CO₂-Gesetz – trotz Demokratieversagen Denken in Varianten

Das von National- und Ständerat am Ende der  Herbstsession 2020 beschlossene CO2-Gesetz ist ein sehr schlechtes und nicht wirklich zielführendes Gesetz, egal wie es von Bundesrätin Sommaruga, FDP und anderen Parteien schöngeschwatzt wird. Da setzt sich das im Klimaschutz geradezu notorische Demokratieversagen fort.

Nun, «darf» zu einem solchen Gesetz von jenen, die es als deutlich nicht zielführend erachten, eibe Volksabstimmung verlangt werden? Oder dürfen dies nur jene tun, die das Gesetz als viel zu weit gehend erachten, weil sie von den fossilen LobbyistInnen ferngesteuert sind?

Offensichtlich ist in der Schweiz nur die zweite Variante politisch opportun – die Stimmberechtigten sollen also akzeptieren, dass ein neues Gesetz zwar völlig ungenügend ist, aber immerhin «es bitzeli» mehr bringt als das aktuell geltende Gesetz.

Nehmen wir mal an, dass das neue CO2-Gesetz tatsächlich ermöglicht, was ihm angedichtet wird – die Erfahrungen im Umweltbereich zeigen allerdings, dass die Wirksamkeitsprognosen meist zu hoch liegen. Da lohnt sich trotzdem das Denken in Varianten.

Wichtig für das Denken in Varianten sind die Massstäbe. Ich gehe davon aus, dass für derartige Überlegungen das CO2-Budget durchaus tauglich ist. Ende 2017 standen noch etwa das Zehnfache des damaligen jährlichen CO2-Ausstosses zur Verfügung, um die durch die Verbrennung fossiler Brenn- und Treibstoffe ausgelöste Klimaerhitzung auf 1.5 Kelvin im globalen Durchschnitt zu begrenzen. 

Wie sieht es nun mit den Varianten aus?

Eine der Varianten: Das Referendum wird von den Stimmberechtigten nicht unterstützt. Das Gesetz tritt somit wie beschlossen in Kraft. Und weil Bundesrat und zahlreiche Parteien meinen, ein gutes Gesetz zur Verfügung zu haben, was ja auch durch die Zustimmung der Stimmberechtigten zum Ausdruck kam, vergehen viele viele Jahre, bis das Gesetz angepasst wird. Keine Chance, das CO2-Budget einzuhalten!

Oder so: Bei der Referendumsabstimmung wird das Gesetz mehr oder weniger knapp abgelehnt. Weil nur Argumente zu hören waren, dass das Gesetz zu weit gehe, lassen Bundesrat und die meisten Parteien die Finger vom Thema. Auch bei dieser Variante wird das CO2-Budget massiv überschritten, die Klimakrise geht sehr kräftig voran.

Ein bisschen optimistischer: auch hier wird das Gesetz abgelehnt, aber auch mit den Stimmen jener, denen das Gesetz zu wenig weit ging. Dies stärkt jene Kräfte, die einen zweiten, diesmal deutlich weiter gehenden Vorschlag für das CO2-Gesetz machen. Das Budget wird immer noch überschritten, aber etwas weniger deutlich. Also ein gewisser Vorteil. Noch besser wird es, wenn der Versuch gelingt, in dieser Situation ein sehr ambitiöses CO2-Gesetz vorzuschlagen.

Und dann dies: das Gesetz wird in der Referendumsabstimmung angenommen. Das gibt jenen Kräften, die die Vorschläge für ein sehr starkes CO2-Gesetz bereits am Abstimmungstag zur Verfügung haben. Weil eine Initiative zu langsam ist, können dies Bundesrat und Parlament in einem gemeinsamen Effort leisten. Wenn es sehr schnell geht und das neue Gesetz wirklich sehr weitgehend ist – das ist gemäss Wissenschaftsangaben ökonomisch und sozial vorteilhaft möglich –, könnte es sogar gelingen, das CO2-Budget einzuhalten.

Bei aller Höflichkeit wird hier auf den Initiativansatz verzichtet. Einerseits gibt es mit der Gletscher-Initiative bereits einen solchen Vorstoss – und diesen möchte der Bundesrat mit einem Gegenvorschlag beantworten, der der Initiative sämtliche Substanz nimmt. Dazu kommt: bei den Diskussionen zur Lancierung der Gletscher-Initiative wurde davon ausgegangen, dass es etwa zehn Jahre von der ersten Unterschrift bis zum Inkrafttreten der durch die Initiative bewirkten neuen Gesetzesbestimmungen geht – das wäre eine eher langsame Variante in Varianten-Strauss.

Als Ergebnis des Varianten-Denkens: das neue CO2-Gesetz und die damit verbundenen Referendumsstrategien haben eher geringe Auswirkungen. Was für den Klimaschutz entscheidend ist, sind schnelle und wirksame Schritte, die über das CO2-Gesetz Version September 2020 hinausgehen. Und dies hängt in erster Linie vom Wollen von Bundesrat und der Mehrheit des Parlamentes ab! Damit könnte auch recht schnell das Demokratieversagen behoben werden.