Der Tagesanzeiger hat am Samstag, 18. Februar 2012 – mitten in der Sportferien-Sauregurkenzeit – einmal mehr ein Musterbeispiel energiepolitischer Desinformation abgeliefert, mit einer Kantonsrangliste von Pro-Person-Beiträgen aus der unsinnigen Giesskannensubventionsmaschine „Das Gebäudeprogramm“. Diverse PolitikerInnen nehmen diese Nicht-Botschaft zum Anlass, einmal mehr ihre mindestens ebenso unsinnigen Steckenpferde der schon lange nicht mehr interessierten Öffentlichkeit zu zeigen. Es ist endlich an der Zeit, dass ernsthafte Energiepolitik gemacht wird.
Die Politik ist sich nicht gewohnt, sich mit der Wirkungsabschätzung ihrer Entscheide zu beschäftigen. Besonders arg sind die Verhältnisse im Energiebereich. Bald 40 Jahre nach der Erdölpreiskrise 1973, somit nach mehreren Jahrzehnten politischer Basteleien im Energiebereich, müsste es selbst Tagesanzeiger-JournalistInnen klar sein, dass die Auszahlungsraten eines neu gestarteten Förderprogramms schlicht nichts mit Wirkung zu tun haben, im Gegenteil! Der Kanton Zürich etwa hat seit 1985 ein für damalige Verhältnisse relativ fortschrittliches Energiegesetz. Kantone, die in einer solchen Rangfolge gut abschneiden, müssen sich definitiv den Vorwurf gefallen lassen, bis jetzt viel zu wenig getan zu haben zur Verminderung des Energieverbrauchs. In den für eine fortschrittliche Energiepolitik bekannten Kantonen sind die sogenannten einfachen Massnahmen bereits realisiert, haben die „Willigen“ ihre Hausaufgaben gemacht.
Eine echte Wirkungskontrolle vergleicht den Verlauf des Energieverbrauchs pro Person über die letzten 20 bis 30 Jahre, und zwar nicht nur für den Gebäudebereich (= Wärme), sondern auch für den Strom und den Energiebedarf des Verkehrs. P.S. Es ist davon auszugehen, dass der Energieverbrauch pro Person immer noch ansteigt – erfolgreiche Kantone sind also jene, bei denen der Energieverbrauch pro Person etwas weniger angestiegen ist als im Vergleich der gesamten Schweiz.
Eine solche Wirkungsanalyse ist mir nicht bekannt – deshalb werden uns solche Sauregurkenzeit-Meldungen vorgesetzt, die für gar nichts zu gebrauchen sind.
„Das Gebäudeprogramm“ war, ist und bleibt unsinnig. Das beginnt mit der Finanzierung: statt die CO2-Abgabe zu einem echten Lenkungsinstrument auszubauen, hat das Parlament daraus eine Teilzweckbindung für die Finanzierung energetischer Gebäudemassnahmen gemacht. Und die Dominanz der ländlichen Einfamilienhaus-Kantone in der Schweiz hat damit ein Finanzierungsinstrument für die Förderung einzelner Wirtschaftsunternehmen, vor allem der Baubranche, gemacht, die alles andere als nachhaltig wirtschaften. Zu den Grössenordnungen: etwa 300 Mio Franken pro Jahr stehen aus dem zweckgebundenen Topf zur Verfügung, und dies in einem Wirtschaftsbereich, der für Unterhalt und Wertsteigerung von bestehenden Liegenschaften etwa 14’000 Mio Franken pro Jahr umsetzt – etwa 2 % des Umsatzes also machen die Energiesubventionen aus.
Es ist eine sehr lange bekannte Tatsache, möglicherweise von der Politik und den Medien ignoriert, dass solche Förderbeiträge nichts mit der energiepolitischen Wirkung zu tun haben. In den meisten Fällen vermögen nämlich diese geringen Beiträge nicht einmal die Mehrkosten auszugleichen, die die leider mehrheitlich nicht besonders fähigen und nicht wirklich an der Thematik interessierten PlanerInnen verursachen – mit Förderbeiträgen wird diese Unfähigkeit noch verstärkt.
Allerdings auch hier: Politik und Medien sind nicht an der Wirkung orientiert, sondern an den Massnahmen! Die Energievorschriften werden immer detaillierter, dabei würden für den Gebäudebereich ganz wenige Bestimmungen ausreichen:
- Es braucht endlich eine stark lenkende, vollständig an Haushalte und Wirtschaft rückerstattete Energieabgabe auf allen Energieträgern.
- Es braucht – nicht nur aus energetischer Sicht – ein Erneuerungsobligatorium für bestehende Bauten: bis z.B. 2030 haben alle Bauten eine Energieetikette B oder besser sogar A vorzuweisen.
- Ebenfalls ab diesem Zeitpunkt sind für Heizung, Wassererwärmung und die diversen Stromanwendungen – von Licht über allfällige Kühlung bis zum Kochen und für den Betrieb von elektrischen Geräten – ausschliesslich erneuerbare Energien einzusetzen.
- Dies führt zur Forderung, eine weitere unsinnige Subventionierung abzuschaffen: die kostendeckende Einspeisevergütung KEV (an der nur die Lobbies der erneuerbaren Energien Freude haben). Stattdessen sind den Stromversorgern jährlich steigende Anteile an erneuerbarem Strom bei der Lieferung an die KundInnen vorzugeben.
- Dazu gehören verschiedene flankierende Massnahmen – von der Weiterbildungspflicht über steuerrechtliche Aspekte bis zu einer ökologischen Steuerreform.
P.S. Diese Massnahmen sind bereits mehrfach in umweltnetz.ch enthalten – wobei ich keine Garantie dafür gebe, dass ich immer die gleichen Jahreszahlen verwende. Mir geht es vor allem darum, die politischen Massnahmen zu benennen – in der Detailberatung bleibt genügend Raum für einen hoffentlichen ambitiösen Zeitplan!