Eins oder Fünf?

Vor einiger Zeit ist bereits der Stern-Report zum Schluss gekommen: ein Prozent des globalen BIP braucht es (jährlich), um sofort wirksame Massnahmen gegen den menschgemachten Klimawandel zu ergreifen. Wenn die Menschheit – das heisst jede und jeder einzelne – dies nicht tut, wird es fünf Prozent des BIP brauchen, um die schlimmsten Folgen des menschgemachten Klimawandels in den Griff zu bekommen. Das war 2006 – im gleichen Jahr, in dem auch der Film „An Inconvenient Truth“ mit Al Gore in die Kinos kam.

Rund drei Jahre später, 1. September 2009, Zitat aus dem Lead eines NZZ-Artikels: Mehr als 500 Milliarden Dollar müssten jährlich investiert werden, um künftige Klimaschäden abzuwenden. Dies fordert eine Studie der Uno, die am Dienstag an der 3. Klimakonferenz in Genf veröffentlicht wurde.

Diese 500 Milliarden Dollars entsprechen gerade etwa einem Prozent des BIP wie im Stern-Report. Eins oder Fünf? Auch wenn sich hier die Tragik des BIP zeigt (vom Prinzip her wäre Fünf BIP-positiv): mit Eins oder Fünf entscheidet sich die Menschheit entweder für Voraussicht oder für Katastrophenschutz, so einfach ist die Welt.

Voraussicht heisst, zu versuchen, den menschgemachten durchschnittlichen globalen Temperaturanstieg auf maximal 2 Prozent zu begrenzen. Schon dieser Anstieg wird erhebliche Auswirkungen auf die Menschheit und deren Lebensqualität auf dem Planeten Erde haben, aber derzeit scheint diese Veränderung und vor allem die zeitliche Veränderungsrate der Temperatur von den Menschen und deren Umwelt bewältigbar zu sein.

Es geht also nicht darum, das Klima mit dem exakt heutigen Status zu erhalten: das globale Klima ist dauernden Veränderungen ausgesetzt, sowohl kurzfristigen als auch langfristigen Trends (demnach herrscht derzeit eine Zwischeneiszeit). Aber: die Forschungsergebnisse zeigen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, dass das Leben auf dieser Erde sich nur an moderate Veränderungen anpassen kann, weil sonst existenzgefährdende Veränderungsraten herrschen.

Der Stern-Report zeigt: es ist vorteilhaft, vorsichtig zu sein und alle Massnahmen zu ergreifen, die einigermassen zweckmässig erscheinen, um die Auswirkungen des menschlichen Handelns auf das globale Klima begrenzen zu können.

Dazu kommen weitere Fakten: die fossilen Energieressourcen (Erdöl, Erdgas), aber auch uranhaltige Mineralien, die unter viel Aufwand zur Energieversorgung herangezogen werden können, sind endlich, sind begrenzt. Auch wenn die Erde riesig ist, auch wenn allenfalls neue Nutzungstechnologien gefunden werden könnten: die Erde ist und bleibt endlich, kann nicht sämtliche übermässige Ressourcenansprüche abdecken!

Es spielt dabei keine Rolle, wie die zeitliche Abfolge der Erschöpfung der Lagerstätten für fossile Brenn- und Treibstoffe und der übermässigen globalen Temperaturerhöhung wegen des Verbrauchs dieser fossilen Ressourcen aussieht: beide Fakten weisen darauf hin, dass die Verwendung fossiler Energieträger nicht für alle Ewigkeit möglich ist – und somit nicht nachhaltig ist, d.h. die Lebensmöglichkeiten zukünftiger Generationen erheblich einschränkt oder gar zerstört!

Der Bundesrat hat am 26. August 2009 eine Revision des CO2-Gesetzes vorgestellt, die den Ansprüchen an ernsthafte Massnahmen zur Verminderung der übermässigen Treibhausgasemissionen bei weitem nicht entspricht. Der Bundesrat – Exekutive eines kleinen Landes mit massiv übergrossem ökologischem Fussabdruck, mindestens XXXXXXXL – betreibt also keine vorsorgende Klimaschutzpolitik, sondern postuliert ungenügenden Minimalismus-Klimaschutz – und der Kanton Zürich lässt sich von den Mitte-PolitikerInnen einlullen, die unqualifiziert ein Emissionsziel von 2.2 Tonnen CO2 pro Person und Jahr für das Jahr 2050 festschreiben wollen, obwohl auch diese Soft-Vorgabe die Warnungen sowohl der KlimaforscherInnen als auch der UmweltökonomInnen nicht ausreichend berücksichtigt. Eine Tonne CO2 pro Person und Jahr ist als Zielvorgabe für 2050 zwar eine echte Herausforderung, aber alles andere als radikal!

Das, was die politische Schweiz zu tun gewillt ist, reicht bei weitem nicht. Einmal mehr nimmt die politische Schweiz ihre ökologische Verantwortung nicht wahr. Die Weltklimakonferenz in Kopenhagen Ende 2009 bietet die Chance, dafür zu sorgen, dass sich global die vorausschauende Optik und nicht die Katastrophenszenarien durchsetzen – jetzt muss gehandelt werden!

„Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ – mit diesem komplexen Begriff legt die Wissenschaft dar, dass es einige sehr unwahrscheinliche Zweifel an der Theorie der menschgemachten globalen Klimaveränderung gibt. Nur: was ist, wenn die Klimaveränderung gar nicht wahr wäre, wie würde die Bilanz der Menschheit aussehen im Bezug auf bereits ergriffene Klimaschutzmassnahmen? Viele der Massnahmen haben auch lokal oder regional positive Effekte: weniger Lärm, weniger Luftschadstoffe, weniger Energiekosten, mehr Komfort, mehr Lifestyle, geringere Marktabhängigkeit. Lauter Vorteile – schlicht dumm und blöd, wer solche Vorteile unabhängig vom Vertrauen in die Wissenschaft nicht nutzen will!