Beliebigkeits-Wunschkonzert im Ständerat

Welche Ziele hat die Schweiz als Nation, als Gesellschaft? Auf der politischen Ebene wird dies durch die Legislaturplanung vorgegeben.

Vor vier Jahren ist es dem Parlament nicht gelungen, eine kohärente, mehrheitsfähige Legislaturplanung zu schaffen – deshalb gab es schlicht keine! Um dieses Debakel zu vermeiden, wurde das Verfahren für diese Legislatur geändert: es gibt keine Gesamtabstimmung mehr! Dies öffnet Raum für Spezialegoismen und lässt die „Global Goals“, die gemeinsamen Ziele, einmal mehr vergessen.

Der Ständerat hat am 28. April über diese Auslegeordnung diskutiert. „Road Pricing“ ist – vielleicht hängt es mit den mangelnden Frühenglisch-Kenntnissen auch des Ständerates zusammen – in diesem Land eine klassische „Black Box“: viel wird hineingestopft, und aus dem Konkordanztopf kommt etwas ziemlich undefiniertes hinaus – da wäre es nichts als klug, einfach mal zu klären, was dieser Begriff meint und ob es allenfalls schlau wäre, diese Worthülse auf den Misthaufen der Geschichte zu werfen (siehe auch hier). Nun, ein einziger Mann in diesem Land will dies nicht, Ständeratspräsident Christoffel Brändli von der SVP will sogar das Denken über diesen Begriff nicht – und darum wird jetzt Road Pricing in Bern zum Tabuthema erklärt!

Es geht weiter mit dem ständerätlichen Beliebigkeits-Wunschkonzert: Im 5. Abschnitt der Legislaturplanung hat der Bundesrat unter dem Titel Die Ressourcen nachhaltig nutzen das Ziel 11 Energieversorgung sicherstellen vorgeschlagen, und zur Konkretisierung als Punkt 53 die Umsetzung der Energiestrategie.

Der Ständerat hat daraus ein echtes Wunschkonzert gemacht:

  • 53. Energieeffizienz verstärken: Energie sparen dank Effizienzsteigerung
  • 53bis. erneuerbare Energien, insbesondere Wasserkraft, fördern
  • 53ter. Standortentscheid für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle spätestens bis 2010
  • 53quater. Schaffung der Voraussetzungen zum Ersatz von einem bis zwei KKW nach dem Stand der Technik
  • 53quinquies. Genehmigung von Gaskombikraftwerken nur bei vollständiger CO2-Kompensation im Inland

Ein Teil davon macht durchaus Sinn. 53 und 53quater beissen sich allerdings: wenn tatsächlich Energie (auch Strom!) gespart wird, braucht es schlicht keine Grosskraftwerke. Und Atomkraftwerke verbrauchen das eingesetzte Uran unwiederbringlich – von Nachhaltigkeit kann selbst in einer sehr weichen Sichtweise keinesfalls die Rede sein. Aber eben, hier haben die StänderätInnen diskutiert, und diese vertreten vor allem Kantonsinteressen: die meisten Kantone sind Aktionäre bei Kraftwerksgesellschaften mit Atomkraftwerken. Nur: die KundInnen wollen das gar nicht!

Es wird spannend sein, wie der Nationalrat mit diesem Beliebigkeitswunschkonzert umgeht – die Einigungskonferenz wird es sicher brauchen…