Brief oder Mail?

Wenn ich einer Bundesrätin oder einem Bundesrat ein Mail sende (das tue ich als Zivilgesellschafter gelegentlich), erhalte ich die Antwort – per Brief! Aus einem Mail der Swisscom an ihre KundInnen: Der Schutz der Energiereserven unseres Planeten, nachhaltiges Wirtschaften und ein verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen liegen Swisscom am Herzen und sind Teil unserer Geschäftspolitik. … Sie können uns dabei massgeblich helfen mit der Möglichkeit, künftig Produktinformationen, Hinweise, Mutationsbestätigungen usw. elektronisch an die E-Mail-Adresse unserer Kunden zu senden. Damit liesse sich die Menge der auf dem Postweg verschickten Papierdokumente ganz wesentlich reduzieren. Brief oder Mail? Bei der Antwort auf diese Frage geht es um Ökologie, aber auch um Gewohnheiten, und noch einiges mehr.

Mail statt Brief: dieser individuelle Entscheid vieler hat Konsequenzen! Jene Menschen, die heute mit der Brief- respektive Postlogistik ihren Erwerb haben, brauchen möglicherweise weniger NachfolgerInnen.

Die Deutsche Telekom gibt auf ihrer Internet-Seite Nachhaltig-handeln einige Tipps: Musik-Download statt Kauf von CDs/DVDs, Cloud Computing statt Datentransfers auf MP3-Player, Laptop und USB-Stick, virtuelle Konferenzen statt Verkehr auf Strasse, Schiene und in der Luft, RechnungOnline statt Rechnung auf Papier.

All diesen Beispielen ist gemeinsam, dass Logistik für Material und Mensch ersetzt wird durch mehr oder weniger virtuelle Vorgänge.

Es gibt diverse Untersuchungen darüber, ob das gedruckte Buch oder das elektronische Buch (z.B. im EPUB-Format), gleiches gilt auch für Zeitschriften, ökologisch die Nase vorne haben. Es gibt Gründe zur Annahme, dass auch im Buchbereich virtuelle Lösungen ökologisch vorteilhaft sind.

Es ist tatsächlich nicht das gleiche, Bücher auf Papier oder auf einem Display zu lesen. Als Vielleser physischer wie virtueller Bücher könnte ich eine Vielzahl von Vor- und Nachteilen der beiden Lösungen aufzeigen – zum Beispiel folgende Warnung: Beachten Sie beim Lesen von EPUB-Büchern im Bahnabteil, dass die Bildschirmoberfläche spiegelt und Mitreisende durch einfallende Sonnenstrahlung geblendet werden können. Wenn sich die bisherigen Trends in Sachen Ökobilanzierung von Leseformen fortsetzen, geht es schlicht darum, dass LeserInnen ihre Gewohnheiten anpassen müssen. P.S. wiederum aus eigener Erfahrung: beim Umblättern eines EPUB-Buches ist es nicht erforderlich, das ganze Lesegerät umzudrehen – es reicht, den Bildschirm kurz anzutippen! Und im übrigen haben die meisten EPUB-Lesegeräte etwa das Format eines aufgeklappten Taschenbuchs.

Weil davon auszugehen ist, dass zukünftig virtuelle Lösungen anstelle der bisherigen Material- und Menschen-Logistik treten wird, heisst dies: bei Firmen wie „Die Post“ (es ändert nichts, wenn BundesrätInnen ihre Antwort auf Mails als Brief versenden), im Druckgewerbe, im Unterhaltungsgewerbe (CD-Herstellung) wird mit grosser Wahrscheinlichkeit das Job-Angebot mit bisherigen Tätigkeiten deutlich vermindert. Damit stellt sich die uralte Frage: ist es sinnvoll, zur Strukturerhaltung und Arbeitsplatzsicherung auf ökologischere Verhaltensweisen zu verzichten? Aus Prinzip ist allerdings nur die Antwort „Nein“ möglich.

Gerade in Gesellschaften mit einem deutlich übermässigen ökologischen Fussabdruck hat dies Konsequenzen: wir brauchen einen neuen Lebensstil, z.B. LOVOS – “Lifestyle of Voluntary Simplicity“! Und wir müssen die Existenzsicherung von der Erwerbsarbeit trennen – bedingungsloses Grundeinkommen für alle!