LOHAS sind out, den LOVOS gehört die Zukunft – die zivilgesellschaftliche Konsequenz aus der Weltklimakonferenz 2009

Rio und Kyoto waren die Konferenzen der IdealistInnen und NarzistInnen, Kopenhagen 2009 war die Konferenz der EgoistInnen. Die Staatengemeinschaft ist unfähig, mit einer globalen Bedrohung umzugehen, weil solche Lösungen ungerecht sind und von allen Menschen erhebliche Veränderungen mitzutragen sind.

LOHAS – Lifestyles of Health and Sustainability – ist die Hoffnung, durch einen bewussten respektive einen etwas bewussteren Konsum nachhaltig(er) leben zu können – Genuss und Wohlstand trotz oder vielleicht auch wegen des Klimawandels. Zentrales Element ist dabei Greenwashing: der eigene CO2-Ausstoss nimmt nicht ab (Originalzitat BAFU, 14.12.2009: Über den Zeitraum von 1990 bis 2007 ist der [Treibhausgas-]Ausstoss insgesamt stabil geblieben), und man lässt via myclimate CO2-ablasshandeln, sogar mit Zertifikaten der höchsten Qualitätsstufe. Nur: die Massnahmen, die mit diesen Geldern realisiert werden, setzen in erster Linie die einfach realisierbaren CO2-Minderungsmassnahmen in Entwicklungs- und Schwellenländern um.

Damit wird der Welt signalisiert: ein hoher Lebensstandard ist mit hohen Pro-Kopf-Treibhausgasemissionen verbunden – Beispiele wie Frankreich mit dem extrem hohen AKW-Anteil oder Schweden mit den unendlichen Weiten der nordischen Wälder bestätigen als partielle Ausnahmen diese Regel!

Unterdessen ist die Erkenntnis gereift, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre die „Pissmarke“ der Überflussgesellschaft darstellt. Der aktuelle Überfluss in den reichsten Ländern muss massiv vermindert werden – und es scheint zweckmässig, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer gar nie das aktuelle Überflussniveau der Verschwendungsnationen erreichen! Definitiv: Klimaschutz ist aus dieser Sicht keine Win-Win-Situation, insbesondere der aktuelle Überfluss, der übergrosse ökologische Fussabdruck, hat keine Zukunft!

Keine angenehme Botschaft: „Reiche“, Ihr müsst ärmer werden – „Arme“, vielleicht werdet Ihr reicher, aber sicher nicht so reich wie es die „Reichen“ heute sind!

Die einen Reichen reagieren mit klimaskeptischer Ignoranz, wieder andere – etwa die EU – mit „Wenn Ihr, dann wir auch“ (falls Ihr Massnahmen beschliesst, werden wir dies auch tun) – es gibt eine ganze Reihe weiterer unkonstruktiver „Vermeidungsstrategien“.

Das Klima wandelt sich auch ohne den Menschen – das Schweizerische Mittelland beispielsweise lag schon unter dicken Eisschichten, war aber auch schon von Meeren bedeckt – dies allerdings in erdhistorischen Zeitepochen. Oder anders: auch ohne Mensch gemachten Klimawandel ist die „Höhe über Meer“ von Tuvalu oder den Malediven natürlichen Schwankungen unterworfen, es gibt keine Gewähr dafür, dass Tuvalu oder die Malediven „bis zum Ende der Welt“ sicher über den Meeresspiegel hinaus ragen. Entscheidend in der Diskussion ist, dass der (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) Mensch gemachte Klimawandel zu einem deutlich schnelleren Anstieg des Meeresspiegels führt, als von den Menschen auf Tuvalu oder den Malediven bewältigt werden kann – und es geht eben um mehr: hunderte Millionen von Menschen könnten in den nächsten Jahrzehnten zu Klimawandelflüchtlingen werden, mit unabsehbaren Folgen für die menschliche Gesellschaft insgesamt!

Darüber hinaus: die fossilen Brennstoffe, deren Verbrauch die Treibhausgasemissionen u.a. ansteigen lässt, sind endlich, also begrenzt. Der sogenannte „Peak Oil„, der Aufbrauch der Hälfte der vermutlichen Reserven an Rohöl, wird inzwischen selbst von der konservativen IEA in eine nahe Zukunft gerückt! Dies heisst: selbst wenn der Ausstoss von Treibhausgasen bei der Verbrennung dieser Rohstoffe nicht wäre, muss die Menschheit sich sehr schnell von ihrer Abhängigkeit von den fossilen Brenn- und Treibstoffen lösen. Was sicher auch der demokratischen Entwicklung in den Herkunftsländern des Rohöls gut tun würde, können sich diese Länder angesichts der strategischen Bedeutung „ihres“ Rohstoffes einige Eskapaden leisten.

Die LOHAS müssen sich neu definieren – respektive dieser zukunftsfähige Lifestyle wurde bereits formuliert: LOVOS, „Lifestyle of Voluntary Simplicity“, freiwillige Einfachheit, Suffizienz, oder in der „Schönschreibversion“ des Wuppertal-Instituts: Masshalten, von nichts zuviel wollen, damit für anderes, das man ebenfalls braucht, noch Platz bleibt!

LOVOS, der Lebensstil der freiwilligen Einfachheit, hat derzeit einen geringen „Marktanteil“. Da die Staatengemeinschaft – siehe Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Kopenhagen – offenbar unfähig ist, ernsthafte Schritte zur Verminderung der Auswirkungen des Mensch gemachten Klimawandels zu unternehmen, bleibt nur eines: es braucht viel mehr LOVOS auf diesem Planeten, insbesondere in den Konsumüberflussländern!

So rasch als möglich sind stark lenkende Energieabgaben einzuführen, parallel dazu ist das bedingungslose Grundeinkommen für alle voranzutreiben – ein echter Green New Deal also. Kopenhagen hat gezeigt, dass die Politik noch nicht bereit ist, den Umbau der Weltgemeinschaft in Angriff zu nehmen – jetzt ist es an der Zivilgesellschaft, letztlich an jedem einzelnen, in Verantwortung für die Zukunft der Gesellschaft ganz konkret zu handeln – auch wenn der eigene Verantwortungsbereich nur Milliardstel beträgt!

Barack Obama allein reicht nicht, es braucht die Unterstützung aller Menschen auf diesem Planeten, damit die Menschheit auf dieser Erde eine lebenswerte Zukunft hat!


Nachtrag 19.12.09

Ein sarkastischer wenn nicht gar zynischer Kommentar von Nils Minkmar in der FAZ vom 19.12.09: Erspart uns doch endlich den Kitsch!

Nachtrag 27.12.2009

Die Internet-FAZ titelt am 27.12.2009: „Das neue Jahrzehnt: Danke, wir verzichten“ – unter anderem mit einem Text von Peter Unfried, TAZ-Chefredaktor und Autor des Buches „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“. Einige Zitate aus seinem Text:

  • Grundlage für Handlungsfähigkeit ist ein neues Denken, in dem die Angst vor Klimakultur nicht mehr grösser ist als die Angst vor dem Klimawandel.
  • Konkret: Ich habe ein Drei-Liter-Auto. Ich brauche also bis Ende 2011 ein 1,5-Liter-Auto, oder ich muss nur noch die Hälfte der bisherigen Zeit im Auto verbringen. Es ist egal, ob die Verbesserung durch eine Lebensstiländerung erreicht wird (auch mal zu Fuß gehen), durch Technologie (modernes Auto) oder Transformation vom Konsumenten zum Stromproduzenten.
  • Das neue Jahrzehnt ist das Jahrzehnt der freien Entscheidung eines jeden okayverdienenden Bürgers in den wohlhabenden Industrienationen. Mein Bruder. Ich. Sie. Wir entscheiden uns: für Lebensstilverantwortung. Für Klimakultur. Für Klimapolitik. Für Aktion.

Erste Fassung 19.12.2009