Energiepolitik ist nichts für Schlafmützen

Der Tages-Anzeiger leistet einmal mehr einen massiven PR-Beitrag für die Atomenergie – offenbar ist dieses Medium wie Teile der Wirtschaftsverbände energiepolitisch völlig daneben. Der Tages-Anzeiger bietet dem vor 10 Jahren als Chef des Bundesamtes für Energie pensionierten Eduard Kiener fast eine ganze Seite als Spielwiese für seine eigenartigen Argumentationen. Nun, dass die Schweiz keine glaubwürdige Energiepolitik hat, hängt im wesentlichen mit seinen 23 Dienstjahren in der Verhinderung von Energiepolitik zusammen: Herr Kiener war schon damals als energiepolitische Schlafmütze bekannt.

Die Bürger seien nicht bereit für den Ausstieg aus der Atomenergie, behauptet Eduard Kiener. Wie diverse Abstimmungen zeigen, ist das Gegenteil wahr: es sind Politik und Teile der Wirtschaft, die weder ausstiegswillig noch mental ausstiegsfähig sind! Der hohe erneuerbare Stromanteil im Absatz des Gebietes des ewz, welches den KundInnen eine echte und realistische Auswahlmöglichkeit aus verschiedenen Stromqualitäten bietet, die Abstimmungen über die 2000-Watt-Gesellschaft an diversen Orten in der Schweiz und viele weitere Beispiele zeigen, dass Herr Kiener irrt (oder allenfalls bewusst lügt). Studien aus Deutschland über die Kosten erneuerbarer Energien, insbesondere aber auch über die Versicherungskosten des Atomstroms zeigen ganz einfach: Atomenergie darf möglichst rasch keine Rolle mehr spielen in der Energieversorgung! Es gibt die Alternativen, man muss sie nur wollen. Dazu gehört auch die mögliche Ausstiegsgeschwindigkeit aus der Atomenergie – der Zeithorizont hängt von den politischen Vorgaben ab.

Aus der Sicht von Herr Kiener ist die Entwicklung des Stromverbrauchs Indikator für die Ausstiegswilligkeit. Damit ist der Denkfehler verbunden, dass Atomenergie die einzig relevante Stromproduktionsmöglichkeit ist. Denn: eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung senkt zwar den gesamten Energieverbrauch, lässt aber den Stromverbrauch leicht ansteigen – es braucht also neben einer massiven Steigerung der Strom- und Energieeffizienz auch zusätzliche Produktionsmöglichkeiten, abgestützt auf erneuerbare, nachhaltig nutzbare Energieträger und -quellen!

Dass der Tages-Anzeiger ausgerechnet am Wochenende vor einem voraussichtlichen Bundesrats-Entscheid einen der schlafmützigen Architekten der bisherigen, offensichtlich gescheiterten nationalen Energiepolitik auftreten lässt, lässt vermuten, dass hier die Pro-Atomenergie-Kampagne der economiesuisse mitmischelt. Es gibt nur noch sehr wenige mehr oder weniger berechtigt als ExpertInnen bezeichnete EnergiepolitikerInnen, die an der Atomenergie festhalten wollen – die überwiegende Zahl der Fachleute mit Energiepolitikbezug engagieren sich seit langen Jahren für eine nuklear- und fossilfreie Energiezukunft. Es ist offensichtlich: mit der energiepolitischen Schlafmütze Eduard Kiener will der Tages-Anzeiger (und/oder versteckte Auftraggeber wie die economiesuisse) die Entscheidfindung des Bundesrates beeinflussen.

P.S. Ich bin zwar kein Fan von Gaskraftwerken. Aus verschiedenen Gründen sind allerdings gezielt in die Energiepolitik einbezogene Gaskraftwerke gegenüber sowohl dem Weiterbetrieb bestehender AKW und erst recht der Neuerstellung von AKWs vorzuziehen.

Ein Gedanke zu „Energiepolitik ist nichts für Schlafmützen“

  1. Eine Alternative die auf Verbrennung basiert, kann keine Alternative sein. Ich halte es für enorm wichtig das die Weitflächige Aufklärung bezüglich der Alternativen voran-gerieben wird, und den Immobilieneigentümer die Wege bereitet werden, um endlich Gebäude sanieren, und/oder die geplante Energie-Eigenversorgung endlich umsetzen zu können. Gerade letzteres ist leider noch immer Vierorts ein Problem das dringendst gelöst werden sollte.

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