Nach den Wahlen 2010 Stadt Zürich

Rot-Grün gewinnt im Stadtrat von Zürich einen Sitz, kommt also neu auf 6 von 9 Sitzen – Zweidrittelsmehrheit! Damit diese Farbmischung nicht überschäumt, wird dafür die rot-grüne Vertretung im Gemeinderat etwas verkleinert. Letztlich eine klassische Konkordanz, die eine erfolgreiche Fortsetzung einer Politik verspricht, die der Stadt Zürich wesentlich besser bekommt als eine andere Farbkombination beim Kanton Zürich.


Link zu den Ergebnissen Stadtrats- und Gemeinderatswahlen Stadt Zürich 7.3.2010


Zweidrittelsmehrheit im Stadtrat für Rot-Grün, dafür von 44 + 14 = 56 Sitzen bei den letzten Wahlen 2006 neu auf 39 + 14 = 53 Sitzen (von 125 Sitzen, entsprechend also 42.4 %) im Gemeinderat. Doch auch die Vertretung der bürgerlichen Parteien – sagen wir mal SVP, FDP, CVP, EVP und SD – hat sich von 62 auf 55 Sitze (entsprechend 44 %) vermindert. 9.6 % der „Zünglein-an-der Waage“-Stimmen entfallen auf die Grünliberalen, 4 % auf die Alternative Liste. – Oder anders: die kräftiger gewordene rot-grüne Stadtratsmehrheit hat keine mehrheitsfähige „Hausmacht“ im Gemeinderat, aber auch die Stadtratsminderheit hat dies nicht. Trotz der Zweidrittelsmehrheit von Rot-Grün plädiere ich auch hier für Proporzwahlen – auch wenn dies eine Zweier-SVP-Vertretung im Stadtrat bedeuten würde (mit 4 SP-Vertretungen und je einem Mitglied von FDP, Grünen und Grünliberalen – oder anders: FDP und CVP halten die Sitze, die nach den Regeln der Demokratie eigentlich der SVP zustehen würden – dazu müsste sich allerdings die SVP deutlich verändern und sich mehr an den Interessen der Stadtbevölkerung orientieren und weniger an den autokratischen Vorgaben des grossen Vizevorsitzenden Blocher).

Dies heisst: der Gemeinderat wird weiterhin als Gremium mit von Geschäft-zu-Geschäft-Mehrheiten agieren – ad-hoc-Koalitionen auch im Parlament. Die Stadt ist in den letzten 4 Jahren mit diesem Politpragmatismus – mit leicht grösseren Blöcken im Parlament – nicht schlecht gefahren: bis auf die SVP haben sich eigentlich fast alle Parteien als MitgestalterInnen der Alltagspolitik verstanden, und damit auch als solche, die Themen vorangebracht haben.

Interessant dabei: die Fraktionsstärken am Ende der Legislatur 2006 bis 2010 entsprechen nicht mehr durchgehend jenen, die aus den Wahlen hervorgegangen sind! Diese ad-hoc-Koalitionen scheinen einen Preis zu haben – mit dem klaren Hinweis (Stichwort Partei für Zürich PFZ), dass Individualparteien auf dem Politikmarkt Zürich keinen Platz haben. Aber vielleicht ist auch dies eine Frage der Intelligenz der WählerInnen!

Das Ergebnis der Grünliberalen ist nicht wirklich als Erdrutsch zu betrachten – sondern ist auch eine Folge des Wahlsystems. Alle Parteien ausser den Grünen, AL und SVP haben WählerInnenanteile verloren. Die Grünliberalen erben also Sitze der SP, der CVP und der EVP. Das sieht nicht gerade nach einem eindeutigen Profil aus – respektive auf städtischer Ebene müsste sich dieses Profil noch entwickeln, auch hie hoffentlich etwas losgelöst von den dominierenden Kräften Martin Bäumle und Verena Diener.

Letztlich heisst dies: es steigt die Bedeutung von ausserparlamentarischen Gruppen, wenn es darum geht, neue Impulse in die Politik hineinzutragen!


Und wie zu erwarten, hat die Umfrage, die der TA publiziert hat, nicht sehr viel mit dem Wahlergebnis für den Stadtrat zu tun. Eigenartig etwa, dass diese wissenschaftliche 3.2 Prozent Fehlerungenauigkeit keinen Hinweis auf das Abschneiden der GLP-Kandidatin Denise Wahlen ergeben hat.

Zum Vergleich die „Prognose 2010“ mit dem Wahlprotokoll (farbig hinterlegte Namen: Wahlprognose resp. absolutes Mehr erreicht und gewählt):

Prognose TA 22.2.2010 Wahlprotokoll
Mauch 53.5 Waser 62.2
Genner 46.5 Mauch 57.5
Vollenwyder 45 Vollenwyder 56.1
Waser 45 Türler 54.7
Türler 39.5 Genner 54.1
Lauber 38.5 Odermatt 46.3
Egger 22.5 Lauber 44.8
Leupi 22.5 Nielsen 44.6
Odermatt 21 Leupi 42.4
Tuena 19.5 Egger 35.2
Nielsen 17 Tuena 26.1
Gut 15.5 Zweifel 22.3
Zweifel 12.5 Wahlen 16.7

Nachtrag 8.3.2010

Was kann Stadtpräsidentin Mauch tun, wenn der TA-Journalist Stefan Häne nachweislich etwas gegen sie als Person und Mandatsträgerin hat? Am Montag nach den Wahlen gibt er – diesmal zusammen mit Christoph Landolt (nochmals einem Mann) – noch einen drauf. Die beiden Journalisten behaupten: 31’500 Proteststimmen gegen Mauch. Dies ist absoluter Unsinn.

Auf 57.5 % der gültigen Wahlzettel stand bei der Stadtratswahl der Name von Corine Mauch (44’953 mal wurde „Corine Mauch“ auf den gültigen 78’209 Wahlzetteln der Stadtratswahl aufgeführt. Nur ein Stadtrat hat ein noch besseres Ergebnis erzielt: Martin Waser – er stand auf 62.2 % der Wahlzettel.

39’402 Wahlzettel trugen auf der Linie „Präsidium“ den Namen Corine Mauch. Dies sind 50.4 % aller Wahlzettel, oder 88 % der Stimmen, die auf Corine Mauch als Stadträtin entfielen. Mehr als die Hälfte der Wählenden wollte also Corine Mauch als Stadtpräsidentin. Wenn überhaupt kann nur die Stimmendifferenz zwischen Stadtrats- und StadtpräsidentInnenwahl – also 5’551 Stimmen, oder 12 % der Wählenden – als Protest deklariert werden, eine sehr gute Zufriedenheitsquote also (die Begründung dafür ergibt sich aus dem Wahlgesetz, aber damit steht bekanntlich die gesamte TA-Redaktion auf Kriegsfuss, sonst würden nicht derart absurde Umfragen veröffentlicht: die Wählenden können nur jene Personen für die Präsidiumswahl aufführen, die sie auch in den Stadtrat wählen. Oder anders: wer das „bürgerliche“ Ticket aufführt, wird ja kaum zusätzlich dazu Frau Mauch aufschreiben, um sie ins Präsidium zu wählen, weil sich niemand von den amtierenden oder neu kandidierenden „bürgerlichen“ Stadträten dazu bereit erklärt hat).

Eine Empfehlung an Stefan Häne: suchen Sie eine anderes Objekt als Frau Stadtpräsidentin Mauch, um Ihren Frust über weiss nicht was loszuwerden. Das aktive Velofahren eignet sich dazu auf Stadtgebiet bestens!