Wie viel darf Klimaschutz kosten? Nun, diese Frage ist zum Vorneherein falsch, ohne dass gleichzeitig die Frage beantwortet wird, was es kostet, keinen Klimaschutz zu betreiben. Wie ein aktuelles Beispiel vom April 2015 aus der Medienlandschaft zeigt, lässt sich mit diesem Thema allerdings mediale Volksverdummung betreiben, im Sinne hochgradig populistischer Anti-Klimaschutz-Propaganda.
Der Stern-Report hat vor langen Jahren gezeigt, dass Klimaschutz fünf Mal billiger ist als Klimawandelfolgenanpassung. Die ETH-Studie «How Rich Is The 2000-Watt-Society» hat deutlich aufgezeigt, dass es minimalste volkswirtschaftliche Unterschiede gibt, ob die Schweizerinnen und Schweizer Klimaschutz betreiben oder nicht. Aber: ob mit und ohne Klimaschutz, es muss investiert werden. Eine energetisch verbesserte Wohnung hat höhere «innere» Werte (der thermische Komfort im Winter und im Sommer ist besser, der Lärmschutz moderner Fenster ist besser, in energetisch guten Gebäuden ist die Bauschadengefahr geringer und so weiter und so fort). Allerdings lassen sich solche Mehrwerte schlecht in Franken und Rappen ausdrücken. Als banaler Vergleich: die Rendite einer Küche, selbst einer teuren Küche, wurde noch nie berechnet – eigenartigerweise werden solche Berechnungen nur bei energetischen Anliegen durchgeführt. Obwohl ich nun bereits 30 Jahre im Energiebereich tätig bin, konnte mir dieses Phänomen noch niemand erklären. Klar ist auch: mit Buchhaltung allein ist Klimaschutz nicht zu haben.
Eine zentrale Erkenntnis im Gebäudebereich: Energiemassnahmen werden immer in Kombination mit ohnehin erforderlichen Unterhalts- oder Erneuerungsarbeiten am Gebäude durchgeführt. Auch wenn in der öffentlichen Diskussion immer wieder der Eindruck vermittelt wird, Gebäude würden für die Ewigkeit erstellt, sind Gebäude regelmässig zu unterhalten und zu erneuern. Dies wird etwa bestätigt durch so genannte Lebensdauertabellen, die von HauseigentümerInnen- und Mieterinnen-Verbänden gemeinsam herausgegeben werden. Gebäudehüllenbauteile – von Fenstern über Verputze bis zum Dach – haben je nach Ausführungsqualität und Materialwahl unterschiedliche Nutzungsdauern, zwischen 25 und 50 Jahren typischerweise. Wärmeerzeugungskomponenten haben in der Tendenz kürzere Nutzungszeiten. Es bestehen sicher Bandbreiten, mit Überschreitung der Nutzungsdauer werden zudem diese Bauteile nicht unbrauchbar, sondern in einer ersten Phase möglicherweise stör- und schadenanfälliger.
Dies führt dazu, dass es sehr unterschiedliche Strategien für den Werterhalt von Gebäuden gibt. So kann beispielsweise nur das ersetzt werden, was gerade defekt oder nicht mehr ansehnlich ist. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sowohl aufgrund der technischen Entwicklung als auch aufgrund der Gesetzgebung ein 1:1-Ersatz des ursprünglichen Bauteils häufig nicht möglich ist. Es werden somit einerseits ebenfalls Mehrwerte geschaffen, andererseits erfordern etwa die vom Gesetz verlangte Verbesserung der Wärmedämmeigenschaften von Aussenwänden oder Fenstern Anpassungen am Gebäude, die bei dieser etappierten Vorgehensweise zu suboptimalen Lösungen führen können. Eine solche Strategie ist daher voraussichtlich nicht nachhaltig.
Ein anderer Ansatz ist, umfassende Erneuerungen von Gebäuden, typischerweise nach 30 bis 45 Jahren Nutzungszeit, vorzunehmen. Dabei kann ein Quasi-Neubaustandard erreicht werden, und es können gleichzeitig Mehrwerte (wahrscheinlich meist beim Innenausbau) geschaffen werden. Das Gesetz besagt, dass 50 bis 70 Prozent der Kosten solcher umfassender Erneuerungen aus mietrechtlicher Sicht als Mehrwert gelten und zu Mietzinsaufschlägen berechtigen (die Werterhaltung ist demgegenüber bereits durch den Mietzins abgedeckt).
Bei solchen umfassenden Erneuerungen sind energetische Massnahmen integriert; es können dabei selbst weitgehende Energiestandards wie Minergie-P oder gar Minergie-A realisiert werden, immer auch in Kombination mit der ECO-Komponente. Dies hat einen Preis – die Erfahrungen zeigen allerdings, dass die energiemassnahmenbedingten Mehrkosten solcher umfassender Erneuerungen meist einen tiefen einstelligen Bereich der Gesamterneuerungskosten ausmachen, bei sehr speziellen Situationen ausnahmsweise auch gegen 10 Prozent (insbesondere dort, wo etwa auf Küchen- und Baderneuerungen verzichtet wird). Dies heisst aber auch, dass Mietzinsaufschläge aufgrund von energiebedingten Massnahmen höchstens 10 Prozent des Gesamt-Mietzinsaufschlages ausmachen können. Da Förderbeiträge etwa von Das Gebäudeprogramm wiederum nur einen Bruchteil der energiebedingten Massnahmenkosten ausmachen, sind diese Beiträge kaum ausschlaggebend, ob energiebedingte Massnahmen durchgeführt werden oder nicht. Ob derartige Förderbeiträge bei der Mietzinsfestlegung berücksichtigt werden oder nicht, ist somit ebenfalls eher ein psychologisches als ein ökonomisches Thema – und sicher keine Begründung für flankierende politische Massnahmen.
Längst bekannt ist, dass die Kosten umfassender Erneuerungen nicht durch die heute üblicherweise prognostizierten Energiekosteneinsparungen finanziert werden können – aber selbst in der begrenzten buchhalterischen Sicht nicht so finanziert werden müssen, weil einerseits direkte, meist aber auch nur zum Teil monetarisierbare Mehrwerte in die Überlegungen einbezogen werden müssten.
Wenn nun in den Medien Titel wie Energiewende auf dem Rücken der Mieter?, Versteckte Aufschläge nach Energiesanierungen, Wegen der Energiewende: Steigen unsere Mieten bald um 50 Prozent? oder Energiewende: Höhere Mieten wegen energetischer Sanierungen zu lesen sind, hat dies mit dem Sachverhalt nichts zu tun – das ist mediale Volksverdummung.
Denn: wahrscheinlich seit es Mietwohnungen gibt, bestehen gesellschaftspolitische Auseinandersetzungen zwischen MieterInnen und VermieterInnen über die «richtigen» Mietzinsen und den Umgang mit der Werterhaltung und der Wertvermehrung. Diese aufgewärmten Geschichten als Argument gegen die Energiepolitik zu verwenden, ist Anti-Klimaschutz-Propaganda.