Mit ihrem übermässig grossen ökologischen Fussabdruck verbunden mit dem Verbrauch fossiler Energieressourcen tragen auch die SchweizerInnen mit dazu bei, dass unter immer extremeren Verhältnissen Oelfelder exploriert werden, wie beispielsweise im Golf von Mexiko in grosser Wassertiefe und mit langen Bohrlöchern. Es gibt nur eine Handlungsmöglichkeit: der ökologische Fussabdruck ist deutlich zu verkleinern, es braucht eine vollständige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Quellen aus nachhaltiger Nutzung.
38 Mio Liter Erdöl hat die Schweiz im Jahr 2007 pro Tag gebraucht. Die geschätzten 5’000 Barrel (ca 800’0000 Liter) Oelaustritt aus dem Bohrloch Macondo MC 252, welche sich nach dem Brand der Transocean-Tiefseebohrplattform Deepwater Horizon täglich ins Meer ergiessen, sind auch angesichts des aktuellen globalen Tagesverbrauch von rund 90 Mio Barrel ein Klacks. Und trotzdem sorgt sich eine Grossregion wie die US-Südküste berechtigterweise über die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen dieser Oelpest für Mensch und Umwelt. Transocean wurde kürzlich für deren Sicherheitsstandards bei solchen Bohrarbeiten ausgezeichnet. Selbst bei hohen Sicherheitsstandard muss also davon ausgegangen werden, dass bei der Erdölförderung, genau wie beim Transport mit den Supertankern, nach den technischen und mathematischen Gesetzen von Murphy und Gauss in unregelmässigen Abständen derartige Katastrophen auftreten. Weil die einfach erschliessbaren Oelvorkommen bereits ausgebeutet werden (oder worden sind), wird es immer schwieriger und damit unfallträchtiger, neue Oelfelder zu finden und zu erschliessen – der Peak Oil kündigt sich an. Somit ist davon auszugehen, dass in der Tendenz solche „Ereignisse“ zunehmen, ausser es gelingt, die Sicherheitsstandards drastisch zu verschärfen. Zu den Herausforderungen allein beim Bohrloch im Macondo-Oelfeld: der Meeresgrund liegt 1500 Meter unter dem Meeresspiegel, ab dort sind mindestens 4’500 Meter zu bohren; bei anderen Bohrungen erreicht die Endtiefe 10’000 Meter – an der Grenze der technischen Machbarkeit!
Es gibt selbstverständlich eine weitere Massnahme: deutliche Verminderung des Oelverbrauchs! Erdöl – respektive die daraus hergestellten Produkte Heizöl, Benzin und Diesel – ist in der Schweiz trotz Oelpreiskrisen in den 70er-, 80er- und 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts, trotz der Diskussion um den Mensch gemachten Klimawandel, trotz den beängstigenden Folgen diverser Oelpests in grösserer oder weiterer Distanz von den Landesgrenzen nach wie vor der wichtigste Energieträger. 2008 wurde in der Schweiz mehr CO2 ausgestossen als zu Beginn der Beobachtungsperiode 1990. Die Schweiz hat noch nicht wirklich ernsthaft damit begonnen, vom Erdöl wegzukommen. es braucht so etwas wie einen energiepolitischen Plan Wahlen, eine energiepolitische „Anbauschlacht“ (ich suche schon länger nach einem nicht militärisch tönenden Wort – ich danke für entsprechende Vorschläge). Wie könnte denn ein solcher „Plan XXX“ aussehen? P.S. Zumindest bei den aktiven PolitikerInnen auf eidgenössischer und kantonaler Ebene ist derzeit keine Persönlichkeit auszumachen, die anstelle von XXX stehen könnte.
- Wie es die Stadt Zürich bereits vorgemacht hat, gehören Energieeffizienz- und Energieträgerqualitäts-Ziele in die Verfassung. In die Gemeindeordnung der Stadt Zürich wurde am 30. November 2008 die 2000-Watt-Gesellschaft als Politikvorgabe aufgenommen: 1 Tonne CO2-Ausstoss pro Person und Jahr (statt wie heute je nach Region 5 bis 9 Tonnen) bis zum Jahr 2050, 2000 Watt mittlere Primärenergie-Dauerleistung (statt heute je nach Region 5000 bis 8000 Watt).
- Verzicht auf die Illusion der Atomenergie. Atomenergie leistet keinen Beitrag zur Verminderung des Mensch gemachten Klimawandels; Uran ist zudem eine endliche Ressource.
- Klartext ist gefordert! Der übermässige Fussabdruck verschwindet nicht einfach so – „Abschied nehmen von der Verschwendung“ ist angesagt! Der Plan XXX erfordert den ganzen Menschen – es braucht eine Grundhaltung dazu!
- Die politischer MieterInnen bejammern Spekulation, die politischen HauseigentümerInnen machen das Investor-Nutzer-Dilemma geltend: es ist grotesk, wie sich HauseigentümerInnen und MieterInnen gegenseitig ins Nichtstun hineineskalieren. Dabei ist klar: sowohl MieterInnen wie HauseigentümerInnen betreiben derzeit im Durchschnitt Diebstahl an der Zukunft – die heutige Wohnungsbewirtschaftung ist weit von einer Nachhaltigkeit (in allen Dimensionen!) entfernt. Der Plan XXX muss den politisch handlungsunfähigen Wohnungsmarkt dynamisieren. Völlig klar ist: Die Wohnkosten machen in einer Gesellschaft mit deutlich vermindertem ökologischen Fussabdruck einen höheren Anteil am Einkommen aus!
- Reine emotionale Steinzeit wird derzeit im Verkehrsbereich betrieben. Egal ob die stundenlangen ÖV-Pendlerfahrten, die heutigen SUVs und andere übermässig Erdöl saufende MIEF- sorry MIV-Vehikel oder die kontinent-übergreifenden Ferienflugreisen: ein solches Verkehrsverhalten ist schlicht nicht zukunftsfähig. Auch da gilt es, von der Verschwendung Abschied zu nehmen!
- Diverse elektronische Geräte haben grundsätzlich die Tendenz, den Energieverbrauch zu vermindern. Auch hier eine groteske Situation: weil die Herstellung ein bisschen billiger kommt, haben viele Geräte einen zu hohen Standby-Verbrauch ausserhalb der Nutzungszeit. Um diesen Verbrauch zu vermindern, sind übermässig teure und damit in der Gesamtbeurteilung nachteilige Zusatzgadgets erforderlich. Hier muss der Plan XXX völlig neue Denkmodelle ermöglichen.
- Die lächerlich geringe CO2-Abgabe ist endlich durch eine stark lenkende Energieabgabe mit vollständiger Rückerstattung an Haushalte und Wirtschaft zu ersetzen. Die Energiekosten müssen in den Buchhaltungen sichtbarer werden, energie-effizientes Handeln ist zu belohnen.
- Das BIP ist aufzugeben oder zu ersetzen durch eine Nachhaltigkeitsbeurteilung – das BIP bewertet beispielsweise Symptombekämpfungen positiver als vorbeugende Massnahmen. Sir Nicholas Stern hat beispielsweise abgeschätzt, dass Klimaschutzmassnahmen fünf Mal weniger Einfluss auf das BIP haben als Klimawandel-Folgen-Anpassungsmassnahmen – prompt schlagen etwa deutsche ÖkonomInnen vor, auf die Klimaschutzmassnahmen zu verzichten! Da müsste ein Plan XXX Klarheit schaffen.
Bekanntlich neigt die Menschheit zum Zynismus: gehandelt wird erst, wenn die Not schon gross ist – es braucht leider Katastrophen, um die Lern- und Veränderungsfähigkeit der Menschen zu aktivieren. Vielleicht schafft das zufällige Zusammentreffen von 20 Jahre Tschernobyl und der Oelpest im Golf von Mexico, auch in der Schweiz einen Veränderungsschub hin zu einer nachhaltigen Energieversorgung auszulösen, damit der Plan XXX umgesetzt werden kann!