Zu den Volksabstimmungen vom 24.2.08: Demokratie an ihren Grenzen

Wenn zentrale Fragestellungen wie die Unternehmensbesteuerung mit einem Zufallsmehr entschieden werden, wenn bei ökologischen Fragestellungen fragwürdige Aussagen des Verteidigungsministers den Ausschlag geben, wenn bei der Ansiedlung einer ökologisch orientierten Denkwerkstatt kleinliche Steuerfuss-EgoistInnen mit ebenfalls einem Zufallsmehr eine Abstimmung gewinnen: dies sind Hinweise, dass die Demokratie an ihre Grenzen kommt.

Demokratien brauchen Mehrheiten. Die Frage ist dabei, wie deutlich solche Mehrheiten zu sein brauchen. Damit Demokratien dauerhaft sind, braucht es insbesondere bei Sachentscheiden einen regelmässigen Interessenausgleich. Nicht nur in der Schweiz zeigt sich immer mehr die Tendenz, dass Entscheide – sowohl Sach- wie Personalentscheide – sehr häufig knapp ausfallen. Auf Dauer ist dies schlecht für Demokratien, weil dann grosse Bevölkerungsanteile nicht in den Interessenausgleich einbezogen sind.

Die Unternehmenssteuerreform behauptet, KMUs zu bevorzugen. Unabhängig davon, ob dies zutrifft (da viele KMU gegen diese Vorlage waren, ist dies zumindest fraglich): es ist aus Erfahrung schlecht, wenn der Staat einzelne gesellschaftliche Gruppen bevorzugt! Die Landwirtschaft, während Jahrzehnten von der Politik mit Subventionen und so weiter gehätschelt, wurde dadurch geradezu zu Boden gefahren. So wurde beispielsweise die natur-, umwelt- und menschengerechte Landwirtschaft verschlafen, auch wurde eine Landwirtschaftspolitik gepflegt, die mehr auf Sentimentalitäten als auch dauerhafte Ueberlebensfähigkeit der Landwirtschaftsbetriebe ausgerichtet war. Jetzt hat die Politik mit den KMUs ein neues Steckenpferd gefunden – wenn das nur gut ausgeht. Der knappe Entscheid der Stimmberechtigten, gerade auch zum Beispiel im Wirtschaftskanton Zürich, ist ein Hinweis darauf, dass die Politik ihre Hausaufgaben nicht wirklich gemacht hat.

Kampfjet-Training ausgerechnet in Tourismusgebieten – das macht wenig Sinn. Insbesondere die Direktbetroffenen in den Startgebieten der Flugzeuge und etwas weniger ausgeprägt die StädterInnen als potentielle KundInnen der Tourismusgebiete haben die Initiative unterstützt. SVP-Bundesrat hat es geschafft, dieses harmlose Volksbegehren zu einem Plebiszit über die Luftwaffe umzuinterpretieren. Was längst klar ist: Kampfflieger haben mit Friedenssicherung nichts zu tun – ein Staat wie die Schweiz würde besser daran tun, eine aktive, auf Deeskalation aufbauende aktive Friedens- und Konfliktlösungspolitik zu betreiben, statt mit dem Betrieb einer übermässig starken Luftwaffe zu signalisieren, dass auch die Schweiz nach wie vor davon ausgeht, dass Gewalt ein legitimes Mittel zur Konfliktlösung ist. Diese Haltung erschreckt. Wenn Bundesrat Schmid behauptet, dass es die Tourismusgebiete als Uebungsgebiete der Armee braucht, ist dies dumm. Tourismusgebiete dienen auch der Erholung, und es ist längst bekannt, dass gerade Fluglärm den Erholungswert erheblich einschränkt. Wer sich wirklich erholen will, wird zukünftig die vom Kampfjetlärm geplagten Gegenden meiden – und dies dürfte kaum im Interesse der Tourismusförderung sein (ein kleines Beispiel: warum müssen ausgerechnet an einem Montagnachmittag während der Zürcher Sportferien F/A-18-Kampfflugzeuge ihre lärmigen Runden über dem Eggishorn drehen, warum muss ein übermässig lautes Zieldarstellungsflugzeug der Schweizer Armee flugtechnisch unnötige Akrobatikbewegungen im Weltnaturerbe Aletsch ausführen?

Der Club of Rome ist eingestandenermassen ein etwas spezieller Club. Mitglieder sind gekrönte Häupter, WissenschafterInnen, UnternehmensführerInnen, PolitikerInnen – der Betrieb dieses Clubs dürfte für die Mitglieder dieses Clubs durchaus aus der Portokasse zu begleichen sein. Wenn der Wechsel des Clubsekretariats von Hamburg nach Zürich von der öffentlichen Hand unterstützt hätte werden sollen, dann ist dies ein symbolisches Zeichen: die Oeffentlichkeit hat ein Interesse daran, was dieser Club an Fragestellungen aufwirft. Der Bericht „Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome beispielsweise hat epocheprägende Eigenschaften; gerade die sehr aktuellen Neufassungen zeigen, dass die Grundaussagen nicht widerlegt sind.

Wenn nun die EgoistInnen-Abspaltung PFZ der EgoistInnen-Partei SVP mit ihrem Referendum gegen die finanzielle Unterstützung des Club of Rome zufällig Erfolg hatte, ist dies – angesichts aktueller Diskussionen wie Sozialmissbrauch und Steuerhinterziehung – in erster Linie ein finanzpolitischer Fingerzeig. Dies lässt sich aus den Abstimmungsergebnissen des Wochenendes schlüssig herleiten. Es gibt eine eindeutige Korrelation mit dem Abstimmungsergebnis zur Initiative gegen den Kampfjetlärm: je höher der Anteil Ja-Stimmen zu dieser Initiative, desto höher auch der Ja-Anteil zum „Club of Rome“-Kredit. Die ökologische Qualifikation des Club of Rome (und damit indirekt die Glaubwürdigkeit der städtischen Umweltpolitik) ist unbestritten. Im Gegensatz dazu besteht allerhöchstens ein schwacher Zusammenhang zur Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform – es gab also unabhängig von der finanzpolitischen Haltung Nein-Stimmen zur „Club of Rome“-Vorlage!

Schade, dass finanzpolitische Anliegen auch den Zürcherinnen und Zürchern mehr bedeuten als das Schaffen von Freiräumen für eine Organisation, die der globalen Umweltpolitik bedeutende Impulse vermittelt!


Nachtrag 21. April 2008

Der Club of Rome zieht nach Winterthur! Schön für Winterthur – hoffentlich ein Denkzettel für die EgoistInnen der Partei gegen Zürich. Die privaten SponsorInnen Robert und Ruth Heuberger – Verwaltungsrat-Präsident und -Vizepräsidentin der SISKA Heuberger Holding AG haben sich bis anhin kaum für ökologische Anliegen eingesetzt. So hat etwa Herr Heuberger betont, er habe die Einkaufszentren in seinem Portfolio mit sehr vielen Parkplätzen gebaut, bevor der VCS dagegen Einsprache erheben konnte. Auch sucht man etwa in der Gebäudeliste von Minergie vergeblich nach dem Eintrag „SISKA“. Es bleibt zu hoffen, dass die zukünftigen Impulse des Club of Rome aus Winterthur nicht nur die Immobilienunternehmung SISKA zu ökologischen Höchstleistungen beflügeln, sondern die gesamte Immobilienbranche!