Deutschland hat 2002 das Auslaufen der Atomenergie beschlossen – durch die Festsetzung einer durchschnittlichen Laufzeit der deutschen AKW und den Verzicht auf neue kommerzielle Reaktoren: der deutsche Atomkonsens. Selbst die voraussichtlich neue schwarz-gelbe Regierung dürfte am Auslaufen der Atomenergie in Deutschland grundsätzlich festhalten, allenfalls etwas verzögert. Damit wird klar: die Atomenergie ist energiepolitisch nicht nötig, die Atomenergie liegt einzig im Interesse von Teilen der Energiewirtschaft.
Die Fakten sind klar: die Atomenergie stützt sich auf eine nicht-erneuerbare und damit endliche Ressource ab. Der Peak Uranium wird intensiv diskutiert, ähnlich wie der Peak Oil und der Peak Gas; dabei wird vor allem diskutiert, wann dieses Peaks stattfinden.
Ebenso klar: die Atomenergie kann keinen ernsthaften Beitrag zur Verminderung des Mensch gemachten Klimawandels leisten. Relativ einfache Berechnungen zeigen die nur schon technologische Unmöglichkeit zur Umsetzung eines Klimaschutz-Nuklear-Szenarios. Dazu kommt: Die Atomenergie steht geradezu als Symbol der Verschwendungsgesellschaft – in Zeiten der Lohas und Lovos sind andere Paradigmen gefordert.
Ungelöst und wahrscheinlich unlösbar bleiben wird die „Endlagerung“ der Atom-Abfälle. Geologische Formationen, die während der gesamten geforderten Endlagerdauer von mehreren hunderttausend Jahren stabil bleiben, sind auf dieser Erde mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht vorhanden; die Mensch gemachten Zusatzbarrieren dürften kaum zur Sicherheit der Lagerstätten beitragen. Auch wenn möglicherweise in diversen Endlager-Projekten zusätzlich der Faktor Mensch dazu kommt (dieser wird sich allerdings in den mehreren hundertausend Jahren Lagerdauer kaum ausschliessen lassen): die sichere und dauerhafte Lagerung der Atomabfälle kann nirgendwo auf dieser Erde gewährleistet werden!
Völlig klar ist: erneuerbare Energien haben das Potential, den Stromverbrauch der Menschen auf dieser Erde sicherzustellen, selbst bei absehbar zunehmendem Stromverbrauch. Die Sicherstellung der Stromversorgung aus erneuerbaren Energien braucht etwas Zeit, braucht auch einiges an Geld. Allerdings: die BewohnerInnen und die Wirtschaft der Stadt Zürich wenden derzeit etwa 2 Prozent des geschätzten städtischen BIP für die Abdeckung ihres Energieverbrauchs auf, wenn dieser Verbrauch vermindert wird, liegt somit einiges zur Finanzierung sowohl dieser Effizienzmassnahmen als auch der Ökologisierung der Stromproduktion drin. Das ewz, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich, beweist: eine vorausschauende Politik ermöglicht gleichzeitig relativ tiefe Strompreise und Investitionen in erneuerbare Energien. Da sich das ewz im öffentlichen Besitz befindet und gleichzeitig der direkten demokatischen Kontrolle sowohl des Gemeinderates (Exekutive) und der Stimmberechtigten (via Volksentscheide) steht, steht nicht eine hohe Eigenkaptialrendite im Vordergrund, sondern die nachhaltige Stromversorgung.
Die Diskussionen in Deutschland über die Zukunft des deutschen Atomkonsenses unter der voraussichtlich schwarz-gelben neuen Regierung (Wespen-Koalition?) zeigen deutlich, dass es – statt Diskussionen um die Atomenergie – tatsächlich um die Frage geht, wie viel Profit die Unternehmen aus dem Betrieb der längst abgeschriebenen Atomkraftwerke ziehen können und wie viel dieses Profites zur Finanzierung des energetischen Umbaus eingesetzt werden soll. Eigentlich eine direkte Folge der Strommarktliberalisierung.
Dies zeigt eines deutlich: energiepolitisch ist diese Marktliberalisierung verheerend, man müsste sie so rasch als möglich rückgängig machen – die Schlüsselenergie Strom muss im Besitz der öffentlichen Hand mit direkter demokratischer Kontrolle durch Legislative und Stimmberechtigte sein: dann erfolgt der Umbau richtig erneuerbare Energien sehr dynamisch!
Einen anderen Ansatz zeigt das Modell der Berner Regierung. Die Berner Regierung ist Hauptaktionärin der BKW AG – und nimmt wie der Kanton Zürich im Bezug auf die NOK/axpo ausschliesslich Aktionärsinteressen wahr. Kein einziges energiepolitisches Argument ist in den Ausführungen der rot-grünen Regierung zur Beurteilung des Gesuches für ein neues AKW Mühleberg zu finden – relevant scheint neben den Dividenden nur noch die (lokale) Wertschöpfung zu sein – diese könnte allerdings durch erneuerbare Energien und Energieeffizienzförderung ebenfalls gesteigert werden, Stichwort z.B. Oil of Emmental.
Schlussfolgerung: Wenn die Öffentlichkeit an Stromgesellschaften als Aktionärin beteiligt ist, ist die demokratische Einflussnahme nicht mehr gewährleistet. Aus energiepolitischer Sicht sollte die Oeffentlichkeit an Aktiengesellschaften im Energiebereich nicht beteiligt sein – dann kann die öffentliche Hand auch tatsächlich Energiepolitik betreiben.
Nachtrag 8.10.2009
Die Schweizerische Politik hat sich noch nicht von den Interessen der Energiewirtschaft emanzipiert – wahrscheinlich darum, weil das nationale Parlament geradezu durchtränkt ist mit VertreterInnen insbesondere der Stromwirtschaft.
Die UREK-S hat am 6. Oktober 2009 beschlossen, den Prozess der Reduktion von drei unnötigen AKW-Gesuchen auf zwei unnötige AKW-Gesuche weiter zu beobachten, aber gleichzeitig die Kantone und die Unternehmen in einem Schreiben in ihren Gesuchs-Reduktions-Bemühungen zu unterstützen. Kein Wort darüber, dass Abklärungen stattgefunden hätten, ob überhaupt Gesuche nötig sind, kein Wort darüber, dass die UREK-S die Kantone und die Stromversorgungsunternehmen aufgefordert hätte, endlich die Verantwortung zu übernehmen und die Steigerung der Stromeffizienz auch bei den KundInnen und die Umstellung der Stromproduktion auf erneuerbare Energien voranzutreiben.
Denn: wird beispielsweise Oekostrom angeboten, bestellen KundInnen dieses hochwertige Stromprodukt. Belohnt beispielsweise das ewz die Stromeffizienzbemühungen der KundInnen mit einem Effizienzbonus, so verstehen die KundInnen dieses Signal und unternehmen die erforderlichen Schritte.
Wenn wie in der Schweiz die Politik zu versagen droht, braucht es die Nachhilfe des Marktes: die KonsumentInnen können die Atomstromkonzerne ganz einfach abwählen! Beispiel www.atomausstieg-selber-machen.de – zur eigenverantwortlichen Wahl der Stromqualität siehe „naturemade star“-Produkte in der Übersicht von www.topten.ch.
Nachtrag 7.2.2010
Die giftige Diskussion (also doch Wespen-Koalition 😉 in Deutschland über die diversen Interpretationen der Atomenergie-Nicht-Zukunft im Koalitionsvertrag bestätigen im Wesentlichen die Aussagen dieses Beitrags. Ob es Atomkraftwerke braucht, wie lange es sie noch braucht, ist ganz einfach eine Frage des politischen Willens! Wenn der deutsche Umweltminister Röttgen einen Zusammenhang zwischen Restlaufzeit und Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion herstellen möchte, ist dies zuerst die klare Aussage, dass die Energiepolitik von der Politik und nicht von der Energiewirtschaft gemacht werden soll. Dieser Zusammenhang ist andererseits kritisch: wenn die Stromanbieter passiv bleiben, nimmt der Anteil von erneuerbarem Strom langsam zu. Also gibts tatsächlich nur eins: die StromkonsumentInnen müssen den Atomstrom abwählen, um sowohl die Politik als auch die Energiewirtschaft in Gang zu bringen!
Erste Fassung: 5.10.2009