Strom ist viel zu billig

Der Strompreis verkommt je länger mehr zum Spielball populistischer Geiz-ist-Geil-PolitikerInnen von ganz links bis ganz rechts. „Immer billiger“ ist im Energiemarkt mit lügenden Preisen keine nachhaltige Strategie. Die nachhaltige Versorgung mit der Schlüsselenergie Strom verlangt zwingend nach deutlich höheren Preisen. Das missglückte Experiment „Strommarktliberalisierung“ ist definitiv abzubrechen – stattdessen ist die gesamte Stromwirtschaft der direkten verbrauchsnahen demokratischen Kontrolle zu unterstellen.

Der aktuelle Zustand der Elektrizitätswirtschaft ist eine Folge einer Vielzahl von Entscheiden und Investitionen der letzten 80 bis 100 Jahre – manche Konsumentengeneration, manche Politikergeneration hat hier mitgewirkt. Die tendenziell tiefen Strompreise sind eine Folge des mehr oder weniger vorausschauenden Entscheidens und Handelns unserer VorfahrInnen. Die intergenerationelle Gerechtigkeit – eine zentrale Nachhaltigkeitsanforderung – verlangt, dass auch in der Jetztzeit entsprechend vorausschauend entschieden wird.

Was dies bedeuten kann, zeigt die Studie „Stromzukunft Stadt Zürich“ des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich ewz – speziell mit Blickwinkel auf die 2000-Watt-Gesellschaft, das heisst auch ohne neue Atomkraftwerke. Die Studie enthält die Empfehlung, während den nächsten 50 Jahren jährlich etwa 100 Mio Franken in neue Anlagen zu investieren, dies bei einem Betriebsaufwand im Jahr 2009 von etwas mehr als 600 Mio Franken! Dass die Stimmberechtigten und die Politik diese Verpflichtung wahrnehmen, zeigt das deutliche Ja zu einem Rahmenkredit über 200 Mio Franken für Investitionen in Windenergie-Anlagen. Das ewz ist direkt in den politischen Entscheidungsprozess eingebunden – das Zusammenwirken von Politik, lokalen Interessen und Stromwirtschafts-Fach-Know-how führt über alle Parteigrenzen hinweg zu einer in der Wirkung vorausschauenden Stromversorgungspolitik, was sich trotz grossen Investitionen etwa in vergleichsweise tiefen Strompreisen äussert, aber auch zu einer im Vergleich zur Schweiz geringeren Stromverbrauchszunahme.

Es fällt auf, dass sicher in der Schweiz, aber auch in Deutschland viele der Stadtwerke eine betont auf erneuerbare Energien ausgerichtete Politik verfolgen, während insbesondere die grossen Privatunternehmen nach wie vor auf Kohle und Atomenergie setzen (in der Schweiz zähle ich etwa AXPO/NOK und weitere aufgrund der nicht wirklich vorhandenen demokratischen Einflussnahme ebenfalls zu den Privatunternehmen). Fakt ist: eine ausschliesslich auf erneuerbare Energien basierende Stromversorgung ist möglich, es braucht also zukünftig weder Atomkraftwerke noch thermische Fossilbrennstoff-Kraftwerke, dies selbst dann, wenn der Stromanteil am Energiemix zunimmt. Klar ist: im Sinne der nachhaltigen Intergenerationengerechtigkeit steigt der Strompreis tendenziell an – bei 600 bis 700 Franken pro Jahr für einen typischen Haushalt, nicht einmal ein Prozent des Einkommens eines mittleren Haushalts, gibts da durchaus auch den erforderlichen Spielraum. Und dass die Haushalte zu höheren Ausgaben für ökologischeren Strom bereit sind, zeigen diverse Untersuchungen oder die Realität in der Stadt Zürich: drei Viertel des auf Stadtgebiet abgesetzten Stroms waren erneuerbar, während beim kantonalen Stromversorger EKZ nur ein Viertel aus solchen Quellen stammt! Oder anders: wer die Wahl hat, bevorzugt Strom aus erneuerbaren Quellen!

Immer wieder wird auch das Märchen von der unmittelbar bevorstehenden Stromlücke erzählt. Das heisst ja nichts anderes, als das Stromangebot kleiner wäre als die Stromnachfrage. In solchen Situationen ist klar, was erforderlich ist: der Preis des wirtschaftlichen Gutes „Strom“ ist offenbar zu billig, um die Nachfrage dem Angebot anzupassen, sind deutliche Preiserhöhungen erforderlich.

Wer in solchen Situationen billigere Preise fordert, handelt ausdrücklich falsch und nicht nachhaltig – solche Personen fügen auf Dauer der Volkswirtschaft erheblichen Schaden zu. Wenn es sich in der Schweiz dabei um staatliche Regulierungsbehörden wie die ElCom handelt, ist dies geradezu dramatisch, weil ein solches Handeln verfassungswidrig ist, weil die Bundesverfassung zwingend Nachhaltigkeit verlangt. Wenn in der Schweiz drei Gesuche für AKWs auf dem Tisch liegen, obwohl es kein einziges braucht, gleichzeitig die Elcom behauptet, es gebe keinen Grund für Preiserhöhungen, ist dies schlicht nicht nachvollziehbar! Im Strombereich muss endlich die Verantwortung wahrgenommen werden, auch im Hinblick auf die Intergenerationengerechtigkeit. Dies heisst: Stopp der sogenannten Strommarktliberalisierung, Ablehnung sämtlicher Gesuche für neue Atomkraftwerke, Stilllegung der bestehenden Atomkraftwerke bis in längstens 10 Jahren, knallharte Leistungsaufträge an die Stromwirtschaft, für die Umsetzung der riesigen Stromeffizienzpotentiale zu sorgen und die Stromversorgung bis in 10 Jahren ausschliesslich auf erneuerbare Energien aufzubauen – alles Forderungen, die umsetzbar sind, auch wenn dies zu leicht steigenden Strompreisen führen wird. Jede andere Verhaltensweise ist verantwortungslos, nicht nachhaltig und damit verfassungswidrig. Das aktuelle Gebahren des Staates und der grossen Stromproduktionsunternehmen ist staatsgefährdend – ob es wohl auch hier Fichen gibt?

P.S. Haben Sie Ihren Strombezug bereits auf Strom aus erneuerbaren Quellen umgestellt? Super! Falls nicht: für die Schweiz bietet www.topten.ch beste Unterstützung!