Wärmepumpen, Vorlauftemperaturen, Klimaschutz

Bei den Meinungsbeiträgen zur Abstimmung am 28. November 2021 über die längst fällige Änderung des Zürcher Energiegesetzes fällt etwas auf. Es wird immer wieder über Vorlauftemperaturen von Heizsystemen und daraus abgeleitet über «Leerkündigungen» geschrieben. Einmal mehr geht dabei die Dringlichkeit des Handelns in der Klimakrise vergessen. 

Die von Regierungsrat und Kantonsrat vorgeschlagene Änderung des Energiegesetzes beabsichtigt, dass beim Ersatz von Heizungsanlagen in den meisten Fällen erneuerbare Energien eingesetzt werden. In einigen anderen Kantonen ist dies bereits länger die Regel, was bestens funktioniert.

Nach dem absurden Positionsbezug des Zürcher Mieter*innen-Verbandes im offensichtlichen Gefolge des Heizöl- und Erdgas-Vereins (HEV, früher irrtümlicherweise als Haus-Eigentümer-Verband bezeichnet) steht regelmässig das «Monster» Leerkündigung im Raum. Im Tages-Anzeiger vom 1. November 2021 wird Regierungsrat Dr. Martin Neukom mit der Aussage «Ein Vermieter lügt, wenn er behauptet, er kündige, weil er die Heizung ersetzen müsse» zitiert, mit heftigen Reaktionen im digitalen Stammtisch zu dieser Seite.

Als Ingenieur mit Diplom in Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik erlaube ich mir einige Bemerkungen zu diesem «Stürmchen».

Grundsätzlich ist es möglich, auch bestehende Gebäude, bei denen die Heizwärme über Radiatoren an die Räume abgegeben wird, mit einer Wärmepumpen-Anlage zu beheizen, mit unter Effizienz-Aspekten verantwortbaren mittleren Anlage-Leistungsziffern.

Wenn dies nicht möglich ist, haben die Hausbesitzenden in den letzten mindestens 50 Jahren schlicht versagt – und das Wohnen in solchen Gebäuden ist etwa auch unter Berücksichtigung der Wohnhygiene nicht zu verantworten.

Was lässt sich dazu sagen?

  • «Erhöhung der Vorlauftemperatur» war und ist bei Reklamation von Seiten Mieter*innen eine der häufigen Service-Reaktionen. Erfahrungsgemäss sind neben schlechter energetischer Qualität insbesondere von Fenstern und Aussenwänden häufig einzelne eher klein geratene Heizkörper die Ursache für solche Reaktionen. Mit dem Ersatz einzelner zu kleiner Heizkörper kann in den meisten Fällen die Vorlauftemperatur deutlich gesenkt werden.
  • Beim Unterhalt resp. bei der Werterhaltung bestehender Liegenschaften erfolgen recht häufig Verbesserungen der energetischen Qualität der Bauteile, zum Beispiel beim Ersatz von Fenstern oder bei Erneuerungen von Kellerdecken und Estrichböden. Fachgerecht ist es, nach derartigen energetischen Verbesserungen die erforderlichen Vorlauftemperaturen zu ermitteln und an den tatsächlichen Bedarf anzupassen.
  • Noch sehr häufig wird beim Ersatz einer Wärmeerzeugungsanlage eine Offerte von einer Installationsfirma oder es werden Offerten von mehreren Installationsfirmen eingeholt. Angesichts der Konkurrenzsituation der Branche steht das Verkaufen der Anlagen und nicht die fachlich korrekte Beratung der Eigentümerschaft im Vordergrund – da geht es in der Regel um die billigste Investition, und nicht um eine der Klimakrise angemessene Lösung.
  • Daraus die Empfehlung: Sollte im Keller eine Wärmeerzeugungsanlage installiert sein, die mit Öl oder Gas betrieben wird, ist spätestens nach 15 Betriebsjahren ein Gesamtkonzept zu erstellen, wie möglichst rasch null Fossile erreicht werden, unter Berücksichtigung der üblichen Nutzungsdauern von Technik und Gebäudekomponenten. Dazu gehört auch eine Optimierung der Vorlauftemperaturen.
  • Je kleiner die Temperaturdifferenz zwischen zu erreichender Raum(luft)temperatur und der dazu nötigen Vorlauftemperatur, desto energetisch effizienter arbeitet eine Wärmepumpe. Dies gilt auch bei Wärmeabgabe durch Radiatoren/Heizkörper. Bei Bauten, bei den Unterhalt und Werterhaltung fach- und sachgemäss vorgenommen werden, sind Wärmepumpen für die Wärmeversorgung bestens geeignet.
  • Zitat aus energeiaplus, dem Magazin des Bundesamtes für Energie (Dezember 2020): «Die Feldmessungen zeigen, dass im Schweizer Mittelland, wo etwa 2/3 der Schweizer Bevölkerung wohnt, auch Luft/Wasser-Wärmepumpen in Verbindung mit Radiatoren eine hohe Effizienz erreichen, dies, weil die Heizsaison durch mehrheitlich relativ milde Aussentemperaturen geprägt ist.»
  • Wärmepumpen haben gerade in den letzten Jahren erhebliche Entwicklungsschritte durchgemacht (und es sind weitere zu erwarten). Die Steigerung der Energieeffizienz, Optimierung der Vorlauftemperaturen und (insbesondere bei Luft/Wasser-Wärmepumpen) Verminderung der Geräuschentwicklung sind sicher erwähnenswert.
  • Zahlreiche energetische Verbesserungen an Gebäuden lassen sich auch im bewohnten Zustand realisieren, allenfalls kombiniert mit einer wochenweisen (Ferien-)Abwesenheit der Nutzer*innen.
  • Anderseits: wenn Unterhalt und Werterhaltung während langen Jahren vernachlässigt wurden, wenn Bauten konstruktive und/oder konzeptionelle Mängel aufweisen, dann wird es eher schwierig ohne Leerkündigung, was allerdings nicht zwingend zu deutlichen Mietzinssteigerungen führen muss.
  • Und gelegentlich ist in einer auch ökologisch ausgestalteten Gesamtbetrachtung ein Ersatzneubau die bessere Lösung als eine (aufwändige) Erneuerung.
  • Die Sanierung der Wärmeerzeugungsanlage ist dann nicht die Begründung für die Leerkündigung, sondern der Auslöser einer längst fälligen strategischen Betrachtungsweise, die wegen der bisherigen Unterlassungen zu einer umfassenden Erneuerung mit Werterhaltung und teilweise Wertsteigerung oder gar einem Ersatzneuzbau führt. 
  • Es ist immer wieder festzustellen, dass viele Akteur*innen nach wie vor Anfänger*innen oder Lernende sind, wenn es in der Praxis  darum geht, Suffizienz UND Effizienz UND Konsistenz als Handlungsansätze der nachhaltigen Entwicklung zu konkretisieren. Das Ja zum Zürcher Energiegesetz am 28. November 2021 ist ein wichtiger Lern- und Praxis-Impuls!

Der Einsatz erneuerbarer Energien für die Wärmeversorgung von bestehenden Bauten ist ein wichtiger Klimaschutzbeitrag. Und: Marktkräfte haben im Herbst 2021 zu starken Steigerungen von Öl- und Gaspreisen geführt. Es zeigt sich, dass auch bei bestehenden Gebäuden erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung  eingesetzt werden können, in der Regel mit höheren Investitionskosten als beim Ersatz der Öl- oder Gasheizung durch eine Öl- oder Gasheizung – dafür mit teilweise deutlich tieferen Energie- und Betriebskosten (und geringeren Abhängigkeiten von Energiepreisveränderungen).

Und dann noch dies

Falls noch nicht realisiert: Wenn es in den strategischen Rahmen von Gebäudeunterhalt, Gebäudewerterhalt und -wertsteigerung passt, könnten auf allen dafür geeigenten Gebäudeflächen – Dach, Fassaden – Solarzellen montiert werden.

Bekanntlich sind für eine enkel*innen-taugliche Klimapolitik «schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allem Bereichen der Gesellschaft» erforderlich. Die im Kanton Zürich für die Volksabstimmung am 28. November 2021 vorgeschlagene Erneuerung des Energiegesetzes bietet dazu beachtliche Beiträge. Darum: JA zur Änderung des kantonalen Zürcher Energiegesetzes