#Bratwurstokratie

Bratwürste wollen die SchweizerInnen rund um die Uhr an Tankstellen kaufen können – die Arbeitsbedingungen und vieles andere sind der Mehrheit der Abstimmenden schlicht wurst und egal. Eine nicht nur ironische Interpretation eines Abstimmungsergebnisses.

Ausgerechnet Bratwürste wollen SchweizerInnen rund um die Uhr an Tankstellen kaufen lassen. Ein interessantes Ergebnis der Volksabstimmung vom 22.9.2013. Fleisch – gemäss Fleischwirtschaft ist alles andere bekanntlich Beilage – ist, wie es schon Paracelsus formulierte, eine Frage der Dosis. Die aktuelle Fleischproduktion ist bekanntlich in einem erheblichen Umfang mitverantwortlich für den übermässig grossen ökologischen Fussabdruck der SchweizerInnen und Schweizer. Teilzeit-Vegis sind gefragt! Wer rund um die Uhr Bratwürste kaufen will, signalisiert, dass solche Ueberlegungen keinerlei Relevanz haben, dass der ökologische Fussabdruck der Mehrheit wurst ist.

Es geht um Tankstellen, die rund um die Uhr Bratwürste verkaufen können. Ausgerechnet Tankstellen. Und dies in einer Zeit, in der das Auto an Wichtigkeit verliert. Und auch der übermässige Autogebrauch ist verantwortlich für den übergrossen ökologischen Fussabdruck der SchweizerInnen. Wenn ausgerechnet Bratwürste an Tankstellen rund um die Uhr verkauft werden sollen, signalisiert die Mehrheit, dass sie an ihrem übergrossen Fussabdruck festhalten will. Und der Rest ist ihr wurst.

Bratwürste, die passen in erster Linie auf den Grill: Fleischzubereitung aus der Steinzeit, Erinnerung an die JägerInnen-Gene im Menschen – die einzige Kunst besteht darin, dafür zu sorgen, dass der Anteil an Fleisch, der geniessbar ist, möglichst gross im Vergleich zum bereits Verbrannten und noch Rohem ist. Müssen wir also in Zukunft damit rechnen, rund um die Uhr vom Bratwurstsmog belästigt zu werden, von all jenen, die unfähig sind, ein fachgerechtes Grillfeuer zu entzünden, die noch Üben an der „Kunst“ des Grillierens? Ob jetzt wohl auch die Einweggrills rund um die Uhr erhältlich sind, damit die Grillierenden auch noch öffentliche Rasenanlagen dem übergrossen ökologischen Fussabdruck opfern können? Wenn die Mehrheit rund um die Uhr Bratwürste kaufen können will, ist ihr offensichtlich individuelle und gesellschaftliche Rücksichtnahmen ziemlich wurst.

Bratwürste kommen weder aus dem 3D-Drucker (vielleicht bald!) noch können sie über das Internet geliefert werden. Es braucht also Menschen, die rund um die Uhr Bratwürste verkaufen – angesichts der arbeitsmarktlichen Realität wahrscheinlich sogar dazu gezwungen werden, eine solchen Job mit absurden Arbeitsbedingungen anzunehmen. Während sich bewusste KonsumentInnen darum bemühen, dass die Produktion von Computern und weiteren Produkten in China, Taiwan, Vietnam usw. fairer für die Betroffenen wird, betreibt die Mehrheit Sozialdumping im eigenen Land (einfach so als Gedanken dazu: selbst wenn Bratwürste rund um die Uhr zu kaufen sind, ist es kaum möglich, nach mehr davon zu verschlingen – die Nachfrage wird einfach über eine grössere Zeitspanne verstrichen, was den Ertrag pro Verkaufsstunde reduziert). Nun, wenn schon Bratwürste rund um die Uhr zu haben sind, gäbe es sicher noch (unsinnige) Wünsche, auch andere Produkte und Dienstleistungen rund um die Uhr zur Verfügung zu haben, was noch mehr Menschen dazu zwingen würde, zu absurden Arbeitsbedingungen arbeiten zu müssen. Arbeitsbedingungen sind halt in der Bratwurstokratie ziemlich wurst.

„Bratwurst legalisieren“ und „Liberalisieren“ sind in der Diskussion und den Plakaten im Hinblick auf die Volksabstimmung kombiniert worden – da ist und bleibt ziemlich vieles wurst. Und als Kommentar bleibt nur Ironie und Sarkasmus.