Vorschriften: das Schlimmste verhindern oder Zukunftsperspektiven eröffnen?

In der Schweiz sind die Kantone für die Energievorschriften zuständig. Seit Jahren hinken sie der technischen Entwicklung weit hinterher. Voraussichtlich im April 2008 werden die KantonsvertreterInnen – die für das Bauwesen und den Schutz der Umwelt zuständigen RegierungsrätInnen, zusammengeschlossen in der Energiedirektorenkonferenz – neue Mustervorschriften im Gebäudebereich beschliessen, die sogenannte MuKEn. Allerdings ist davon auszugehen, dass diese Vorschriften im Vergleich zur Baupraxis den Herausforderungen der Klimaschutz-Erfordernisse nicht entsprechen werden.

Die Schweizerische Energiepolitik im Gebäudebereich, vor allem durch die Kantone geprägt, geht davon aus, dass mit Vorschriften das Schlimmste verhindert werden soll (Originalaussage von Hansruedi Kunz, Leiter der Abteilung Energie des AWEL, der Energiefachstelle des Kantons Zürich). „Das Schlimmste verhindern“ heisst in dieser Situation, dass im Interesse der Bauherrschaften Bauschäden so weit als möglich verhindert werden sollen. Angesichts der menschgemachten globalen Klimaveränderung ist allerdings klar, dass diese auf ein Teilbedürfnis der Bauherrschaften zentrierte Optik nicht ausreicht. Der stark steigende Oelpreis, verbunden mit einem parallelen Anstieg der Preise fast aller Energieträger, hat gezeigt, dass Bauten mit tiefem Energieverbrauch auch von der Betriebskostenseite her von Bedeutung sind. Das Verhindern des Schlimmsten verlangt eindeutig nach weitergehenden Vorschriften. Spätestens mit dem SIA Effizienzpfad Energie ist klar, wohin die Reise geht: Neubauten sind nach dem Minergie-P-Standard zu erstellen, bestehende Bauten müssen im Rahmen einer umfassenden Erneuerung möglichst rasch auf das Energieverbrauchs-Niveau eines Neubaus nach Minergie-Standard gebracht werden.

Die VertreterInnen der Kantone setzen im Gebäudebereich vor allem auf die Freiwilligkeit. Sie erwarten, dass in der gesamten Entscheidkette von der Bauidee bis zur Realisierung und anschliessenden Nutzung sich genügend einsichtige Menschen dafür einsetzen, zukunftsgerichtete energetische Standards umzusetzen. Da diese Standards für viele, seien es Bauherrschaften, Planende oder Ausführende, technisches Neuland sind, und da zudem von höheren Investitionen (bei nachfolgend reduzierten Betriebskosten) auszugehen ist, kann diese Freiwilligkeits-Strategie nur von begrenzter Wirksamkeit sein.

Interessant ist dabei ein Blick in Wikipedia: Zum Stand der Technik heisst es: Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung der Maßnahme im Hinblick auf die angestrebten Ziele insgesamt gesichert erscheinen lässt. Er ist aber noch nicht hinreichend und langjährig erprobt und meist nur Spezialisten bekannt, weshalb im Bauwesen statt des Standes der Technik üblicherweise die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik vertraglich gefordert wird. Zu den allgemein anerkannten Regeln zählen auch die Vorschriften.

Staatliches Handeln muss möglichst einfach und eindeutig sein. Es ist kaum nachvollziehbar, dass der Staat im Energiebereich ziemlich schwache Vorschriften erlässt, und gleichzeitig den Wunsch äussert, es wäre wichtig, deutlich weitergehende energetische Qualitätsvorgaben umzusetzen. Diese Doppelbotschaft „Vorgeschrieben ist wenig, aber machen Sie doch bitte bitte sehr eine viel bessere Lösung“ beansprucht das Prinzip der Freiwilligkeit übermässig. Im Gebäudebereich haben Entscheide häufig Auswirkungen für die nächsten 40 bis 80 Jahre, deshalb dürfen zukunftsweisende Lösungen nicht ausschliesslich auf der Freiwilligkeit beruhen. Gerade auch der minimale gesellschaftliche Konsens und die Solidarität mit zukünftigen Generationen verlangt, dass Vorschriften im Gebäudebereich nicht bloss das Schlimmste verhindern, sondern echte Zukunftsperspektiven eröffnen!

Aus 2kwblog.umweltnetz.ch

Ein Gedanke zu „Vorschriften: das Schlimmste verhindern oder Zukunftsperspektiven eröffnen?“

  1. Ab dem 1. Januar 2009 dürfen Glühlampen, die nicht mindestens Energieetikette E aufweisen, nicht mehr verkauft werden. Licht hat immer auch mit Emotionen zu tun – siehe beispielsweise die Diskussionen über die Weihnachtsbeleuchtung in der Bahnhofstrasse Z

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