Seit 1990 hat die Migros total über 800’000 Tonnen CO2 eingespart. – So verkündet es die Migros am 19. Februar 2008. Was ist davon zu halten?
Diese Zahl ist – unabhängig von der Bedeutung – ein Musterbeispiel an intransparenter Unternehmenskommunikation. Handelt es sich dabei um die seit 1990 aufsummierten CO2-Minderungsergebnisse? Was ist der Ausgangspunkt? Wie vergleicht sich dieses Ergebnis mit der Kyoto-Vorgabe der Schweiz (im CO2-Gesetz für die Schweiz ausformuliert: minus 10 Prozent CO2-Emissionen bis 2010 gegenüber dem Ausgangsjahr 1990).
Die Migros hat 2006 einen Umsatz von 21.41 Mia Franken erzielt – dies sind rund 4.4 Prozent des Schweizerischen Bruttoinlandproduktes BIP. Leicht vereinfacht lässt sich festhalten, dass damit die Migros auch für etwa 4.4 Prozent der CO2-Emissionen sorgt.
1990 hat die Schweiz fast 41 Mio Tonnen CO2 ausgestossen (Statistik BAFU). Diese Emissionen müssten pro Jahr um ein halbes Prozent vermindert werden.
Wenn 1990 ein Unternehmen 1’000’000 Tonnen CO2 ausgestossen hat, und das Ziel 2010 in linearen Schritten erreicht werden soll, müsste der CO2-Ausstoss 2007 um 8.5 % vermindert worden sein, also auf 915’000 Tonnen. Da ja einmal getätige CO2-Verminderungen erhalten bleiben, wäre der CO2-Ausstoss seit 1990 um 765’000 Tonnen CO2 vermindert worden (ohne Massnahmen wären in dieser Zeit 17’000’000 Tonnen CO2 emittiert worden – die Verminderungsmassnahmen haben die Emissionen um 4.5 % vermindert). Diese Zahlen zeigen, wie wichtig eine klare Definition der Ausgangssituation ist.
Zurück zur Migros: Wenn die Reduktionsvorgaben des CO2-Gesetzes gemäss BIP auf die Migros umgelegt werden, hätte die Migros seit 1990 aufsummiert rund 1.4 Mio Tonnen CO2 einsparen müssen (bei einem CO2-Ausstoss 1990 von ca 1.8 Mio Tonnen).
Zu beachten ist: statt abzunehmen, haben die CO2-Emissionen gesamtschweizerisch seit 1990 leicht zugenommen, und zwar um 0.6 %!
Aus dieser Sicht hat die Migros deutlich mehr an Klimaschutzmassnahmen umgesetzt als der Durchschnitt der Schweiz – Gratulation zu dieser beachtlichen Leistung! Doch selbst die vorbildliche Migros hat viel zu wenig getan zur Erreichung des Klimaschutz-Zwischenziels 2010. Und angesichts der Herausforderung – Verminderung der CO2-Emissionen um den Faktor 8 in möglichst kurzer Zeit – sind auch die Aktivitäten der Migros erste sanfte Beweglichkeitsübungen.
Noch ein bisschen Ironie: In der Klimaschutz-Sondernummer des MIGROS MAGAZIN ist ein Gemüsekalender abgedruckt – weil bei Schweizer Saisongemüse auch das Klima profitiert. Broccoli beispielsweise hat Saison von etwa Juni bis in den Oktober hinein, Spargel ist in den Monaten Mai und Juni Klimaschutz-Trumpf – in den Gemüsegestellen hat es den Eindruck, als hätten Broccoli und Spargel bereits jetzt Hochsaison!