Fiala/Aids-Hilfe: Werbung für die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen

Auch wenn ich der Ansicht bin, dass jede und jeder auch Arbeit zugunsten der Gesellschaft zu leisten hat, halte ich das Konzept der Freiwilligenarbeit für verlogen. Denn: Freiwilligenarbeit muss mensch sich überhaupt leisten können. Wenn FDP-Nationalrätin Doris Fiala das Präsidium der Aids-Hilfe Schweiz – traditionell eher symbolisch entschädigt – nur übernimmt, wenn sie dafür für ihre Verhältnisse einigermassen angemessen entschädigt wird, führt dies zu verlogenen Empörtheitsreaktionen der Medien und eines Teils der Öffentlichkeit. Allerdings ist diese unechte Diskussion beste Werbung für die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen, welche im April 2012 lanciert wird.

In der Schweiz wird strikt zwischen Erwerbsarbeit und Freiwilligenarbeit unterschieden. Viele zivilgesellschaftliche Themen können nur angegangen werden, wenn Menschen bereit sind, das wertvolle Gut „persönliche Zeit“ ohne Entschädigung (allenfalls bloss mit Spesenabgeltung) zur Verfügung zu stellen. Andererseits klassiert die Gesellschaft Menschen nach dem verfügbaren Einkommen, sind doch etwa gute Wohnlagen ausdrücklich für hohe Einkommen bestimmt.

Ich kenne die ökonomische Situation von Frau Fiala nicht; ich bin überhaupt nicht einverstanden mit ihren Haltungen in der Umweltpolitik. Dies verleitet mich allerdings nicht dazu, in die gleiche Häme abzugleiten, wie sie in Artikeln im Tages-Anzeiger zum Ausdruck kommt. Ich stelle ganz einfach fest: Frau Fiala und die Aids-Hilfe sind zum Schluss gekommen, dass die Lösung mit einem nach in der Wirtschaft durchaus üblichen Ansätzen entschädigten Präsidiums-Mandat zweckmässig ist.

Was nichts kostet, ist nichts wert. Dieser Spruch gilt auch für Freiwilligenarbeit. Bei vielen Organisationen, die auf Freiwilligenarbeit aufbauen, ist regelmässig ein hohes Mass an Unprofessionalität festzustellen (es gibt selbstverständlich auch andere Beispiele). Vielfach muss bei solchen Organisationen mit jenen Freiwilligen gearbeitet werden, die sich überhaupt melden – gut gemeint ist das Gegenteil von gut, zwar nochmals ein Spruch, aber er trifft die Sache nicht schlecht. Die Frage muss erlaubt sein, ob Schwierigkeiten solcher Organisationen durch die häufig eher zufälligen Kompetenzen der Freiwilligen tendenziell eher verschärft werden (wie gesagt: es gibt selbstverständlich auch ausreichend Positivbeispiele).

Was bleibt: Freiwilligenarbeit muss mensch sich leisten können! Es braucht also bereits ein entsprechendes finanzielles Polster, oder es müssen Ansprüche reduziert werden. Frau Fiala und die Aids-Hilfe sind ehrlich: mit ein bisschen Goodwill sind die Schwierigkeiten dieser Organisation nicht lösbar – spannend übrigens, dass es offenbar akzeptabel wäre, wenn Frau Fiala ihr Engagement in Form eines bezahlten Mandates abwickelt, nicht aber, wenn sie das gleiche als Präsidentin tut. Nur noch ärgerlich ist es, wenn die Medien dieses Präsidium vergleichen mit WWF oder Rotem Kreuz: bei diesen Organisationen sind viele nach Marktkonditionen entschädigte Fachleute beschäftigt (P.S. „Marktkonditionen“ sagt nichts über die Lohnhöhe beim WWF oder Roten Kreuz im Vergleich mit vergleichbaren Konditionen aus – ich meine damit, dass es diesen Organisationen gelingt, mit dem gemeinnützigen Charakter ihrer Tätigkeit als Hintergrund die benötigte Fachkompetenz auf dem Arbeitsmarkt zu finden) – die Vorstandsfunktionen haben andere Profile.

Objektiverweise ist es dringend nötig, das Konstrukt von Erwerbsarbeit und Freiwilligenarbeit intensiv zu überdenken. Gelegenheit dazu bietet die Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen, welche im April 2012 lanciert wird. Dann kann auch in Vereinen und Organisationen vermehrt über die erforderlichen Qualifikationen für Vorstandsämter gesprochen werden, statt letztlich sinnlose Diskussionen über den ökonomischen Wert der geleisteten Arbeit führen zu müssen.


Die publizistischen Whistleblower des Auto-Anzeigers (früher Tages-Anzeiger) in Verbund mit der absurden Organisation Zewo haben in geradezu nötigender Art und Weise dafür gesorgt, dass die qualifizierte Arbeit einer Frau nicht erwerbssichernd bezahlt wird und somit definitiv nur noch als Sozial-Dumping bezeichnet werden kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob im Business „Aids-Hilfe“ üblicherweise Freiwilligenarbeit geleistet wird oder ob die betroffene Frau FDP-Nationalrätin ist. In dieser populistisch aufgeheizten Fragestellung gibt es nur einen sinnvollen Ansatz: Volksinitiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen!

Erste Fassung: 2.3.2012