Energiepolitik for Dummies

Wenn heute über Energiepolitik gesprochen wird, wird darunter meist die Diskussion über Atomkraftwerke verstanden oder das Feilschen um so genannte Energiesubventionen, egal ob als Trinkgeld für Gebäudesanierungen, Solar- oder Windstrom. All diese Diskussionen lenken letztlich davon ab, dass echte Energiepolitik die Absicht hat, kräftigen Einfluss auf das Angebot und die Nachfrage nach Energie zu nehmen, mit dem Ziel, den Energieverbrauch pro Person deutlich zu vermindern und einen höchstmöglichen Anteil an umweltverträglichen und erneuerbaren Energiequellen aus nachhaltiger Nutzung zu erreichen. Energiepolitik betrifft jede und jeden, jeden Tag, bei allen Aktivitäten.

Am 30. April 2012 haben einige Bundesämter den neuesten Bericht über den aktuellen Stand der nachhaltigen Entwicklung veröffentlicht. Dass es den SchweizerInnen im globalen Vergleich sehr sehr gut, eigentlich sogar extrem gut geht, geht gelegentlich wegen des Geplärrs der $VP vergessen. Aber: dies hat einen Preis! „Aufgrund des Verbrauchs von nicht erneuerbaren Ressourcen können die verfügbaren Vorräte nicht für die künftigen Generationen erhalten werden“ lautet einer der Zwischentitel der oben erwähnten Medienmitteilung – der ökologische Fussabdruck der SchweizerInnen ist deutlich übermässig.

Spannend die Reaktionen in den digitalen Stammtischen: der Begriff „ökologischer Fussabdruck“ wird nicht verstanden, obwohl er doch schon einige Jahre verwendet wird (der Artikel Klimaschutz: Sofort Massnahmen von umweltnetz.ch aus dem Jahr 2003 verwendet den Begriff „Footprint“). Solche Aussagen seien nur dazu da, das schlechte Gewissen anzusprechen. Und so oder so sei dies – mehr oder weniger umfassend – eine Folge der Zuwanderung. Und es gibt sogar jene, die behaupten, die SchweizerInnen hätten einen Anspruch auf diesen übermässigen Fussabdruck. Beruhigend bei all dieser Ignoranz dieser Abschnitt aus der Medienmitteilung: Die Lesekompetenz der 15-Jährigen, die Humanressourcen für Wissenschaft und Technologie oder auch die Anzahl Patentanmeldungen haben zugenommen.

Im Gegensatz zu den echten z.B. menschlichen Fussabdrücken entsprechen die ökologischen Fussabdrücke keinem Naturgesetz: diese sind gemacht. Gemacht einerseits von den „Sitten und Gebräuchen“ einer Gesellschaft, gemacht auch von Marketing und Propaganda. Der zu grosse ökologische Fussabdruck ist eine direkte Folge des Lebensstils, es muss in allen Alltagsbereichen gehandelt werden, wenn nachhaltige Veränderungen erzielt werden sollen.

Einige Beispiele:

Energiepolitik for Dummies heisst der Titel dieses Beitrages. „For Dummies“ ist eine immer umfangreicher werdende Buchreihe, vor 20 Jahren gestartet, herausgegeben in englischer Sprache vom Verlag John Wiley & Sons, in Deutsch ebenfalls erhältlich. „Dummies“ ist ironisch verstanden und meint „interessierte AnfängerInnen“ oder ähnlich. Allerdings: auch ExpertInnen greifen mit Gewinn regelmässig auf diese Bücher zu, weil hier das, was nicht gerade jeden Tag gebraucht wird, einfach und verständlich dargestellt wird.

„Energiepolitik for Dummies“ gibt es noch nicht in dieser Reihe – hier erste Ansätze dazu (als Wiederholung und Weiterführung diverser Beiträge von umweltnetz.ch).

  • Energiepolitik ist zuerst eine Energiepolitik von unten. Jede und jeder hat in allen Lebens- und Verantwortungsbereichen Suffizienz, Effizienz und Konsistenz umzusetzen. Dies heisst: Ansprüche in Frage stellen, diese Ansprüche sind möglichst effizient abzudecken, und es sind nachhaltig genutzte erneuerbare Ressourcen und Energien zu verwenden.
  • Nachhaltige Lösungen sind auf Dauer für die Gemeinschaft vorteilhaft – einerseits hat nachhaltiges Verhalten positive Rückwirkungen auf Gemeingüter (z.B. globales Klima), andererseits hat derartiges Verhalten auch langfristig positive Auswirkungen auf die einzelnen Personen. Dies heisst: KEINE Subventionen im Energiebereich – weder für Gebäudesanierungen, Solar- und Windkraftwerke, aber auch nicht für Oel- und Gasheizungen oder Atomkraftwerke!
    Zur Verdeutlichung: wer für jede „gute Tat“ mit Energie- und Klimaschutzwirkung Subventionen verlangt, ist noch nicht wirklich unterwegs zu einer fossil- und nuklearfreien Energieversorgung! Was heisst dies konkret?
    • Wohneigentumsförderung für den Mittelstand ist kein nachhaltiger Politikansatz. Genossenschaftliche Wohnformen oder lebensabschnittsgerechtes Nutzungsrecht an Wohnraum sind zukunftsgerichtete Formen.
    • 300 Mio Franken betragen die Förderbeiträge für Gebäudesanierung mit Energieeffizienzmassnahmen in der Schweiz; das Marktvolumen aller Gebäudesanierungen beträgt rund 14’000 Mio Franken. Auch wenn ein nachhaltiger Liegenschaftenunterhalt etwas mehr Mittel erfordert, auch wenn allenfalls noch mehr unsinnige Fördermittel in den Gebäudepark gesteckt werden: letztlich ändert nichts daran, dass die Subventionen einen tiefen einstelligen Anteil am Sanierungsmarkt haben, was nicht wirklich zur Marktbeeinflussung beiträgt. Es führt nichts daran vorbei: es braucht schnellstmöglich ein Sanierungsobligatorium für bestehende Gebäude, verbunden mit einem Verbot fossiler Wärmeerzeugung! Auch hier wieder sind alle gefordert, ob HauseigentümerIn, GenossenschafterIn, MieterIn: sowohl die energetische Gebäudeerneuerung als auch die Umstellung auf erneuerbare Energien erfolgt nicht von selbst, sondern muss bestellt und letztlich bezahlt werden! Eigentümerschaften haben dies bei der Planung zu berücksichtigen, MieterInnen sowohl eine gute energetische Qualität als auch die Beheizung mit erneuerbaren Energien bei den Eigentümerschaften einzufordern!
    • Jede gut bis sehr gut geeignete Fläche an allen Bauten ist für die Sonnenenergienutzung zu verwenden, ob es sich dabei um Solarwärme oder Solarstrom handelt, ist letztlich eine Frage des Nutzungskonzeptes und der dazugehörigen Erfolgskontrolle. Zu beachten ist dabei allerdings: auch wenn „die Sonne“ gratis ist, die zur Nutzung erforderlichen Flächen sind es nicht, zudem werden erhebliche Mengen an Ressourcen beansprucht. Es ist somit unabhängig von der gewählten Lösung ein maximierter Ertrag anzustreben.
      Damit ist eine weitere Botschaft verbunden: es braucht sowohl dezentrale Sonnenenergienutzung als auch die Nutzung in Grossanlagen!
    • Falls noch nicht erfolgt: Atomstrom endlich abwählen!
  • Unterdessen hat sich der Begriff „Energiearmut“ den Sinn gewandelt – waren dies bis jetzt jene, die mit wenig persönlicher Energie unterwegs waren, sind damit nun jene gemeint, die sich die Energiekosten nicht mehr leisten wollen und/oder können. Es ist im Übrigen eine gute Gewohnheiten, Sozialpolitik mit sozialpolitischen Mitteln zu betreiben und nicht durch Verhinderung einer echten Energiepolitik. Auch hier empfiehlt sich der Wechsel zum bedingungslosen Grundeinkommen für alle!
  • Einige weitere Punkte finden sich auch hier: Nach-nuklear und nach-fossil: sind Sie schon unterwegs?