Direkte Demokratie: die Zeit der Märchen ist vorbei

Die direkte Demokratie ist die zweitbeste Regierungsform der Welt, die beste ist nicht bekannt. Die Schweiz rühmt sich dieser Demokratie – die SchweizerInnen gefährden sie allerdings selber am stärksten. Es geht wie immer um Geld!

Darf man mit Herzensanliegen den zur Existenssicherung nötigen Lohn verdienen? Darf man lügen und mit viel Geld diese Lügen zur Mehrheitsmeinung machen? Haben FinanziererInnen dieser lügenhaften Manipulationskampagnen das Recht auf Anonymität?

Die $VP und ihr alternder autokratische Alleinherrscher Christoph Blocher haben die Politiklandschaft der Schweiz in den letzten Jahrzehnten massiv umgebaut. Weil viele Gruppierungen in diesem Land an alten Legenden und Tugenden festhalten, verkommt das Konstrukt direkte Demokratie schweizerischer Prägung immer mehr zum Lügengebäude, zur potekimschen Fassade.

Einige dieser tabuisierten Begriffe sind Freiwilligkeit, Gemeinnützigkeit, Miliz-Parlamente. Fakt ist: auch in der Schweiz werden die Meinungen gekauft. Marketing ist als Mittel der Politik grundsätzlich legitim – wenn denn die Mittelflüsse dahinter transparent wären.

Wenn die $VP und ihre Lügenkampagnen offenbar vor allem über anonymisierte, quittungslose Bargeldtransaktionen funktionieren, ist dies verwerflich und bedenklich – da sägt ein selbsternannter, undemokratischer Volkstribun an den Beinen der Demokratie! In einer Zeit des üblicherweise bargeldlosen Zahlungsverkehrs wirkt eine solche Wirtschaftsweise hochgradig verdächtig – es stehen Tür und Tor offen für unlautere Machenschaften.

Transparenz ist ein wesentliches Element für die Qualität einer Demokratie – die $VP macht das pure Gegenteil. Wenn schon Geld investiert wird, müssen die Wählenden, müssen die Stimmenden wissen, wer diese Geldmittel zur Verfügung stellt. Es gibt zwar ein Wahl- und Abstimmungsgeheimnis – dieses darf aber die Herkunft der Mittel zur Beeinflussung von Wahlen und Abstimmungen nicht mit einschliessen.

Wenn die Credit Suisse öffentlich deklariert, Parteien nach ihrer Grösse finanziell zu unterstützen, ist dies ein hochgradig unmoralisches Angebot. Wenn die Wirtschaft, insbesondere die Finanzindustrie, einen Beitrag zur Finanzierung der Politik leisten will, gibt es nur einen Weg: staatliche Parteienfinanzierung, alimentiert selbstverständlich auch über die Steuern von juristischen Personen wie eben der Credit Suisse. Dazu gehört die Offenlegung der Parteifinanzierung inklusive Benennung sämtlicher SpenderInnen.

In einer direkten Demokratie muss es möglich sein, dass Menschen mit politischer, letztlich zivilgesellschaftlicher Arbeit ihre Existenz sichern können. Hier ist die Schweiz extrem verlogen: es werden Entschädigungen für Parlamentsarbeit bezahlt, die geradezu dazu einladen, sich quasi für Interessenvertretung zusätzlich bezahlen zu lassen. Der Begriff Milizparlament gehört endlich abgeschafft – die Pflege der direkten Demokratie darf nicht auf freiwilliger, gemeinnütziger Basis erfolgen, sondern ist eine ernsthafte Arbeit, die zur Existenzsicherung dienen soll (im übrigen unabhängig von der Meinung der PolitikerInnen – wobei diese sauber zu trennen ist von den selbst erfundenen Fakten (=Lügen)).

Es gibt im übrigen durchaus jene PolitikerInnen (wahrscheinlich in allen Parteien), die aus rein ideelen Motiven Politik betreiben, die sich ihr Engagement leisten wollen und auch können. Demokratie darf aber nicht von jenen gemacht werden, die sich das Engagement leiten wollen und können! Das gehört eben auch zu den Märchen der direkten Demokratie.

Auch in der direkten Demokratie könnten die Fragen der Existenzsicherung wesentlich einfacher diskutiert werden, wenn etwa die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen, welche im April 2012 lanciert wird, eine Mehrheit findet.