Erdöl ist und bleibt endlich

Bis 600 Millionen Barrel auswertbares Rohöläquivalent enthalten Erdölfelder, die die norwegische Statoil unterhalb der Barentsee in den letzten 9 Monaten entdeckt hat. Auch wenn die Barentsee ein Schelfmeer ist, liegt sie doch in der ökologisch heiklen Arktis. Der Tagesanzeiger spricht von einem grossen Erdölvorkommen, die Statoil – aus Unternehmenssicht – zutreffender von einem bedeutenden Vorkommen.

Im Vergleich dazu eine Meldung aus dem Jahr 2008: 33 Milliarden Barrel Erdöl enthalte ein Mega-Ölfeld, das vor der Atlantikküste von Brasilien entdeckt worden sei (zwar überdeckt von 5000 Metern Meerwasser und einer dicken Salzschicht, also nicht ganz einfach zu fördern), meldeten die Medien am 15. April 2008.

600 Millionen Barrel, 33 Milliarden Barrel Erdöl: ist das viel? Wie lange reicht dies?

Nach verschiedenen Quellen im Internet betrug der Weltölverbrauch im Jahr 2010 etwas mehr als 87 Millionen Barrel – pro Tag! Dies ergibt in einem Schaltjahr einen Weltölverbrauch von derzeit etwa 31.8 Milliarden Barrel pro Jahr. Mit andern Worten: wenn denn das brasilianische Erdölfeld tatsächlich so gross ist, hat dies die Reichweite der endlichen Ressource Erdöl beim heutigen Verbrauch gerade etwa um ein Jahr verlängert. Und die neu entdeckten Barentsee-Ölfelder reichen für knapp eine Woche! Beim heutigen Verbrauch würde es also etwa 40 Jahre dauernd, bis die im Jahre 2004 global bekannten Erdöl-Vorräte von etwa 1’300 Milliarden Barrel aufgebraucht wären. Nach diversen deutlich höheren Prognosen geht derzeit die Internationale Energie-Agentur IEA davon aus, dass 2035 weltweit 96 Mio Barrel pro Tag gebraucht werden, wenn sich die bisherigen Entwicklungen fortsetzen – auch für das Weltklima eine unerfreuliche Entwicklung.

Allerdings: spätestens seit dem Film „The Oil Crash“ ist klar, dass nicht erst das vollständige Leeren der Ölfelder zu einer globalen Menschheitskrise führen würde, sondern bereits die nicht mehr steigerbare Erdöl-Entnahme aus dem Fundus der Erde, der sogenannte Peak Oil. An fossilen Brennstoffen gibt es auch noch Erdgas und Kohle (und diverse weitere Lagerformen). Eines ist und bleibt klar: es handelt sich dabei um endliche Ressourcen, die irgendwann verbraucht sein werden. Jedes Auffinden eines Ölfeldes verlängert zwar die theoretische Reichweite, kann aber nichts an der Endlichkeit der fossilen Ressourcen ändern.

Ebenso klar ist spätestens seit dem 4. IPCC-Bericht: die aktuelle Verbrauchsgeschwindigkeit der fossilen Ressourcen – als Brenn- und Treibstoffe – führt zu einer menschgemachten Klimaveränderung mit in der Tendenz erheblich negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. Wenn dies nicht passieren soll, muss dringend sehr viel getan werden, um den Verbrauch an fossilen Brenn- und Treibstoffen einzudämmen, Stichwort beispielsweise 2000-Watt-Gesellschaft.

Die Politik hat dafür zu sorgen, dass all die Stories über neue Oelfunde nicht davon ablenken, die grossen Herausforderungen zur Verminderung des Verbrauchs an fossilen Brenn- und Treibstoffen anzugehen – ohne dabei z.B. auf die ebenfalls endlichen Atombrennstoffe auszuweichen.

Es braucht endlich eine ernsthafte Energiepolitik „Weg vom Öl„, welche die gleiche ist wie „Weg vom Atom“ – für eine fossil- und nuklear-freie Energieversorgung!


Nachtrag 2.10.09

In einem Interview des Tages-Anzeigers vom 2.10.2009 nennt Shell-Chef Peter Voser einige Zahlen zu den Geschäftstätigkeiten von Shell: Förderung von etwa 3 Mio Barrel pro Tag (gemäss Wiki sind es 3.8 Mio Barrel), Reserven von 66 Mia Barrel – reicht beim heutigen Verbrauch 55 Jahre. Und jedes Jahr findet Shell etwa 1 bis 1.5 Mia Barrel an neuen Lagern, gerade etwa den Jahresverbrauch. Shell als eine der weltweit grössten Firmen fördert 4.5 % des globalen Ölumsatzes, hat tendentiell einen leicht höheren Anteil an den bekannten Lagern. Zwar nennt Herr Voser die Verdoppelung des Weltenergiebedarfs bis 2050 – was die Reserven schneller vermindert, aber geht kaum ein auf den Mensch gemachten Klimawandel. Shell-Chef Voser geht nach wie vor davon aus, dass die Erdölindustrie eine Wachstumsbranche mit hohen Renditeerwartungen ist. Einmal mehr: nur schon die verbalen Botschaften eines Herrn Voser sind voller falscher Signale für die EnergiekonsumentInnen, siehe auch hier

Erste Fassung 15.4.08/Überarbeitung 9.1.2012