Abstimmungsempfehlungen zur Volksabstimmung vom 27. September 2020 – und ein Kommentar

Am 27. September findet erst die zweite Volksabstimmung im Jahr 2020 statt – Stimmberechtige in der Stadt Zürich haben über fünf Vorlagen des Bundes, zwei Vorlagen des Kantons Zürich und sechs Vorlagen der Stadt Zürich zu befinden. Dazu meine Abstimmungsempfehlungen, teilweise ergänzt mit weiterführenden Informationen und Links.


Kommentar vom Abstimmungsabend

Meine Abstimmungsempfehlung für die dreizehn Vorlagen haben bei elf Vorlagen so gelegen wie die Stimmberechtigten entschieden haben. Der heutige Nachmittag hat gezeigt, dass «knapp» und «deutlich» relative Begriffe sind. Das betrifft Vorlagen, die überhaupt politisch diskutiert wurden. In der Demokratie ist die Situation klar: 50 % plus eine Stimme, dies führt in der Regel zum Ergebnis.

Dies lässt sich beim Runden des eindeutig knappsten Ergebnis dieses Abstimmungswochenendes zum «Bundesbeschluss vom 20. Dezember 2019 über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge» zeigen. Als Ganzzahl heisst das Ergebnis nämlich 50 % Ja und 50 % Nein. In den offiziellen Listen wird daher auf zwei Stellen nach dem Punkt gerundet, dann lautet das Ergebnis 50.14 % Ja zu 49.86 % Nein. Ob es wohl mit diesem Projekt so knapp weitergeht?

Mir scheint, dass das Kampfflugzeug-Projekt sehr offen formuliert wurde, was viele Interpretationen bis hin zu Fakes und Lügen zuliess. Auch dies gehört offenbar in der heutigen Zeit zur Politik, obwohl Meinungen faktenorientiert zu sein haben!

Dies gilt auch für das andere Projekt, bei dem das Ergebnis anders lautet als meine Abstimmungsempfehlung; es geht um die Stadtzürcher Vorlage „Privater Gestaltungsplan «Areal Hardturm – Stadion», Zürich-Escher Wyss, Kreis 5“. Das Ja ist recht direkt die Folge einer Propaganda-Kampagne, die etwa bei den bisherigen Abstimmungen zum Stadion oder dem gemeinnützigen Wohnungsbau nicht faktenorientiert ist. Falls das Projekt tatsächlich objektiv zukunftsfähig und stadtverträglich ist (zu Abstimmungszeiten spielt dies offenbar noch keine entscheidende Rolle), dann wäre ja alles OK. Es ist wirklich zu empfehlen, dass das Projekt an den zahlreichen und erheblichen Schwachstellen nachgebessert wird, etwa mit einem deutlich höheren Anteil des gemeinnützigen Wohnungsbaus.  

Nun, offenbar haben die Volksmärchen und die Volkslieder, die Raubtiere zum Gegenstand haben, nach wie vor eine grosse Wirkung auf die öffentliche Meinung. Wie beim Klimaschutz braucht es offenbar auch bei den Wildtieren schöne neue Geschichten statt der alten Märchen, um eine zukunftsfähige Jagdgesetzgebung zu ermöglichen.  


Bund
  • Volksinitiative vom 31. August 2018 «Für eine massvolle Zuwanderung (Begrenzungsinitiative)»: NEIN

  • Änderung vom 27. September 2019 des Bundesgesetzes über die Jagd und den Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel (Jagdgesetz, JSG): NEIN

  • Änderung vom 27. September 2019 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG) (Steuerliche Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten): NEIN

  • Änderung vom 27. September 2019 des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG): JA
  • Bundesbeschluss vom 20. Dezember 2019 über die Beschaffung neuer Kampfflugzeuge: NEIN
Kanton Zürich
  • Zusatzleistungsgesetz (ZLG) (Änderung vom 28.Oktober 2019; Beiträge des Kantons): JA

  • Strassengesetz (StrG) (Änderung vom 18. Novem­ber 2019; Unterhalt von Gemeindestrassen): JA

Bei beiden Vorlagen hat der Kantonsrat mit unterschiedlichen Mehrheiten zugestimmt, während der Regierungsrat Nein sagt.

Stadt Zürich

  • Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich»: JA
    Pro Velo Kanton Zürich, Initiativkomitee «Sichere Velorouten für Zürich»
  • Privater Gestaltungsplan «Areal Hardturm – Stadion», Zürich-Escher Wyss, Kreis 5: NEIN zum Hardturm-Bschiss
    Ergänzung zu den Fakes und Lügen der BefürworterInnen dieser Vorlage:
    • Die Stimmberechtigten der Stadt Zürich haben noch NIE über den privaten Gestaltungsplan «Areal Hardturm – Stadion» abgestimmt. Die Volksabstimmung vom 25. November 2018 betraf «Baurechte, Übertragung von zwei Grundstücken ins Verwaltungsvermögen (mit einem Objektkredit von 50,15823 Millionen Franken) und Einnahmeverzicht von jährlich 1,72666 Millionen Franken». In den Abstimmungunterlagen stand klar und deutlich: «Der Abschluss dieses Baurechtsvertrags erfolgt unter folgenden Bedingungen: … Rechtskräftige Genehmigung des für das von der Bauberechtigten geplante Bauvorhaben notwendigen (rechtskräftigen) Gestaltungsplanes durch die zuständigen Instanzen der Stadt Zürich» (Details hier). Aus Sicht des demokratischen Rechtsstaats ist also die Abstimmung über diesen Gestaltungsplan zwingend
    • Gemäss Gemeindeordnung haben sich bis 2050 ein Drittel des Mietwohnungsbestandes im Eigentum von gemeinnützigen WohnbauträgerInnen zu befinden (Art. 2septies und Art. 123 Gemeindeordnung). Dieser Stand ist noch nicht erreicht – wenn beim Stadion-Projekt nach offiziellen Angaben nur etwas mehr als 23 Prozent der Wohnungen als gemeinnützig gelten, ist damit offensichtlich die Gemeindeordnung verletzt.
  • Neuregelung der Finanzkompetenzen für den Erwerb von Liegenschaften, Teilrevision Gemeindeordnung: JA

  • Instandsetzung und Optimierung ewz-Areal Herdern, Objektkredit von 167.44 Millionen Franken: JA

  • Bau einer Direktverbindung zwischen Limmatzone, Glatt- und Hangzone des Wasserleitungsnetzes der Stadt Zürich, Objektkredit von 25.245 Millionen Franken: JA

  • Pro Senectute Kanton Zürich, Treuhanddienst, Rentenverwaltung und Sozialberatung, jährliche Beiträge von 2’041’465 Franken ab 2021: JA

Stadt Zürich: Abstimmungspublikation 27. September 2020


Erste Fassung 17. Juli 2020
Ergänzt am 6. September 2020