Falsches Problem, untaugliche Lösung

Es ist immer wieder beeindruckend, wie man ausgehend von falschen Problemanalysen zu untauglichen Lösungsvorschlägen kommen kann. Ein weiteres Beispiel: die Ueberlegungen diverser Ingenieure und der ETH, die zur Empfehlung führen, weniger zu isolieren. Es sei nur wichtig, den CO2-Ausstoss zu reduzieren, der Energieverbrauch müsse nicht vermindert werden. Definitiv ein untauglicher Vorschlag!

Auch die SchweizerInnen haben einen deutlich zu hohen ökologischen Fussabdruck: ihr Verhalten ist im Durchschnitt übermässig belastend, und zwar erheblich. Die Schweiz ist um Faktoren davon entfernt, sich nachhaltig zu verhalten. Oder anders: die SchweizerInnen leben zu Lasten anderer Weltgegenden und zukünftiger Generationen!

Grundsätzlich ist es zwar möglich, den fossilen CO2-Ausstoss ausschliesslich mit erneuerbaren Energien zu vermindern – der ökologische Fussabdruck wird dadurch allerdings nicht zwingend kleiner. Oder anders: selbst mit ausschliesslich erneuerbaren Energien ist eine nachhaltige Energieversorgung nicht automatisch zu haben! Zur Illustration: eine Photovoltaik-Potenzialstudie von Ende der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts kommt zum Schluss, dass auf gut dafür geeigneten Dächern der Stadt Zürich 16 % des Strombedarfs des Jahres 1998 mittels Fotovoltaik-Anlagen erzeugt werden kann. Nun sind sich zwar die ZürcherInnen gewöhnt, ihren Strombedarf auch ausserhalb des Stadtgebietes abzudecken, genauso wie ihren Nahrungsmittelbedarf. Seit 1998 ist der Strombedarf der Stadt Zürich angestiegen, gerade auch wegen des Verzichts auf fossile Brenn- und Treibstoffe wird dies auch zukünftig so sein. Gleichzeitig nimmt auch der Wirkungsgrad der Fotovoltaik zu. Das ändert aber nichts daran, dass die Stadt fotovoltaisch nicht autonom sein kann, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Energie für die Herstellung der Solarstromanlagen.

Das fotovoltaische Stromproduktionspotential der Schweiz auf und an Gebäuden wird gemäss Medienzitaten auf etwa 30 % des Bedarfs geschätzt. Also muss sich die Schweiz auch im Ausland Stromerzeugungspotenziale sichern, zum Beispiel bei On- und Offshore-Windanlagen an den Küsten Europas – allenfalls auch bei solarthermischen Kraftwerken wie Desertec in Wüstengegenden. Zentral dabei: da geht es immer um „UND“, nicht um „ODER“ – auch wenn die Atomlobby allüberall versucht, die eine gegen die andere erneuerbare Energienutzung auszuspielen, um unberechtigterweise Anspruch auf einen Teil des Stromversorgungskuchens zu erheben.

Was klar ist: je weniger effizient die Energienutzung in der Schweiz, desto grösser sind die Flächen, die im Ausland zur Deckung des Inlandbedarfs benötigt werden, desto grösser sind auch die Verluste, die beim Transport des Stroms in die Schweiz anfallen – desto grösser bleibt also der ökologische Fussabdruck der SchweizerInnen.

Wer ausschliesslich auf den CO2-Ausstoss fokussiert, wie dies derzeit die ETH und einzelne Ingenieurbüros tun, geht vom falschen Problem aus und kommt definitiv zu untauglichen Lösungen.

Dies kann auch an anderen Aussagen illustriert werden. Neben dem CO2-frei produzierten Strom für den Betrieb der Wärmepumpen basiert das System des ETH Campus auf dem übermässigen Anfall von Sommerabwärme – weder wird die Fassade gedämmt noch werden die Storen (=sommerlicher Wärmeschutz) ersetzt. Mit sehr viel technischem Aufwand soll versucht werden, die Wärme den Räumen zu entziehen, um einigermassen komfortable Raumzustände hinzubringen. Abwärme stammt auch aus dem Einsatz elektrischer Geräte – viele davon funktionieren in einem „Betrieb ohne Nutzen“. Um die Gebäude nicht auf Energieeffizienz trimmen zu müssen, wird also übermässige Abwärmeproduktion angestrebt – beispielsweise durch ineffiziente Elektrogeräte – was den Stromverbrauch nochmals zusätzlich anhebt!

Die im TA-Artikel zitierten Architekten illustrieren die Unhaltbarkeit dieser Energieverschleuderungsposition deutlich. Statt sich der konstruktiven Herausforderung zu stellen, hoch energieeffiziente Gebäudehüllen bei bestehenden Gebäuden zu realisieren, Gebäudehüllen zu entwerfen, die den heutigen Anforderungen an den sommerlichen Wärmeschutz genügen, gleichzeitig aber auch gestalterischen Ansprüchen gerecht werden, verweigern diese ETH-Professoren die längst erforderliche Denkarbeit, um Wege zu finden, den riesigen Gebäudepark in die Zukunft zu führen, in eine Zukunft, die sowohl dem Klimaschutz gerecht wird, aber auch den Energieverbrauch und damit den ökologischen Fussabdruck vermindert. Erschreckend, dass sich ausgerechnet die ETH an veralteten Konsumansprüchen festklammert – und erst noch versucht, dies als Zukunft zu verkaufen.

In historischen Begriffen ausgedrückt: diverse Ingenieurbüros und (hoffentlich nur einzelne) ETH-Professoren setzen derzeit offenbar auf eine energiepolitische Restauration, eine energiepolitisch reaktionäre Phase – mit Entsprechungen bei SVP und FDP!

Übrigens: auch Ökohäuser brauchen nicht zwingend dicke Mauern. Dies braucht es nur dann, wenn die Funktion des Tragens (Statik) mit derjenigen des (winterlichen und sommerlichen) Wärmeschutzes kombiniert wird – eine Konstruktionsweise, die auch zu einem übermässigen Bedarf an grauer Energie für die Konstruktionsmaterialien führt.

Auch weiterhin gilt sowohl beim Neubau wie der Erneuerung von bestehenden Bauten: Energieeffizienz steht an erster Stelle, erst dann folgt die Abdeckung des Restbedarfs mit erneuerbaren Energien!

Und nicht zu vergessen: immer auch steht die Flächenbeanspruchung im Vordergrund!