Klimaschutz: was ist an «schnell» nicht verständlich?

Seit Jahrzehnten ist klar, dass die Menschheit aus den fossilen Energien aussteigen muss, wenn zukünftige Generationen eine gute Zukunft auf diesem Planeten haben sollen – eine eindeutige Konkretisierung der nachhaltigen Entwicklung also! Ebenso ist schon einige Zeit bekannt, dass dieser Ausstieg aus den fossilen Energien «schnell» erfolgen muss. Dieses «schnell» braucht noch einige Impulse.

Wir befinden uns in einer Klimakrise. Die vom Menschen gemachte Klimaerhitzung – neben den üblichen Klimaveränderungen des Gesamtsystems Planet Erde – lässt schlimme Auswirkungen auf Mensch und Umwelt befürchten. Wenn wir wollen, muss es nicht soweit kommen!

Der Weltklimarat IPCC hat im Oktober 2018 geschrieben: Limiting global warming to 1.5 °C would require rapid, far-reaching and unprecedented changes in all aspects of society. [DeepL-Übersetzung: Eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C erfordert schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft.] 

Die Akademie der Naturwissenschaften Schweiz hat darauf aufbauend festgehalten: Um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, müssen die Nettoemissionen von CO2 bis spätestens 2050 weltweit auf null gesenkt werden. Ergänzt wird dies mit der Aussage «Je schneller wir auf Null sind, umso geringer der Klimawandel und seine Auswirkungen.»

UN Environment Programme (UNEP) hat am 26. November 2019 mitgeteilt: Cut global emissions by 7.6 percent every year for next decade to meet 1.5°C Paris target. [DeepL-Übersetzung: Reduzierung der globalen Emissionen um 7,6 Prozent jedes Jahr für das nächste Jahrzehnt, um das 1,5°C-Ziel von Paris zu erreichen.

Zusammen mit den Schweizer Zahlen der CO2-Emissionen seit 1990 und einem daraus abgeleiteten Kurztrend für die nächsten Jahre lässt sich diese UNEP-Empfehlung auch als Grafik darstellen:

Gerade in den letzten Jahren wurde in der Schweiz etwas für den Klimaschutz getan – aber ganz offensichtlich nicht schnell und weitreichend genug. Da braucht es noch einiges mehr an Tempo, der Klimaschutz muss deutlicher zügiger,  flotter, rascher … werden! Genauso, wie dies die Wissenschaft schon länger fordert, genau so, wie dies Klimastreik, Fridays4Future und viele weitere fordern.

Dies betrifft selbst jene, die bis anhin im Klimaschutz als First Mover unterwegs waren. Wenn etwa der Stadtrat von Zürich am 20. November 2019 eine Energieplanung festsetzt, die für 2050 immer noch von 20 Prozent fossilen Energien für die Wärmeversorgung ausgeht, so entspricht dies nicht den erforderlichen «schnellen, weitreichenden und beispiellosen Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft». Auch die Stadt Zürich hat endlich das fossile Divestment umzusetzen.


Für den Klimaschutz als ein Teilbereich der nachhaltigen Entwicklung geht es letztlich um eine «moralische Revolution», um einen «System Change». Auch wenn Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft erforderlich sind, schaue ich hier neben einigen sehr allgemeinen Aspekten vor allem auf die Gebäude und den Verkehr. Da ist eigentlich längst bekannt, was zu tun ist.

Der Ausstieg aus den fossilen Energien um 2035 bis spätestens 2050 ist eine zentrale Vorgabe – und gleichzeitig eine einfache, verständliche und gut kommunizierbare Botschaft. Es ist unerklärlich, wie schwer sich die Politik der Schweiz mit dieser einfachen Vorgabe tut – die Gletscher-Initiative ist ein absolutes Minimum. Und doch überlegt sich (Stand  Anfang März 2020) der Bundesrat, ob es einen (abschwächenden) Gegenvorschlag braucht. Und National- und Ständerat befassen sich extrem langsam mit der schon lange fälligen umfassenden Revision der CO2-Gesetzgebung. Ein mögliches Referendum ist aus demokratischen Gründen immer legitim – angesichts der Gegnerschaft allerdings offensichtliche Interessenpolitik der fossilen Miss- und Mistwirtschaft. Ganz klar: Die erforderliche Klimaschutz-Schnelligkeit sieht anders aus.

Daraus ergibt sich eine klare Forderung: Volksabstimmungen über Zukunftsthemen sollten erst wieder stattfinden, wenn Transparenz über die Finanzströme von Parteien und Verbänden besteht. Konkret: Die bisherigen Nein-Ergebnisse zu Energiegesetz-Änderungen etwa in den Kantonen Solothurn und Bern sind eine klare Folge der Monekratie. Da haben die fossile Miss- und Mistwirtschaft mit sehr viel Geld Abstimmungsergebnisse gekauft, auch über die Tarnorganisation Heizöl- und Erdgas-Verein (welche sich irreführend in der Öffentlichkeit als Hauseigentümerverband bezeichnet).

Ein wirtschaftlich und sozial verträglicher Ausstieg aus der Kernenergie und der CO2-intensiven Energiewelt ist schon mit den heute bekannten technischen und finanziellen Mitteln grundsätzlich möglich … wenn wir wollen. Der Schweizerische Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) teilte dies am 14. Januar 2020 mit.

Wer also – wie der Fossilmiss- und -mist-Wirtschaft-Handlanger $VP – das Gegenteil behauptet, verbreitet Lügen und Fakes, gegen die Interessen der Schweiz und ihrer Bewohnerinnen und Bewohner.

Denn: Schon längst ist bekannt, dass die Klimafolgenanpassung deutlich mehr kostet und kosten wird als der Klimaschutz! Es gibt verschiedene ÖkonomInnen, die aus volkswirtschaftlichen Gründen (mehr BIP-Generierung!) gegen Klimaschutz- und für Klimafolgenanpassungs-Massnahmen sind.  

Nach wie vor sind es im Gebäudebereich die First Mover, die konkreten Klimaschutz realisieren. Selbst wenn dies populär ist, braucht es im Gebäudebereich sowohl für Suffizienz-, Effizienz- und Konsistenz-Massnahmen keine Förderbeiträge. Denn langfristige sind auf Suffizienz, Effizienz und Konsistenz ausgerichtete Gebäude kostengünstiger, auch wenn etwas höhere Investitionskosten anfallen. Hier braucht es klare gesetzliche Vorgaben, im Sinne der Ökoroutine. PS: Suffizienz heisst etwa, dass pro Person weniger Wohn- und Arbeitsfläche beansprucht wird.

Um die schnellen, weitreichenden und beispiellosen Veränderungen umsetzen zu können, besteht ein erheblicher Bedarf an Weiterbildung, Beratung und Coaching aller AkteurInnen und Akteure. Und es braucht Geschichten über eine gelingende Zukunft!  

Wer heute noch fossile Energieträger einsetzt, braucht Stoffe, die selbst bei fach- und sachgemässer Anwendung Giftstoffe (u. a. CO2, Methan) für das globale Klima ausstossen – was soll «liberal» daran sein, fossile Energieträger zu verbrauchen?

Sehr grosse zusätzliche Mengen an Strom und eventuell Wärme aus nachhaltig dezentral nutzbaren erneuerbaren Energien werden mittel- bis längerfristig eine gewisse Rolle spielen bei so genannt «grünen» industriell hergestellten Stoffen wie Wasserstoff, weiteren synthetischen Gasen oder neuen Flüssig-Brenn- und Treibstoffen. Allerdings ist es wenig zweckmässig, diese als umfassenden Ersatz für Heizöl, Diesel, Kohle oder Erdgas propagandamässig herauszuposaunen. Allenfalls werden Güter-Strassen-Transporte, See- und Luftfahrt und spezielle Industrieprozesse auf diese Art und Weise klimaverträglicher ausgestaltet werden können.

Stromversorgung, Heizung und Wassererwärmung für Gebäude sind in erster Linie mit dezentral nutzbaren erneuerbaren Energieträgern sicherzustellen – die heutigen Energieversorgungsunternehmen werden andere Rollen zum übernehmen haben. Abwärme in begrenztem Rahmen und Grund- und Seewasser können gewisse Anteile der Energieversorgung von Gebäuden abdecken. Kehricht-Fernwärme ist in der heutigen Form wenig zukunftsfähig, da sowohl der Klimaschutz als auch die «Sustainable Development Goals» eine Verabschiedung der Wegwerfgesellschaft erfordern.


«Der Verkehr schränkt die Mobilität ein» – dies gilt in erster Linie für den Autoverkehr, letztlich aber auch für den öffentlichen Verkehr. Die Alltagsmobilität ist zu Fuss und mit dem Velo abzudecken – ideal mit höchstens 7’000  bis 10’000 Schritten (oder einem entsprechenden Velozeit-Äquivalent) pro Tag.


«Die Schweiz ist ja global betrachtet so unbedeutend, da müssen wir doch  nicht vorbildlich sein in Sachen Klimaschutz». oder «Solange China, die USA, Indien, Russland, Australien, Deutschland, Frankreich [Liste beliebig verlängerbar] nichts für den Klimaschutz tun, müssen auch wir nichts tun.»

«Ich bin doch bereits so vorbildlich in Sachen Umweltschutz, da sollen zuerst die anderen so weit sein, bevor ich mehr Klimaschutz mache.» oder «Wir sind doch bereits so vorbildlich in Sachen Umweltschutz, da sollen zuerst die anderen so weit sein, bevor wir mehr Klimaschutz machen.»

«Und sowieso, zuerst muss die Bevölkerungsexplosion gebremst werden.»

«Bei uns ist Klimaschutz so teuer, da müssen wir zuerst billigere Massnahmen in den Entwicklungsländern finanzieren.» 

«Massnahme A bringt doch nichts, wäre es nicht besser, wir würden zuerst B oder C realisieren?»

Auch diese Liste von Ausreden und Ausflüchten ist beliebig verlängerbar. Offenbar sind dies Begründungen dafür, dass Klimaschutz nicht ausreichend schnell realisiert wird. 

Einige Antworten:

  • Egal wie bedeutend die Schweiz ist, solange wir nicht aus den fossilen Energien ausgestiegen sind, werden wir unserer Verantwortung nicht gerecht.
  • Das könnten ja die Menschen aus den anderen Ländern auch über die Schweiz sagen – eine typische Anwendung des Gefangenen-Dilemmas.
  • Tatsache ist: sowohl der eigene als auch der gesamtgesellschaftliche Treibhausgas-Fussabdruck ist in vielen so genannt reichen Ländern zu gross, selbst bei Menschen,  die nachweislich vorbildlich sind. Da gibt es also noch einiges zu tun.
  • Unabhängig von der Zahl der Menschen auf der Erde muss aus den fossilen Energien ausgestiegen werden. Es ist zudem absehbar, dass zumindest längerfristig die Geburtenraten sinken. Zu beachten ist auch, dass sowohl wegen des Wohlstandes, wegen weniger belastenden körperlichen Arbeitsweise, wegen geringerer Kindersterblichkeit als auch wegen des bewussteren Umgangs mit der Gesundheit (zum Beispiel Luftreinhaltungsmassnahmen) die Zahl der gleichzeitig lebenden Menschen zunimmt.
  • Weil wir (nicht nur in der Schweiz) aus den fossilen Energien aussteigen müssen, müssen sehr sehr viele Massnahmen realisiert werden, also auch solche, die auf den ersten Blick zum Beispiel wegen den Kosten nicht sehr attraktiv erscheinen. Die Kompensation des übermässigen CO2-Ausstosses irgendwo auf der Welt ist ausschliesslich ein Ansatz für den Moment und taugt nicht für die echte fossile Null.  
  • Es braucht für wirksamen Klimaschutz bekanntlich «schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft». A oder B oder C ist schon lange nicht mehr die Frage – es heisst «von A bis Z» und noch viel mehr. Der Pareto-Effekt, auch als 80-zu-20-Regel bekannt, hat keine Bedeutung mehr. Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, müssen wir sicherstellen, dass die Kombination von «schnell», «weitreichend» und «in allen Bereichen der Gesellschaft» bewältigbar ist und bleibt. Das geht dann gut, wenn alle Menschen in diesem Lande in zahlreichen Handlungs- und Aktivitätsfeldern betroffen sind. Klimaschutz muss zum Normalfall, zur Ökoroutine werden! 

Postwachstums-Ökonomie mit einer Steigerung der Regional-, Lokal- und Selbstversorgung, ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle, die Stärkung von ehrenamtlicher oder Freiwilligen-Arbeit, die Gleichstellung der Geschlechter sind Elemente, die gerade zwingend zum erforderlichen «System Change» gehören, die für «schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft». 

Schneller Klimaschutz ist zwingend – in kurzer Zeit, zügig, flott, rasch muss echter Klimaschutz her!