Das Klima schützen? Das sollen die andern!

Unterdessen ist es generell anerkannt, dass der Mensch erheblichen Einfluss auf das Klima hat, und dass dieser Einfluss erhebliche Auswirkungen auf die Menschen hat respektive haben kann. Das heisst: es ist dringend nötig, den Ausstoss an Treibhausgasen zu vermindern! Neben dem üblichen Teil an altruistisch denken Menschen, die vieles in diese Richtung tun, gibt es einen beachtlichen Teil von Kräften, die den Mensch gemachten Klimawandel nicht in Abrede stellen, aber sich von Klimaschutzmassnahmen ausnehmen möchten. In der Wirkung ist dies nicht entscheidend unterschiedlich von den Climate Criminals.

Spätestens mit der Diskussion in Deutschland zum zwar politisch eigenartigen Energiekonzept der Bundesregierung wurde es sehr offensichtlich: es gibt ein grösseres gesellschaftlich ungelöstes Problem! MieterInnen und Hauseigentümerschaften können sich seit Jahrzehnten nicht über banalste betriebswirtschaftliche Beurteilungen bei Bau, Unterhalt, Erneuerung und Betrieb von Wohnliegenschaften verständigen! Dies scheint in ziemlich allen Ländern mit solchen Situationen zu gelten, sicher in Deutschland, aber auch in der Schweiz. MieterInnen einerseits haben den Eindruck, jeder bauliche Eingriff mit Mietzinserhöhung sei spekulativ, unnötig, übermässig – während Eigentümerschaften vermeinen, MieterInnen zahlten nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Selbst wenn das Mietrecht hoch ausgeklügelte Ansätze für die Behandlung solcher eigentlich standardmässig vorkommender Vorgänge bietet, lähmt dieses dauernde gegenseitige Gejammer jede sinnvolle Erneuerungstätigkeit. Bis anhin spricht man bloss von einem Erneuerungsstau, die aktuellen NutzerInnen „zerwohnen“ Bausubstanz, die von den Vorfahren erarbeitet wurde – wenn es so weitergeht, wird das Dauergeklöne von MieterInnen und VermieterInnen die dringlichst erforderlichen Massnahmen zum Schutze des Klimas erschweren wenn nicht gar verhindern. Hier sind endlich einvernehmliche Verständigungslösungen erforderlich. Um was könnte es dabei gehen?

Klar ist: bis anhin war der Wohnungsmarkt geprägt von der dauernd zunehmenden Wohnfläche pro Person. Nachhaltig nutzbare Wohnungen, die den erforderlichen Klimaschutzbeitrag leisten, werden tendenziell teurer, und sie werden weniger Fläche pro Person bieten (müssen). LOVOSLifestyle of voluntary simplicity – ist angesagt!

Jeder bauliche Eingriff in ein Gebäude erfordert eine seriöse strategische Prüfung des Umfeldes, des Gebäudezustandes und des Potentials des Standorts. Verschiedene Aspekte – vom übermässig grossen ökologischen Fussabdruckes über die Verminderung der Zwangsmobilitäten bis zur Endlichkeit des Planeten Erde – erfordern, dass die zonengemässen baurechtlichen Ausnutzungsmöglichkeiten auch tatsächlich realisiert werden, selbst wenn pro Person weniger Nutzfläche zur Verfügung steht. Die allenfalls liebgewonnene Aussicht aus der Wohnung auf See und oder Berge kann in der Regel zukünftig nicht mehr garantiert werden – dafür sollten ausreichende Naherholungsflächen im Quartier zur Verfügung stehen (ein bisschen tägliche Bewegung dient auch der Gesundheitsförderung). P.S. Die Realisierung eines Ersatzneubaus mit Ausschöpfung der zulässigen Ausnutzung hat nichts mit Spekulation zu tun, sondern ergibt sich aus der Vorgabe zur haushälterischen Nutzung des knappen Gutes Boden.

Insbesondere Wohnbauten wurden und werden nicht für die Ewigkeit gebaut – eine maximale Nutzungsdauer von 80 bis 100 Jahren ist angemessen, mit ein bis zwei grösseren, umfassenden Zwischensanierungen und einem regelmässigen Unterhalt. Diverse Untersuchungen zeigen: umfassende Erneuerungen mit weitgehenden energetischen Massnahmen sind gesamtökologisch etwa gleichwertig wie Neubauten nach dem zur Erstellung best verfügbaren energetischen/ökologischen Standard! Die Erhaltung von Bausubstanz aus emotionalen, baukulturelle oder Identitäts-Gründen ohne ausreichende energetische/ökologische Verbesserungen sind aus Gesamtsicht nicht zu verantworten. Das heisst: auch mi Neubauten sind emotional ansprechende Wohn“räume“ zu schaffen, sind baukulturelle Höchstleistungen zu erbringen, ist Identität zu schaffen!

Menschen müssen sich daran gewöhnen, dass sie Lebensabschnittswohnungen brauchen. Das Einfamilienhaus im Grünen, die Eigentumswohnung sind ungeeignete Formen des Liegenschaftenbesitzes. Stattdessen sind genossenschaftliche Wohnformen zu fördern und zu fordern. Wenn individuelles Eigentum gewünscht ist, ist dies auf Wohn- und Nutzungsrechte zu beschränken – Bausubstanz sollte nicht individuell bewirtschaftet werden, sondern durch professionelle LeistungsträgerInnen mit klaren ökonomischen und ökologischen Leistungsaufträgen.

Derzeit ist der Wohnungsmarkt vom Zechprellerei-Ansatz sowohl der MieterInnen wie der HauseigentümerInnen – wenn der Klimaschutz ernst genommen wird, ist eine nüchterne Sachlichkeit für die nachhaltige Bewirtschaftung von Liegenschaften erforderlich!


Eine wichtige Rolle spielen auch die Fachleute der Bauwirtschaft – von den ArchitektInnen bis zu den ausführenden Unternehmen. Auch wenn ich dieses Zitat schon mehrfach angefügt habe, lohnt sich die Wiederholung. Die Ergebnisse des „Praxistest Minergie-Sanierung„, publiziert vom Bundesamt für Energie im November 2008, sind erschütternd: Architekten und Unternehmer raten nur zögerlich zu Minergie-Modernisierungen, da für sie damit ein höherer Aufwand verbunden ist, der nicht in jedem Falle auch entsprechend honoriert wird. Fehlende Erfahrung mit Minergie-Modernisierungen führen auch dazu, dass von Minergie-Modernisierungen abgeraten wird. Dieses Hemmnis ist erheblich, da insbesondere Architekten die Vertrauenspersonen der Bauherren sind.

Eine zentrale Rolle bei diesem erheblichen Know-How-Mangel der Fachleute spielt die ETH Zürich, insbesondere die Architekturabteilung. Professoren betreiben eigentliche Arbeitsverweigerung, weil sie sich nicht darum kümmern wollen, wie Gebäude mit möglichst wenig Energie auskommen können – man könne ja erneuerbare Energien von irgendwo auf dem Globus importieren, das Angebot an Sonnenenergie sei um Grössenordnungen höher als der Bedarf. Ich verlange demgegenüber: der Energieverbrauch von Bauten muss möglichst tief sein, insbesondere der Energiebedarf bei Wohnungen für die Raum- und Wassererwärmung, möglichst aber auch ein Teil des Haushaltsstromes (Licht, Geräte, Hygiene, Kommunikation) ist im, am und auf dem Gebäude bereitzustellen. Der von aussen zuzuführende Energiebedarf soll minimiert werden, auch wenn dafür (selbstverständlich) erneuerbaren Quellen zu nutzen sind!

Gerade weil davon auszugehen ist, dass zukünftig der Anteil des Stroms an der Energieversorgung zunimmt, ist dafür zu sorgen, dass möglichst wenig Strom zu transportieren ist. Jede Windturbine, egal ob On- oder Off-Shore, ob auf einem Hügel oder einem Berg, jede Desertec-Solarstromanlage, jede Fotovoltaikanlage ausserhalb des umbauten Raumes, jedes Wasserkraftwerk stellt einen Eingriff in das ökologische Gleichgewicht dar, und braucht zudem Ressourcen, einige davon gehören zu den knappen Ressourcen. Strom ist nur mit eher aufwändigen Techniken speicherbar, verbunden in der Regel mit Energie-Verlusten. Auch ist die Realisierung der globalen „Kupferplatte“ für den nationalen, kontinentalen und allenfalls interkontinentalen Stromaustausch mit weiteren ökologisch relevanten Eingriffen verbunden. Darum: die Sicherstellung einer maximierten Energieeffizienz steht an erster Stelle der energiepolitischen Prioritätenordnung – die Abdeckung des Restbedarfs mit nachhaltig genutzten erneubaren Energieträgern/-quellen folgt erst respektive immerhin an zweiter Stelle. Es reicht nicht aus, den Ausstoss an Treibhausgasen zu vermindern! Auch wenn derzeit die Kosten und die „ästhetischen“ Folgen von Eingriffen in die Gebäudesubstanz als erheblich, ja gar als kriminell beurteilt werden: die ArchitektInnen haben bis jetzt in der Mehrheit ihren Job nicht gemacht, und sind nicht in der Lage, die deutliche Verbesserung der Energieeffizienz sowohl kostenmässig wie gestalterisch zu bewältigen – auch wenn es – siehe Minergie-Datenbank oder bei Preisverleihungen – durchaus Beispiele gibt, die sogar als Plus-Energie-Bauten bezeichnet werden! Klar ist: wir stehen derzeit am Anfang einer Entwicklung, die leider von sehr wenigen Fachleuten mitgetragen wird.

P.S. Der Vollständigkeit halber: Atomenergie steht nicht zur Diskussion, da sie keinen Klimaschutzbeitrag leistet und nicht erneuerbar ist.


Die ewig jammernden MieterInnen- und HauseigentümerInnen (und ihre Verbände), die klimaschützerisch arbeitsverweigernden Fachleute und ihre Ausbildner lassen sich einmal mehr mit der Politik ergänzen (P.S. hier gehts immer um Mehrheiten – es gibt immer wieder herausragende Beispiele, die illustrieren, wie eigenverantwortlicher Klimaschutz funktioniert): da hat es doch der Nationalrat mit mehr als fadenscheinigen Argumenten am 29. September 2010 abgelehnt, die übermässig fossile Treibstoffe saufenden Autos ganz einfach zu verbieten, da offenbar ihre KäuferInnen und NutzerInnen nicht ausreichend Klimaschutzverantwortung übernehmen! Da gibts nur eines: Ja zur Offroader-Stopp-Initative


Leider leider ist „Das Klima schützen? Das sollen die andern!“ immer noch die dominierende Haltung der SchweizerInnen. Da braucht es eine echte Neuorientierung! Denn: die neuesten Untersuchungen zeigen, dass die Klimaschutzziele von Kopenhagen bei weitem nicht ausreichend sind.


Darum: MieterInnen, HauseigentümerInnen, Baufachleute, Autofahrende: übernehmen Sie endlich die Verantwortung für Ihr Handeln und ergreifen Sie endlich – ohne auf den ersten Schritt anderer zu warten – die Initiative für ernsthafte Klimaschutzmassnahmen, auch wenn dies etwas kostet wird, auch wenn lieb gewordene Gewohnheiten aufgegeben werden müssen!