Wie reich ist die 2000-Watt-Gesellschaft?

Achtung, dies ist ein geklauter Titel! Erfunden wurde dieser Titel für einen Vortrag des Center of Economic Research an der ETH Zürich am 11. März 2010. Schlussfolgerung nach dem Vortrag: die Untersuchungen des CER kamen zum Schluss, dass es aus ökonomischer Sicht kaum Unterschiede im Vergleich zu einem Referenzszenario gibt.

„Reich“, da geht es um Wohlstand. Und obwohl eigentlich längst klar ist, dass Wohlstand, zumindest nachhaltiger Wohlstand, nicht mit dem BIP gemessen werden kann, basiert auch diese Studie auf Überlegungen der Weiterentwicklung des BIPs (immer noch als Wachstum bezeichnet, obwohl es dabei nicht um eine natürliche Entwicklung handelt). 1.33 Prozent soll das BIP wachsen – trotz des globalen Ansatzes der 2000-Watt-Gesellschaft wird als Betrachtungsrahmen nur die Schweiz angenommen.

Rund 33 Mia Franken oder 6 % des BIP gibt die Schweiz für Energie aus, rund 72 % davon für fossile Energien, also etwas mehr als 4 % des BIP (Zahlen 2008) – fast der gesamte Rest entfällt auf Strom. Im Beitrag Strom und 2000-Watt-Gesellschaft habe ich dargelegt, dass es mit nur 15 % Strommehrverbrauch möglich ist, auf sämtliche fossilen Energien zu verzichten – nicht nur die Schweiz kann raschmöglichst auf Atomkraftwerke verzichten. Gegenüber den heutigen Energiepreisen bleibt einiger Spielraum zur Realisierung nicht lügender Energiepreise und zur Finanzierung der Effizienz-Massnahmen und der Steigerung der Suffizienz-Akzeptanz. Es ist also offensichtlich, dass der vollständige Verzicht auf fossile Brennstoffe mit einem relativ geringen Mehrverbrauch von ökologisch hochwertig produzierten Strom angesichts des relativ geringen Anteils am BIP mit den klassischen ökonomischen Methoden keine wesentlichen volkswirtschaftlichen Veränderungen zeigen kann. Dies heisst andererseits, dass im Sinne des Vorsorgeprinzips dieser energiepolitische Wechsel so rasch als möglich zu erfolgen hat. Dies braucht eine deutliche Verschärfung der Klimaschutzgesetzgebung, den Verzicht auf neue Atomkraftwerke und die raschmöglichste Stilllegung der bestehenden Anlagen und eine kräftig lenkende, umfassend rückerstattete Energieabgabe.

Die Politik ist gefordert, hier so rasch als möglich die Weichen Richtung Klimaschutz-Zukunft zu stellen.

Die Titel-Frage wurde anlässlich des ETH-Vortrages nicht beantwortet. Sie wurde insbesondere nicht beantwortet für die Weltgegenden, die heute benachteiligt sind, weil die Reichsten – oder jene mit dem grössten ökologischen Fussabdruck – einen übermässigen Teil der beschränkten Ressourcen beanspruchen.

Und dann bleiben wie immer die Fragen bei ökonomischen Aussagen respektive Prognosen. Wie zweckmässig ist etwa die Vorgabe, dass das BIP zukünftig (linear) zunehmen soll? Und um welchen Betrag müssen Entwicklungen optisch abweichen, damit man von Unterschieden sprechen kann?

Da das BIP definitiv nicht das Mass ist, um den Reichtum oder den Wohlstand der globalen 2000-Watt-Gesellschaft zu beurteilen, bleiben einige Gewissheiten: die 2000-Watt-Gesellschaft bietet unter dem Blickwinkel der klassischen Ökonomie Chancen und Risiken, genau wie die BAU-Entwicklung (BAU = „business as usual“) – und mit Sicherheit ist LOVOS – Lifestyle of Voluntary Simplicity eine kluge Sache, die es möglich macht, zukünftige Herausforderungen einfacher bewältigen zu können.