FDP: Unwissenheit beim Klimaschutz

Die FDP gibt sich gegen aussen zwar klimaschützerisch. In der konkreten Umsetzung dominieren bei der FDP allerdings nach wie Unwissen, nahe bei Inkompetenz, Fakes und Lügen. Neuestes Beispiel aus der Stadt Zürich: Lautstarke und leseunfähige FDP-ParlamentarierInnen, die auf die Nichtbeachtung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimakrise setzen.

Die Stadt Zürich hat 2008 gemäss dem damaligen Wissensstand die 2000-Watt-Gesellschaft in der Gemeindeordnung festgeschrieben: [Die Stadt Zürich] setzt sich im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Erreichung der Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft ein, insbesondere für …

b) eine Reduktion des CO2-Ausstosses auf eine Tonne pro Einwohnerin oder Einwohner und Jahr …

In den Übergangsbestimmungen wird 2050 als Zieljahr für die Klimaschutzvorgabe festgehalten.

Diverse Vorstösse aus dem Gemeinderat verlangen nun, dass diese unterdessen ziemlich veralteten Klimaschutzziele  an die wissenschaftlich dargelegten Klimaschutzanforderungen angepasst wird. 

Auf der Basis der damaligen Erkenntnisse wurde im Dezember 2015 das Pariser Klimaschutz-Übereinkommen beschlossen. Absicht ist, die globale Erwärmung im Vergleich zu vorindustriellen Levels auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1,5 °C zu begrenzen.

Im Oktober 2018 hat der Weltklimarat IPCC festgehalten, dass unter anderem zur Vermeidung von gefährlichen Kippvorgängen die Begrenzung der globalen Erwärmung auf höchstens 1.5 °C anzustreben ist. 

Konkret heisst dies, gemäss Wikipedia : «Soll das 1,5°-Ziel ohne Einsatz der CCS-Technik [„Carbon Capture and Storage“-Technik] erreicht werden, muss die Verbrennung fossiler Energieträger bis ca. 2040 komplett eingestellt werden und die Energieversorgung – d. h. Strom, Wärme und Verkehr – in diesem Zeitraum vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden». 

Wenn berücksichtigt wird, dass die Schweiz zu den reichsten Ländern mit einer langen Vergangenheit mit grossem fossilem Energieverbrauch gehört, ist im Sinne der Klimagerechtigkeit ein früherer Ausstieg aus den fossilen Energien anzustreben. Zudem ist dafür zu sorgen, dass der Ausstieg kontinuierlich erfolgt. Somit ist bereits heute ein mindestens linearer Absenkpfad anzustreben. 

Das Finanzdepartement der Stadt Zürich hat am 4. Februar 2020 die «Strategische Planung 2020 bis 2023: Klima- und Umweltziele» vorgestellt. Darin heisst es: «Unter anderem soll bis 2030 die CO2-neutrale Versorgung der städtischen Wohnsiedlungen mit zu 100 Prozent erneuerbarer Energie umgesetzt sein.»

Diese strategische Planung ist also deutlich vor den für die erste Hälfte 2021 in Aussicht gestellten Entscheiden des Stadtrates zu den Forderungen der Klimabewegung und den damit verbundenen politischen Vorstössen zu «Netto Null 2030» erfolgt. Eigentlich handelt es sich dabei um eine «eigenverantwortliche Handlung» des Finanzdepartements der Stadt Zürich. 

Am 18. Februar 2021 – also ein Schaltjahr und zwei Wochen später – schliesst die FDP der Stadt Zürich aus einem (unterdessen abgeänderten) Stelleninserat, dass der Stadtrat «Netto Null 2030» aufgegeben habe. 

Dieser nicht zutreffende mehr als konstruierte Zusammenhang ist der erste Hinweis auf das FDP-Unwissen zum Klimaschutz. Begriffe in der FDP-Medienmitteilung wie «unmissverständliche Abfuhr», «ökosozialistischer Fundamentalismus», «Netto-Null-2020-Ideologie» oder «dogmatische Forderungen» sind angesichts der wissenschaftlichen Faktenlage Fakes und Lügen. Wenn ernsthafter Klimaschutz mit Worten wie «Drohungen», «Schreckensszenarien» oder «Selbstkasteiungen» eingestuft wird, sind parallel dazu die FDP-Aussage«ruinöse wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen» weitere Fakes und Lügen. PS: Wer solche Worte braucht, beweist bloss, dass er oder sie keine Ahnung von der Thematik hat und schon gar keine Argumente.

Als Konterpunkt der Lead eines Artikels vom 9. Februar 2021 in der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel «Globale Energiewende im Schnelldurchlauf»: «Forscher fordern, schon bis 2035 weltweit nur noch erneuerbare Energien wie Photovoltaik und Windkraft zu nutzen, um irreversible Schäden für das Klima abzuwenden. …» Festgehalten wird zudem: ein solches System ist am Ende kostengünstiger (als die bisherige Energieversorgung). 

Zudem hat der Schweizerische Nationalfonds (SNF) bereits im Januar 2020 mitgeteilt: «Aussteigen ist möglich… wenn wir wollen». Im Detail sagt der SNF: «Die Erkenntnisse aus den über 100 Forschungsprojekten des Nationalen Forschungsprogramms ‘Energie‘ zeigen, dass ein wirtschaftlich und sozial verträglicher Ausstieg aus der Kernenergie und der CO2-intensiven Energiewelt schon mit den heute bekannten technischen und finanziellen Mitteln grundsätzlich möglich ist».

Offenbar will die FDP nicht, was wissenschaftlich belegt für den Klimaschutz erforderlich ist. Offenbar will die FDP möglichst lange an der Versorgung mit fossilen Erdgas festhalten, weil dies freisinniges Machwerk sei (Zitat: «hervorragende Infrastruktur, auch unter freisinniger Führung in der Energieversorgung»).

Nur: seit den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts ist bekannt, dass so rasch als möglich auf den Einsatz fossiler Energien zu verzichten ist. Wie unwissend die FDP agiert, zeigt etwa auch eine dringliche Anfrage im Zürcher Kantonsrat, in welcher die Frage gestellt wird: «Sollte aufgrund politischer Weichenstellungen auf kantonaler Ebene der Rückbau von Gasnetzen eine unerlässliche Folge sein, hätten dann Gemeinden und private Eigentümer von Gas-Infrastruktur ein Anrecht auf Entschädigungen vom Kanton?» 

Was bei Gasinfrastrukturen in den letzten mehr als zehn Jahren erfolgt ist, kann – mit den Worten von Prof. Dr. Claudia Kemfert – nur als «schlechtes Unternehmertum» bezeichnet werden, da «seit mehreren Jahrzehnten allgemein bekannt ist, dass die fossile Energiegewinnung wegen des Klimawandels ein Auslaufmodell sein muss». Schlussfolgerung daraus von Prof. Dr. Claudia Kemfert: «Warum sollen SteuerzahlerInnen für schlechtes Unternehmertum aufkommen?»


Der Tages-Anzeiger, beim Klimaschutz nach wie vor nahe bei der fossilen Lobby, hat die FDP-Medienmitteilung dankbar aufgenommen – ergänzt mit einem Interview mit Stadtrat Hauri, der die Sache bereits deutlich korrigiert. 

Auch die Klimagerechtigkeitsbewegung hat auf dem Twitter-Kanal «Klimastreik Zürich» @KlimastreikZH reagiert: «Lieber Stadtrat, wage es nicht, von #NettoNull2030 abzuweichen, sonst musst du mit der geballten Wut der Klimagerechtigkeitsbewegung rechnen». 

«Netto Null 2030» ist auch für Zürich zwingend – alle Abweichungen davon stellen ein Demokratieversagen dar, entsprechend dem völlig ungenügenden Schweizerischen CO2-Gesetz Version September 2020.