimmungen der Kern-Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO eingehalten werden – es ist nicht nur unter dem sicherheitspolitischen Aspekt völlig unverständlich, dass gerade die SVP sich in dieser Frage regelmässig querstellt, zum Beispiel im Gemeinderat der Stadt Zürich. Zu beachten dabei: wie Richard Gerster 2006 festgehalten hat, fliesst seit 2002 mehr Kapital aus Afrika in die Schweiz, als aus der Schweiz nach Afrika als Entwicklungshilfegelder bezahlt werden – mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften dabei die Regeln des fairen Handels nur für einen Bruchteil dieses Handels zur Anwendung kommen! Ungerechtigkeiten sind ein wichtiger treibender Faktor bei der Eskalation von Konflikten.

Der „Krieg um Öl“ – beispielsweise im Hinblick auf den Peak Oil trägt wesentlich zur Gewalteskalation bei. Auch die Schweiz nimmt hier die Verantwortung nicht wahr: seit 1990, den ersten Ansätzen einer Klimaschutzpolitik ist der Ausstoss des Treibhausgases im wesentlichen konstant geblieben! Dabei hätte die Schweizsowohl ökonomisch wie technisch die besten Voraussetzungen, sich von diesem fossilen, endlichen und konfliktträchtigen Rohstoff zu verabschieden. Es ist alerdings auch hier wieder die SVP, die wesentlich dazu beiträgt, die Klimaschutzbemühungen der Schweiz zu hintertreiben – halt die klassische SVP-Zechprellerei. Im übrigen: anerkannt ist, dass der Mensch gemachte Klimawandel die Migrationsströme wesentlich ansteigen lässt, und dass beispielsweise auch die Nahrungsmittelproduktion deutlich eingeschränkt wird.

Fazit: die Schweiz betreibt keien Sicherheitspolitik die auf Deeskalation angelegt ist. Genau darum verlangt die SVP eine starke Armee – die SVP investiert lieber in eine waffenstarrende Schweiz als in die Zukunft!

Darum: statt grotesker Interventionen von Ueli Maurer braucht es eine klare Botschaft! Die Schweiz braucht keine Armee, damit auch keine Kampfflieger. Stattdessen braucht es eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die dafür sorgt, dass die Schweiz so rasch als möglich nur das verbraucht, was einem globalen verträglichen ökologischen Fussabdruck entspricht – das ist um Faktoren weniger als heute! Die Zukunft liegt in kooperativen und nicht in eskalierenden Ansätzen: diesen unterstreichen die Nobelpreise an Barack Obama und Elinor Ostrom.

Sicherheitspolitik ist ein Aspekt des Zusammenwirkens verschiedener Teilpolitiken. Das Gewaltelement hat dabei sowohl im individuellen wie im gesellschaftlichen Bereich keinen Platz mehr, egal ob als Verteidigung, Kampf oder Krieg.

Darum ist die Forderung klar: KEINE Kampfflieger für die Schweiz, eine raschestmögliche Abschaffung der Armee, dies ist die Sicherheitspolitik der Zukunft!


Nachtrag 18.10.09

Nicht gut schlafen könne er wegen der Schweizerischen Armee, sagt Ueli Maurer – und bestätigt letztlich die groteske Intervention: er meint, die Schweizerische Armee brauche neue Kampfjets, er weiss einfach nicht, wie die Sache zu finanzieren ist. Da rächt sich die nicht vorhandene Sicherheitspolitik der Schweiz respektive deren Reduktion auf Militärpolitik – und gleichzeitig muss die SVP erkennen, dass wegen ihrer Zechprellerei die „Bewaffnungswundertütenwünsche“ nicht erfüllbar sind. Herr Maurer: vergessen Sie Ihre schlaflosen Nächte, vergessen Sie aber auch die neuen Kampfjets – und beginnen Sie endlich mit einer nüchternen Analyse der Sicherheitssituation der Schweiz – und Sie werden mit einigem Erstaunen feststellen, dass Ihr VBS-Milliardenbudget kaum zur Verbesserung der Sicherheitslage beiträgt, im Gegenteil! Bewaffungspolitik ist Aggressionspolitik – die Schweiz, die gesamte Welt braucht aber eine Deeskalationsstrategie!


Nachtrag 20.10.09

„Es braucht keine neuen Jets“, wird in einem TA-Artikel vom 20.10.09 Hans Ulrich Ernst, ehemaliger Generalsekretär des damaligen Militärdepartements EMD zitiert (Aussage in der sf tv Sendung 10 vor 10). Auch der Vergleich mit anderen Kleinstaaten zeigt: auch ohne Tiger-Ersatz ist die Schweiz überreichlich mit Kampfjets ausgestattet, selbst bei einem konventionellen sicherheitspolitischen Blickwinkel. Mit seinem theatralischen Akt hat es Herr Maurer einmal mehr geschafft, von ernsthaften sicherheitspolitischen Ueberlegungen abzulenken! Demnächst wird er wahrscheinlich in der Zürcher Bahnhofstrasse eine Topfkollekte veranstalten.


Nachtrag 25.10.09

Auch die Ausführungen des Armeechefs André Blattmann (z.B. in der Zeitung Sonntag vom 25.10.09) zeigen: da wird zwar nebulös von einem „Auftrag der Armee“ gesprochen; ob es dazu aber Kampfjets oder eine riesige Milizarmee braucht, ob dieser Armeeauftrag tatsächlich sicherheitspolitisch noch zeitgemäss ist, darüber verliert auch der Armeechef kein Wort. Bis zum Beweis des Gegenteils gehe ich davon aus, dass auch die Schweizerische Armee, insbesondere in der technologisch hochgerüsteten Version, wie sie sich offenbar sowohl Herr Maurer als auch Herr Blattmann wünschen, keine wesentlichen Beiträge zur Verbesserung der Sicherheitslage leisten kann.

Erste Fassung 17.10.09