Eierkochen und einiges mehr

Der Bundesrat hat am 18. April 2012 die ersten Überlegungen zu den Energieszenarien 2050 in die Oeffentlichkeit gebracht – wesentlich detaillierter und facettenreicher, als dies die Sonntagsmedien am 15. April 2012 berichteten. Mein Fazit am Sonntag danach: Energiepolitik ist einiges mehr als Energiekochen …

Ex-Bundesrat Adolf Ogi hat 1988 dem Schweizerischen Publikum einen Tipp mit auf den Weg gegeben, und zwar zum energieeffizienten Kochen von Eiern. Der WWF und die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich haben 24 Jahre später den Energieverbrauch verschiedener Methoden zum Kochen von Eiern verglichen. Nur der hoch spezialisierte Eierkocher stand besser da als der Ogi-Tipp. P.S. Hart gekochte Eier sind etwas, das ich schon vor dem Tipp von Ex-Bundesrat Ogi nicht gemocht habe.

1996 wechselte Adolf Ogi nicht ganz unfreiwillig ins damalige Militärdepartement – Energieminister wurde Moritz Leuenberger von der SP, welcher erst 2010 die Leitung des UVEK an CVP-Bundesrätin Doris Leuthard abgab. Gemeinsamkeit dieser beiden BundesrätInnen: Energietipps für die Bevölkerung mi Absender Bundesrat gab es seither nicht mehr!

Energieministerin Leuthard will es offenbar weiterhin so handhaben: die Bundesratsbeschlüsse vom 18. April 2012 betreffen in erster Linie die Energiewirtschaft, vor allem die Stromwirtschaft, sie richten sich mit viel Subventionsgeld an die LobbyistInnen der Branche der Erneuerbaren Energien und die Baumafia: insbesondere die Unfähigkeit der Bauwirtschaft, kostengünstig den Energiewandel zu unterstützen, wird mit sehr viel Subventionsgeld belohnt.

Dies ist dramatisch, da bekannt ist, dass die Energiewende hin zu einer fossil- und nuklearfreien Energieversorgung im Gebäudebereich entschieden wird (nicht bei den Atomkraftwerken, das ist ein energiepolitischer Nebenschauplatz, genau wie die Überlegungen zu Gaskraftwerken), braucht es hier eindeutige Botschaften. Es passiert allerdings das Gegenteil! Es ist unterdessen bekannt, dass die Freiwilligkeit in der Energiepolitik längst an ihre Grenzen stösst… Und trotzdem: als Frau Leuthard von der NZZ nach ihrer Meinung über Sanierungspflichten für Gebäude – welche zwingend sind, wenn die ambitiösen Energie- und Klimaschutz-Ziele erreicht werden sollen – gefragt wird, lautet ihre Antwort „Ein Sanierungszwang wäre nicht liberal. Solche Vorhaben hatten bisher in den Kantonen keine Chance. Den Hauseigentümern könnte man mit baurechtlichen Konzessionen entgegenkommen, etwa mit der Erhöhung des Gebäudevolumens bei einer Sanierung. Der neue Altbau-Standard wird aber erst ab 2020 zur Verfügung stehen.“ (NZZ vom 21.4.2012).

Auch diverse weitere Äusserungen – etwa das völlig unverständliche Festhalten an der Strommarktliberalisierung, welche einmal mehr das Geiz-ist-Geil-Prinzip und nicht die Nachhaltigkeit der Stromversorgung in den Vordergrund stellt – weisen darauf hin, dass Frau Leuthard die existenzversichernde Energie- und Klimaschutzpolitik noch nicht in den Vordergrund stellt, sondern weiterhin irgendwelchen absurden Glaubenssätzen neoliberaler Wirtschaftspolitik nachhängt.

Das breite Meinungsspektrum nach der Verlautbarung des Bundesrates vom 18. April 2012 mit einem Übergewicht der kritischen Stimmen könnte den Eindruck vermitteln, der Bundesrat habe es wieder einmal geschafft, die goldene Mitte der Konkordanz zu treffen. Nur: da der Weg zu einer fossil- und nuklearfreien Energieversorgung deutlich ambitiöser ist als alle bisherigen Energie- und Klimaschutzpolitiken, muss zwar ein mehrheitsfähiger Weg gefunden werden, dabei ist aber sicherzustellen, dass insbesondere die Erdöl- und die Erdgaswirtschaft empört protestieren, ebenso die Stromversorgungsunternehmen, die bisher vor allem Atomstrom verkauft haben!

Ich bleibe dabei: ich befürchte, dass derzeit sämtliche Aktivitäten von Bundesrätin Doris Leuthard darauf angelegt sind, dass der Ausstieg aus der Atomenergie nicht nötig ist. Erster Beleg dafür: Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer plädiert bereits für neue Atomkraftwerke der n-ten Generation – unter anderem argumentiert er mit den hohen Kosten des Atomausstiegs – ohne sich wohl überlegt zu haben, was denn aus volkswirtschaftlicher Sicht der Nichtausstieg respektive die Nicht-Energiewende kosten würde!


Zentral ist eine weitere Erkenntnis: für den Ausstieg braucht es eine „Energiepolitik von unten“! Jede und jeder hat in ihrem/seinem Verantwortungsbereich dafür zu sorgen, dass der Weg Richtung fossil- und nuklearfreie Energieversorgung auch im individuellen Bereich konsequent beschritten wird. Vor der Diskussion über die Energiestrategie 2050 des Bundes braucht es deshalb ganz viele, bald acht Millionen Antworten auf die Frage „Nach-nuklear und nach-fossil: sind Sie schon unterwegs?“

Dazu wird es einiges mehr als die Tipps von Ex-Bundesrat Adolf Ogi zum energieeffizienten Kochen von Eiern brauchen!


Und dann einmal mehr die unsinnigen Zahlenschleuderer – etwa Beat Vonlanthen, Direktor Konferenz kantonaler Energiedirektoren: Die Sanierung aller alten Gebäude in der Schweiz kostet rund 280 Milliarden Franken. Bis 2050 dürfte dieser Betrag nicht zusammenkommen. Derzeit werden für Werterhalt und Wertsteigerung von bestehenden Gebäuden rund 14 Milliarden Franken pro Jahr ausgegeben. 280 Mia geteilt durch 14 Mia pro Jahr ergibt die exakte Zahl von 20 Jahren. Wenn angenommen wird, dass derzeit zu wenig in Werterhalt und Wertsteigerung von Gebäuden investiert wird und zudem zu wenig in Energieeffizienz- und Klimaschutzmassnahmen investiert werden, müssten etwa jährlich 20 Milliarden Franken investiert werden – oder anders, heute werden bloss 14/20 dieser 14 Milliarden oder entsprechend 10 Mia Franken im Sinne der Energiewende investiert – dann wären die 280 Milliarden erst in 28 Jahren investiert – dann wäre aber erst 2040. Oder anders: selbst wenn CVP-Exekutivpolitiker mit grossen Zahlen um sich werfen, muss dies energiepolitisch bedeutsam sein.