Die Städte-Initiativen von Umverkehr sind attraktiv für die Stimmberechtigten. Trotz Gegenvorschlägen, trotz ernstem Kopfschütteln selbst grüner Exekutiv-Mitglieder sind die verkehrspolitischen Ideen von Umkehr mehr oder weniger deutlich mehrheitsfähig. Hier kündigt sich nach Auto-/Freiheitspartei und den Sprüchen über „freie Verkehrsmittelwahl“ ein Paradigmawechsel ab. Die „heilige Kuh“ Privatverkehr beginnt sich zu enttabuisieren.
Auch die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben am 4. September 2011 der Stadtzürcher Städteinitiative zugestimmt. Zwar hat der Gegenvorschlag von Stadt- und Gemeinderat mehr Stimmen erhalten, bei der Stichfrage hat sich eine eher knappe Mehrheit für die Initiative ausgesprochen.
Ist die Vorgabe der Initiative, bis in 10 Jahren den Anteil des öffentlichen Verkehrs, des Fuss- und Veloverkehrs um 10 % zu steigern, realistisch? Die Antwort heisst wie immer: kommt drauf an! Vorerst ist festzuhalten, dass aus umfassender Nachhaltigkeitssicht dieses Ziel im Grundsatz zweckmässig und sinnvoll ist – mit dem Vorbehalt, dass dies nicht durch eine weitere Zunahme des Gesamtverkehrs erreicht werden sollte, sondern durch eine Umlagerung des aktuell übermässigen motorisierten Individualverkehrs auf umweltverträglichere Verkehrsmittel; es ist zudem von Vorteil, wenn das Verkehrsvolumen abnimmt.
Die Realisierbarkeit hängt zentral vom Zürcher Regierungsrat, dem Zürcher Kantonsrat und den kantonal-zürcher Stimmberechtigten ab. Ebenso entscheidend ist aber auch, dass Exekutive und Legislative der Stadt Zürich die Umsetzung auch erreichen wollen und nicht im Sinne des vorauseilenden Gehorsams die immer absurder werdenden Positionen des Kantons umsetzen wollen.
Dazu gehört, dass endlich auf die Verwendung des Begriffes „Mobilität“ verzichtet wird und das, was jeden Tag auf den Strassen, Schienen und in der Luft nicht nur um und in Zürich passiert, als VERKEHR bezeichnet wird. Das „Recht auf Mobilität“ ist etwas, was im Kopf passiert – das „Recht auf freie Vekehrsmittelwahl“ ist damit nicht gemeint, auch wenn dies ie ehemaligen und „geheimen“ Mitglieder der Freiheits-/Autopartei – wie etwas der freisinnige Nationalrat Markus Hutter – noch so lautstark behaupten!
Wenn eine Gesellschaft minimale Regeln der Ethik – etwa den kantschen Imperativ (behandle andere so, wie Du selbst behandelt werden willst) – ist ein Verkehrssystem anzustreben, das minimale Auswirkungen auf die „stationären“ Menschen am Wohnort, am Arbeitsplatz, während der Ausbildung oder in der Freizeit und auf die Umwelt dieser Menschen zur Folge hat. Möglichst ruhig, möglichst sicher, möglichst raum, minimierter Energieverbrauch, minimierte Luftbelastung, minimierter Ressourcenverbrauch. Objektiv aus Sicht der Nachhaltigkeitsbeurteilung ist klar: die Praxis des heutigen motorisierten Individualverkehrs, aufbauend auf Autos genannte Stehzeuge, entspricht diesen ethischen Vorgaben bei weitem nicht!
Der stadt- und gemeinderätliche Gegenvorschlag ist nach wie vor in der autofixierten Optik der kantonal-zürcher Verkehrspolitik verhaftet – ein exemplarisches Beispiel ist diemehr als missratene „Lärmsanierung“ eines Teils der Schweighofstrasse.
Und es ist einmal mehr erkennbar, dass die heute Autofahrenden das Problem der Verkehrspolitik sind. Die zentrale Herausforderung: weil die Autofahrenden ein extrem teures Konsumgut „bewirtschaften“, welches vor allem herumsteht, und der „Besitz“ eines solchen Autos volkswirtschaftlich nach wie vor gewollt ist, wollen sie diese offensichtliche Fehlinvestition benutzen – und weil niemand den Mut hat, diese Fehlinvestition auch zu benennen (Teufelskreis), kann ich die offizielle Verkehrspolitik nicht von der „heiligen Kuh“ Auto distanzieren. Zur Illustration Zahlen der Autolobby: der Betrieb eines „Musterpersonenwagens“ kostet gemäss TCS pro Jahr rund 11’500 Franken – oder 30 Franken 20 Rappen pro Tag, kein Wunder, kann ein solch teures Ding doch nicht einfach herumstehen, sondern will genutzt sein. Wenn der Paradigmawechsel in der Verkehrspolitik gelingen soll, muss dieser Teufelskreis von den teuren Stehzeugen durchbrochen werden.
Das heisst: es braucht eine Verlagerung hin zu anderen Verkehrsmitteln – doch zuerst braucht es echtes und wirksames Verkehrssparen!
Eine solche Verkehrspolitik ist im übrigen zwingende Voraussetzung auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft.