Nach den Wahlen ist vor den Wahlen: Nationalratswahlen 2007 – Erfolg der Ignoranz

Der Kanton Zürich zeigt: nicht einmal für die SVP ist alles möglich – der WählerInnenanteil hat im Bereich der Ungenauigkeit des Wahlverfahrens zugenommen, weitere Sitze konnten nicht gewonnen werden (und der SVP-Präsident Maurer muss für den Ständerat in den 2. Wahlgang).Unbestritten, die SVP hat Erfolg gehabt bei den Nationalratswahlen vom 21. Oktober 2007 – ob sie allerdings zu den SiegerInnen gehört, wage ich zu bezweifeln – schlicht und einfach darum, weil die Schweiz eine Demokratie und keine Sportarena ist. Die SVP zeichnet sich durch einige Elemente aus, die nicht auf Dauer angelegt sind.Die Partei als ganzes und insbesondere einige Mitglieder zeichnen sich durch eine ausgesprochene Ignoranz aus. Völlig unbeschwert von Fakten und Erkenntnissen wird daherschwadroniert und es werden Vorlagen nach dem Willkürprinzip gebastelt; auch mit demokratischen Abläufen oder rechtsstaatlichen Vorgaben hat diese Partei erhebliche Mühe.Die SVP scheint darauf ausgelegt, die Interessen ihres grossen Vorsitzenden Milliardär Blocher zu vertreten. Sie politisiert, wie wenn es sämtliche Kräfte darauf angelegt hätten, ihren anderen Mitgliedern und WählerInnen den Weg zum Milliardär, zur Milliardärin zu verbauen. Fakt ist: die Schweiz ist aus globaler Sicht Zechprellerin – sie verbraucht mehr, als ihr aus globaler Sicht zusteht, und zwar ökonomisch, ökologisch und sozial.

  • Ökonomisch fliesst beispielsweise mehr Geld aus benachteiligten Gebieten (Entwicklungsländer) in die Schweiz als die sogenannte Entwicklungshilfe.
  • Ökologisch gesehen lebt die Schweiz auf Pump zulasten anderer Länder und zukünftiger Generationen.
  • Die sozialen Folgen des ökonomischen und ökologischen Zechprellertums stellen hohe Sicherheitsrisiken dar – die SVP gefährdet existenziell die Werte, die sie zu verteidigen vorgibt.

Die SVP kann es sich leisten, WählerInnen zu kaufen. Auf dem „Jahrmarkt der Eitelkeit“ (zu Deutsch Politik) gelten selbstverständlich die üblichen Regeln der Marktwirtschaft. Es gibt offenbar Kreise, denen die Verteidigung ungerechtfertigter Privilegien derart wichtig ist, dass sie der SVP die Mittel zur Verfügung stellen, um die WählerInnen, die käuflich sind, für eine Stimmabgabe zugunsten der SVP zu bewegen. Nochmals, hier gelten die Gesetze der Marktwirtschaft. Allerdings ist festzuhalten, dass für die handfesten Interessen von Milliardären wesentlich einfacher Mittel locker zu machen sind als für altruistische Vorhaben wie zum Beispiel den Klimaschutz.Die SVP gibt sich – um ein Bild von Max Frisch zu gebrauchen – als Biedermann, ist aber gleichzeitig auch Brandstifter. Jede Gruppierung, die in einer Demokratie dem Führerprinzip huldigt (und das tut die SVP uneingeschränkt) ist im Prinzip verdächtig! Es darf auch in der Schweiz nie vergessen werden: Trotz ihres hohen Stimmenanteils stellt die SVP eine Minderheit in diesem Land dar. Für Mehrheiten braucht sie weitere Kräfte!Der Erfolg der SVP ist somit direkte Folge der Ignoranz-Haltung dieser Partei.FDP und SP, zum Teil unterstützt durch CVP und die Grünen, sind jene Parteien, die in diesem Land am seriösesten an der Lösung der realen kleinen und grösseren Alltagsprobleme arbeiten, zum Beispiel dann, wenn es darum geht, Finanzierungsschwierigkeiten, die sich wegen der ignoranten Budgetpolitik der SVP ergeben, in einer klugen Form konstruktiv zu lösen. Dies sind die tatsächlich staatstragenden Kräfte in diesem Lande – und baden letztlich auch das aus, was die SVP mit ihrer ignoranten und unflätigen Politik anstellen.Es stellt sich natürlich die Frage, ob „staatstragend“ in einer pluralistischen Gesellschaft tatsächlich Aufgabe von Parteien ist. Die WählerInnen haben – zumindest im Kanton Zürich – eine Umgruppierung der Kräfteverhältnisse vorgenommen. Grüne und Grünliberale erreichen zusammen Prozentanteile, die die Verluste von FDP und SP bei weitem ausgleichen. Die Grünen und Grünliberalen gelten als unverbrauchter, als noch relativ junge Bewegungen (auch wenn viele der parlamentarischen Vertretungen seit Jahrzehnten in der Politik stehen), die auch neue Themen und neue Aktionsformen in die Politik eintragen können. Offenbar trauen die WählerInnen diesen Kräften eher zu, einen Gegenpol zur SVP bilden zu können.Bezüglich der ökologischen Fragestellungen sind die Erfolge der mehr oder weniger ökologisch ausgerichteten Parteien nicht unproblematisch, da insbesondere jene Personen mit ausgewiesenen ökologischen Kenntnissen von den Wählenden bevorzugt wurden. Politik kann nur das realisieren, was gesellschaftlich anerkannt ist.

Eine Klimawahl beispielsweise hat zuerst in den Köpfen der Wählenden stattzufinden. Wie diverse Sachabstimmungen zeigen, sind rein verbal viele in diesem Lande für den Klimaschutz zu haben. Weil in einem massiv überentwickelten Land wie der Schweiz davon auszugehen ist, dass Energie-Effizienz-Massnahmen bei weitem nicht ausreichen, muss dazu in immer mehr Köpfen die Erkenntnis reifen, dass auch weitgehende freiwillige persönliche Beiträge erforderlich sind, auch wenn damit allenfalls Einschränkungen und höhere Kosten verbunden sind. Die Politik hat mindestens sicherzustellen, dass dieses freiwillige Engagement nicht benachteiligt wird. Ebenso hat das Gesetz sicherzustellen, dass immer mehr ökologisch belastende Aktivitäten eingeschränkt werden. Dazu aber braucht es bereits die Einsicht von immer mehr nicht-ignoranten Menschen! 

Beachtenswert ist ein Aspekt des Wahlergebnisses. Zugelegt haben Parteien, die sich als Mitte-Parteien bezeichnen. Viele WählerInnen geben zum Ausdruck, dass sie die“Extreme“ nicht mögen. Neben der CVP gehören auch die Grünliberalen zu dieser selbsternannten Mitte. Es wird spannend sein, wie sich die Mitteparteien bei Sachzwängen durchwursteln – durch die Mitte schlängeln – werden. Die durchschnittliche Schweizer Wirtschaft ist weit davon entfernt, eine konsequente Nachhaltigkeitspolitik zu vertreten – Realität ist eher, dass aus diesem Begriff eine Beliebigkeits-Worthülse wird. Es ist zu hoffen, dass sich die Umweltpolitik zum Beispiel der Grünliberalen mehr an den ökologischen Erfordernissen orientiert als an der auf kurzfristige finanzielle Erfolge ausgelegten Praxis vieler Unternehmen – die Ignoranten der SVP (und zum Teil der FDP) sorgen sich schon selbst um den ökologischen Massnahmen-Minimalismus! „Die Weiterentwicklung der Schweizer Wirtschaft nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit“ hat sich beispielsweise die öbu als Netzwerk von rund 300 Schweizerischen Unternehmen als Zielvorgabe gemacht: Ökologie als Chance für innovative Unternehmungen!