Demokratie braucht Glaubwürdigkeit

Wer hat am 12. Juni 2009 die iranischen Präsidentschaftswahlen gewonnen? Und gab es massiven Wahlbetrug, wie dies an diversen Orten vermutet wird. Selbst eine Nachzählung wird hier keine Klarheit schaffen können. Entscheidend ist: sowohl ein beachtlicher Teil der Wählerschaft im Iran als auch die Weltöffentlichkeit traut es dem bisherigen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad und seinem Umfeld zu, das Wahlergebnis beeinflussen zu können (und dies auch zu wollen)! Das politische System im Iran hat somit zumindest derzeit keine demokratische Glaubwürdigkeit!

Einer der zentralen Ausgangspunkte für die „Wende“ in der früheren DDR waren die Kommunalwahlen im Mai 1989: es gab glaubwürdige Hinweise auf Wahlfälschungen im erheblichen Ausmass, die Regierung wurde von Tag zu Tag unglaubwürdiger. Die weiteren Entwicklungsschritte ergaben sich nach dem klassischen Spruch „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“ – da konnte die gesamte staatliche Repression auf Dauer keinen Stopp der Protestbewegung bewirken.

Zwar haben es die politischen Gruppen um den bisherigen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinejad – durchaus vergleichbar mit der populistischen SVP in der Schweiz – geschafft, durch die Ausnutzung der Käuflichkeit verschiedener Wählergruppen eine sicher scheinende Mehrheit für ihr Programm des islamischen Gottesstaates zu gewinnen. Offenbar gibt es Hinweise darauf, dass trotzdem versucht wurde, unlauteren Einfluss auf den Wahlausgang zu nehmen. Die bisherigen Reaktionen sowohl von Mahmud Ahmadinejad als auch des obersten geistlichen Führers des Irans, Ayatollah Ali Khamenei, lassen klar erkennen, dass der Machtelite die Diskussionen um das Wahlergebnis egal sind – dies erschüttert das Vertrauen in die Mächtigen definitiv. Und selbst eine Nachzählung nach dieser langen Zeit ist dermassen manipulieranfällig, dass dieser Vorgang zum Vorneherein eine Farce darstellt.

Echte Wahlverlierer können, selbst wenn sie berechtigterweise schlechte Verlierer sind, ein glaubwürdiges Ergebnis einer Wahl akzeptieren – der frühere amerikanische Vizepräsident Al Gore, von der Volksmehrheit eigentlich zum Präsidenten gewählt, hat durch seinen Verzicht auf die weitere Beanspruchung von Rechtsmitteln die Glaubwürdigkeit des nachmaligen Präsidenten George W. Bush derart erschüttert, dass dieser Vertrauensverlust auch zu einem Handlungsverlust des Präsidenten führte – er war während langen Jahren „Lame Duck“ – dies hat den Raum geschaffen für einen neuen, glaubwürdigen US-Präsidenten, Barack Obama: 8 Jahre hats gedauert, aber umso willkommener ist das neue Politklima. Es ist davon auszugehen, dass die Weiterführung des Mandates von Mahmud Ahmadinejad in einiger Zeit (ohne Prognosejahr) zu einer schnellen Ablösung führen wird – es ist zu hoffen, dass es wie beim „Schluss“ der DDR zu einer „friedlichen“ Revolution kommen wird.


Nachtrag 27.6.09

Wenn wie derzeit im Iran offizielle oder parastaatliche Organisationen Menschenrechte verletzten, Menschen töten, um missliebige Meinungen zu unterdrücken, zum Schweigen zu bringen, so ist dies unerträglich, unakzeptabel. Jeder Mensch auf dieser Erde muss sich nach der goldenen Regel der Ethik gegen derartige massiven Verstösse gegen Grundsätze des Menschenrechts wehren – völlig unbeeindruckt davon, ob dies den Machthabenden passt oder nicht.

Es entspricht der Praxis der „Good Governance“, dass bei Wahlen WahlbeobachterInnen aus dem Ausland ohne Einschränkungen in alle Wahl- und Abstimmungsvorgänge Einblick nehmen können. Demokratie ist ein Prozess, der dauernde Verbesserung erfordert, der aber auch massgeschneidert zu sein braucht. Als ein Beispiel: WahlbeobachterInnen, die die Schweiz besuchten, haben sich gewundert, dass Schweizerinnen und Schweizer das Einreichen der Abstimmungscouverts auf dem Postweg akzeptieren. Für die SchweizerInnen gilt die Schweizerische Post also mindestens als gleich zuverlässig wie das Abstimmungssystem.

Wenn die Machthabenden eines Staates nicht bereit sind, das Abstimmungs- und Wahlsystem ausländischen ExpertInnen offenzulegen, ist dies ein Hinweis darauf, dass sie beabsichtigen könnten, manipulative Eingriffe in die Wahl- und Abstimmungsvorgänge zu unternehmen; jede nachträgliche Überprüfung des Wahlergebnisses ist eine Farce, und es ist deshalb nachvollziehbar, dass eine solche von den unterlegenen Kandidaten abgelehnt wird. Oder anders: eine von ausländischen ExpertInnen beobachtete Wahl dient der Steigerung der Glaubwürdigkeit. Der iranische Staat ist nicht bereit, ausländische WahlbeobachterInnen zuzulassen – damit verschärft der iranische Staat sein Glaubwürdigkeitsdefizit bei den eigenen StaatsbürgerInnen – dies kann auf Dauer nicht gutgehen. Es bleibt zu hoffen, dass die systematische Verletzung der Menschenrechte, das unerträgliche Töten von Menschen, die sich für eine glaubwürdige Demokratie einsetzen, sofort beendet wird. Denn: sogar Schiiten berufen sich auf die goldene Regel der Ethik!

Erste Fassung 20.6.2009