Am Abend des 24. Novembers 2013: zur Bedeutung von Abstimmungsergebnissen

Das Abstimmungswochenende vom 24. November 2013 hat auf eidgenössischer Ebene die voraussehbaren Ergebnisse gebracht: Nein zur 1:12-Initiative, Nein zur Erhöhung des Preises der Autobahnvignette, Nein zu Steuerabzügen für Kinderbetreuung. Dass meine Abstimmungsempfehlungen nicht exakt dem Abstimmungsergebnis entsprechen, hat damit zu tun, dass Abstimmungsempfehlungen eine politische Empfehlung und keine Prognose zum Abstimmungsausgang sind.

Dass die 1:12-Initiative abgelehnt würde, war aufgrund bisheriger Abstimmungsergebnisse zu ähnlichen Themen zu erwarten. In der Tendenz entscheiden sich die SchweizerInnen in derartigen Fragen neoliberal (betont gerade auch bei der Abzockerinitiativ), antisozial und antisolidarisch. Ellbogismus und Ecoismus, sorry Egoismus dominieren die politische Landschaft. Trotz massiver und unqualifizierter Einschüchterung mit internationalen Konzernen und Fussballstars, trotz Einsatz von erheblichen MArketingmitteln haben knapp mehr als ein Drittel der abstimmenden SchweizerInnen ja gesagt zu einer Verbesserung der Fairness bei den Löhnen. Ein Drittel der Stimmenden, das sind definitiv mehr als die Mitglieder und SympathisantInnen der JUSO – das Unbehagen reicht weit in die gesellschaftlichen Schichten mit durchschnittlichen bis guten Einkommen hinein. Auf jeden Fall hat die 1:12-Initiative eine Diskussion ausgelöst, die Auswirkungen hat und haben wird. Diverse Unternehmenverantwortliche haben in den letzten Wochen und Monaten zu erkennen gegeben, dass tatsächlich auch in jüngerer Zeit übermässige Entschädigungen (von Löhnen kann da nicht mehr gesprochen werden) ausbezahlt wurden. Viele Stimmberechtigte gehen davon aus, dass diese Aussagen zu einer Selbstregulierung innerhalb der Wirtschaft führen dürften und deshalb ein staatlicher Eingriff in das Lohngefüge derzeit nicht erforderlich sei. Sollten diesen Worten nicht bald nachweisbare Taten folgen und auch die höchsten Entschädigungen nicht deutlich reduziert werden, dürften zukünftig nicht nur die JUSO aktiv werden. Oder anders: Wir bleiben dran! P.S. Auch wenn es sich dabei gleichzeitig um einen Tamedia-Werbespruch handelt, ist diese Aussage allgemeiner Sprachgebrauch.

Diverse PolitikkommentatorInnen wurden offenbar durch das Nein der Stimmberechtigten zur Erhöhung des Preises der Autobahnvignette überrascht. Dieses Nein kam zustande durch das Zusammenlegen der Nein-Stimmen von wenigstens zwei Gruppen:

  • einerseits die nach wie vorhandenen Fans der in $VP und FDP aufgegangenen Autopartei, die Freiheit mit möglichst vielen Autobahnkilometern gleichsetzen und davon ausgehen, dass die Allgemeinheit ihr unreflektiertes, als verantwortungslos zu bezeichnendes Verkehrsverhalten in erheblichem Umfang finanziert, gleichzeitig aber meinen, „finanzielle Milchkühe“ zu sein.
  • andererseits fundamental-ökologisch ausgerichtete Kreise, die darauf hin arbeiten, dass die absolute Menge des Strassenverkehrs und der Anteil des Autoverkehrs am Gesamtverkehr deutlich abnimmt, unter anderem aus Gründen des Klima-, des Landschafts- und des Lärmschutzes.

Welcher Anteil an Nein-Stimmen aus diesen beiden unterschiedlichen Argumentationshaufen stammt, spielt für die weitere Diskussion eine geringe Rolle. Entscheidend ist, dass weder die offizielle Strassenverkehrspolitik noch eine der beiden anderen Positionen mehrheitsfähig ist. Tatsache ist: Selbst eine geringe Verteuerung des Preises der Autobahn-Vignette ist nicht mehrheitsfähig, wenn damit erhebliche Strassenausbauten und Kompetenzverschiebungen verbunden sind. Der Bundesrat und die Parlamente werden entscheiden müssen, ob die Windschutzscheibenoptik-AutofahrerInnen oder die ökologisch orientierten Kreise bessere PartnerInnen für eine zukunftsgerichtete und damit letztlich mehrheitsfähige Verkehrspolitik sind – aus meiner Sicht ist es definitiv nicht die Gasfuss-Lobby.

Auch das Nein zur $VP-Familieninitiative war zu erwarten – ob es am so oder so nicht mehr der Realität entsprechenden Familienbild der $VP lag oder ob Steuerabzüge politisch nicht als geeignete Vorgehensweise gelten, ist auch hier letztlich nicht massgebend.


Das bedingungslose Grundeinkommen für alle setzt neue Akzente in der Diskussion über gerechte Löhne, aber ebenso bei Fragen der Familienbetreuung. Eine echte Energie- und Klimaschutzpolitik, welche mit den lügenden Energiepreisen aufräumt und zum Beispiel eine stark lenkende Energieabgabe einführt, könnte auch im Strassenverkehr zu den längst fälligen und dringlich erforderlichen Akzentverschiebungen führen.