Den Wohnflächenanspruch habe ich unter Nachhaltigkeitsüberlegungen bereits mehrfach thematisiert – unter anderem mit dem Hinweis, dass es (zumindest bis vor einigen Jahren) einen direkten Zusammenhang zwischen der Zunahme der Wohnfläche pro Person und der Mietzinsentwicklung gibt. Der Mieter- und Mieterinnenverband Zürich hat am 18. September 2013 eine Studie veröffentlicht, der Zürcher AL-Gemeinderat Niklaus Scherr hat aus den Studienergebnissen kritische Schlussfolgerungen gezogen. Im Artikel von Koni Loepfe im P.S. vom 19.9.2012 mit dem Titel „Weniger Raum ist öko“ findet sich eine eher neue Aussage zur Thematik Wohnfläche: Viele MieterInnen würden gerne eine kleinere Wohnung zu einem tieferen Preis mieten, wenn sie dies könnten. Neugebaute 4-Zimmerwohnungen mit 85 Quadratmetern fänden mit Garantie problemlos MieterInnen.
Der Tagesanzeiger führt das Bashing der 2000-Watt-Gesellschaft weiter: es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wie es der Tamedia-Mitarbeitende Peter Aeschlimann schafft, aus den Aussagen des Mieter- und MieterInnenverbandes ein Argument zur Abschaffung des 2000-Watt-Gesellschafts-Artikels in der Gemeindeordnung zu basteln. P.S. Die diversen Kommentare zu diesem Artikel sind einmal mehr Beleg dafür, wie wichtig es ist, die Online-Kommentarfunktion bei solchen Medien abzuschaffen.
Die Aussagen von Niklaus Scherr gehen genau in die andere Richtung. Er hält ins seinen Schlussfolgerungen fest: Bei der Stadt hat im Zug der 2000-Watt-Diskussion bereits ein Umdenken eingesetzt, Neubauten werden mit deutlich geringeren Flächenvorgaben geplant und erstellt. Diese Trendwende muss bei den Genossenschaften vermehrt zum Tragen kommen. Wie eine neuere BWO-Studie zeigt, sind dank Flächenreduktion auch im privaten Wohnungsbau in Städten wie Zürich Neubauwohnungen – sowohl für Familien wie für Einzelpersonen – zu einigermassen erschwinglichen Mietpreisen möglich. Hier der Link zur BWO-Studie „Günstiger“ Mietwohnungsbau ist möglich.
Niklaus Scherr fordert eine umfassende Anaylse der Oeko-Bilanz im Neubau. Solche Analysen sind seit langen Jahren Praxis – bezogen auf die Oeko-Bilanz ist es immer besser, ein Gebäude mit einem zu hohen Energieverbrauch umfassend nach den besten Standards zu erneuern oder durch einen nach den anforderungsreichsten Standards erstellten Ersatzneubau zu ersetzen. Da kaum davon auszugehen ist, dass jene Menschen, die eine Neubauwohnung beziehen, in ihrer bisherigen Altbauwohnung deutlich unterschnittlich Wohnfläche beansprucht haben, geht die Sanierung von nicht mehr zeitgemässer Wohnsatz oder der Ersatz durch sehr gute Neubauten auch ökologisch durchaus in Ordnung: Dies soll nicht daran hindern, auch bei Neubauten den Wohnflächenanspruch kritisch zu hinterfragen. Es ist zudem darauf hinzuweisen, dass der auch ökologisch erwünschte Trend hin zum teilzeitlichen Home Office zusätzliche Anforderungen an den Wohnraum (nicht zwingend an die Wohnfläche!) zur Folge hat.
Der Mieter- und Mieterinnenverband schätzt den beachtlichen Boom von Eigentumswohnungen berechtigterweise als negative Entwicklung ein – Stockwerkeigentum ist die schlimmst mögliche Form von Wohnraumbewirtschaftung, weil erhebliche in der Regel fremde Kapitalmengen gebunden werden ohne tatsächlich auf die Ausgestaltung dieses Wohnraumes Einfluss nehmen zu können.
Niklaus Scherr nennt planerische Instrumente zur Steuerung des Wohnflächenanspruchs. Die Wirkung könnte deutlich verbessert werden durch eine vollumfänglich an die Haushalte zurückerstattete stark lenkende Wohnflächenabgabe.
Es ist gerade aus Nachhaltigkeitssicht dringend notwendig, dafür zu sorgen, dass bei Ersatzneubauten, beim Verdichten im Bestand und bei umfassenden Erneuerungen von Bestandesgebäuden die tendenzielle Verringerung der Wohnflächenansprüche ausreichend beachtet wird.