Unwetter-Stimmung in der Umwelt- und Klimapolitik?

Weil in den letzten Jahrzehnten viel zu wenig für den Schutz des Klimas getan wurde, befinden wir uns in einer Klimakrise. Weil dies immer offensichtlicher wird, reagieren gewisse Kreise der Menschheit mit einer eigentlichen Unwetter-Stimmung. Was ist zu tun, um diese Unwetter-Stimmung abzulegen und viel mehr gegen die Klimakrise zu tun?

Wir alle …

Es gibt nicht die Schuldige oder den Schuldigen für die Klimakrise – «wir alle» sind es. Jeder auf diesem Planeten lebende Mensch trägt mehr oder weniger viel zur Klimakrise bei. Und jeder auf diesem Planeten lebende Menschen kann einen Beitrag gegen die Klimakrise leisten.

Eigentlich ist es wie mit den Steuern. «Wir alle» tragen mehr oder weniger zum Steueraufkommen bei. Verbreitet ist dabei die Stimmung, dass viele finden, sie seien stärker als andere von den Steuern belastet und würden gleichzeitig weniger als andere von den Steuern profitieren. Immer stärker verbreitet sich eine meritokratische Grundhaltung, Anrecht auf sehr vieles zu haben. Grundlegende Elemente der Ethik werden dabei ignoriert, etwa der aus dem kant‘schen oder kategorischen Imperativ abgeleitete Vorgabe der gleichen oder zumindest vergleichbaren Ansprüche. Wenn bekannt ist, dass die bei der Verbrennung fossiler Energieträger entstehenden Treibhausgase zu einer eigentlichen Klimaerhitzung mit unabsehbaren Folgen auf die Lebensmöglichkeiten aller Menschen führen, ist raschestmöglich auf diese fossilen Energieträger zu verzichten.

«Wir alle» – da ist jeder Mensch nicht nur mitgemeint, sondern gemeint. Insbesondere funktioniert «ich tue erst etwas, wenn alle anderen auch etwas tun» nicht, weil dies zu einer eigentlichen Blockade führt. «Ich tue, was ich tun kann – und lade andere dazu ein, es auch so oder ähnlich zu tun» ist der einzig erfolgsversprechende Ansatz.

Eine Möglichkeit zeige ich mit dem Vorabzug von «Plan W. 2039 – wir alle wollen».

Nach dem Nein zum völlig ungenügenden CO2-Gesetz

Wäre es am 13. Juni 2021 zu einem Ja der Schweizerischen Stimmberechtigten zum völlig ungenügenden CO2-Gesetz gekommen, hätte bereits am Abend die Diskussion über eine weitere kräftige Verstärkung der Klimapolitik der Schweiz beginnen müssen. Nach dem Nein ist die Situation somit nicht wesentlich anders – die Dringlichkeit ist noch höher, und die «Unwetter»-Stimmung wegen des Demokratieversagens könnte lähmend wirken.

Auch wenn es andere Behauptungen gibt, so richtig mit Herzblut haben sich sehr wenige Menschen für dieses völlig ungenügende CO2-Gesetz eingesetzt – «Ja, aber …» war noch nie sehr motivierend. Die Fossil-Lobby hat mit der Finanzierung der $VP-Lügenkampagne neue Massstäbe der real existierenden Monekratie aufgezeigt, und der Heizöl- und Erdgasverein (HEV) hat klar gegen die Interessen der Hauseigentümerschaften und damit auch gegen die Mieterschaft agiert. Es gibt sicher Anteile der Bevölkerung, die wegen des völlig ungenügenden Klimaschutzes gegen das CO2-Gesetz gestimmt haben oder nicht an der Abstimmung teilgenommen haben. Auffällig ist, dass insbesondere die Stimmberechtigten der Städte mit eigenständiger und teilweise langjähriger Klimapolitik hohe Ja-Anteile in der Abstimmung bewirkt haben.

Eigentlich gibt es nur die Option, ein wesentlich ambitiöseres CO2-Gesetz zu entwerfen und zur Abstimmung zu bringen. Spannend wird die Frage sein, ob es tatsächlich nötig ist, klimafreundliche Entscheide zu belohnen respektive zu subventionieren. Hier dürfte es sich rächen, dass es seit Jahrzehnten nicht gelungen ist, Kostenwahrheit im Energiemarkt einzuführen.

Die Anwendung fossiler Energieträger führt in erheblichem Umfang zu direkten und indirekten Kosten, die nach wie vor durch die Öffentlichkeit getragen werden. Spannend etwa, dass die Informationen über die ungedeckten Kosten im Verkehr – mit den drei drei grössten Quellen Luftverschmutzung, Lärmbelastung und Folgen des Klimawandels – erst nach der Abstimmung veröffentlicht wurden.

Der Vollständigkeit halber: die Bundesverfassung verpflichtet die Schweiz zu einer nachhaltigen Entwicklung. Dazu gehören ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. Nach wie vor dominieren in der Politik die kurzfristig und damit kurzsichtig angelegten Überlegungen zu finanziellen Auswirkungen. In Sachen Nachhaltigkeit besteht auch da erheblicher Nachholbedarf.

Es ist zu hoffen, dass es der Politik gelingt, die monekratisch orientieren Lügen-Kampagnen in den Griff zu bekommen. Zu beachten dabei: auch die Meinungsäusserungsfreiheit hat sich an den Fakten zu orientieren – Lügen welcher Art auch immer können nicht als Meinungen bezeichnet werden.

Klimaschutz und Klimaanpassung

Seit einiger Zeit ist offensichtlich, dass Klimaschutz (Mitigation) ergänzt werden muss mit Klimaanpassung (Adaptation).

Die starken Sturm-Hagel-Gewitter verbunden mit starken Regenfällen in der ersten Hälfte Juli 2021 haben einmal mehr gezeigt, dass auch hier eine Unwetter-Stimmung herrscht. Es ist offensichtlich, dass es immer noch nicht gelingt, Wetter und Klima verständlich zu differenzieren. Die Wissenschaft nennt schon länger verschiedene Auswirkungen der Klimakrise. Heisses Wetter verbunden mit Trockenheit zählt genauso dazu wie Starkregenphasen – lokal nicht gleichzeitig, auch nicht zwingend im gleichen Jahr. Und auch regional sehr unterschiedlich – etwa derzeit Nordamerika mit Hitze, Trockenheit und unterschiedlich ausgelösten grossflächigen Bränden, während in Mitteleuropa Überschwemmungen und ein eher zurückhaltender Sommer zu beobachten sind (Stand etwa Mitte Juli 2021).

Stärker als bisher ist in Öffentlichkeit und Medien die Attributionsforschung in die Diskussion einzubeziehen. In dieser Zuordnungsforschung geht es darum, den «möglichen Einfluss des Klimawandels auf extreme Wetterereignisse wie Dürren, Hitzewellen, Kälteeinbrüche und extreme Regenfälle» zu analysieren.

Wir wissen, was zu tun ist – System Change zwingend!

Weg von den fossilen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien ist eine schon lange bekannte Strategie zur Reaktion auf die Klimakrise. Dies ist eine echte Herausforderung – in der Formulierung des Weltklimarates IPCC vom Oktober 2018 wird dies konkretisiert: Limiting global warming to 1.5 °C would require rapid, far-reaching and unprecedented changes in all aspects of society, the IPCC said in a new assessment. [Um den Klimawandel auf 1.5 °C zu begrenzen, sind schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft erforderlich.] Dies braucht einen System Change – oder anders, es sind viele Dinge des täglichen Lebens betroffen, die heute als «nützlich, normal und notwendig» gelten. Auch bei liebgewordenen Gewohnheiten sind Veränderungen erforderlich!

Wir wissen, was zu tun ist. Ich verzichte hier auf Copy-Paste von Massnahmenlisten. Die Verlinkungen solcher Sammlungen ist demgegenüber weiterführend.

Ende Juni 2021 hat der deutsche Bürgerrat Klima die Ergebnisse der mehrwöchigen Arbeit von 160 zufällig ausgewählten Männern und Frauen präsentiert. In den Ergebnissen sind 76 Empfehlungen für die Konkretisierung der Klimapolitik in den Handlungsfeldern Energie, Mobilität, Gebäude und Wärme, Ernährung und Instrumente der Transformation enthalten.

Die durch den Klimastreik verstärkte Klimabewegung hat den «Climate Action Plan CAP» ehrenamtlich erarbeitet, als «gemeinsames Projekt von jungen Klimastreikenden, Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus den verschiedensten Fachgebieten». Da gibt es einiges an Massnahmen zu lesen und umzusetzen: 9 sektorübergreifend, 28 zur Mobilität, 14 zu Gebäuden und Raumentwicklung, 7 zu Industrie und Dienstleistungssektor, 8 zur Energieversorgung, 33 zu Landwirtschaft und Ernährung, 3 zu negativen Emissionen, 11 zum Finanzsektor, 10 zur internationalen Zusammenarbeit und zur Klimafinanzierung, 11 zur Bildung und 3 zur Klimaanpassung – insgesamt 137 Massnahmen!

Wir alle haben genügend zu tun, und dies ab sofort. Oder anders: eine neue Öl- oder Gasheizung, ein neues Auto mit Benzin- oder Dieselmotor, regelmässig Fleisch in den Mahlzeiten – das ist alles Blödsinn! Und eben, es braucht Freiwilligkeit und Vorschriften. Und vor allem die klare Botschaft, dass so rasch als möglich auf die fossilen Energien zu verzichten ist.

Auto- und andere -Poser

Zur Unwetter-Stimmung gehören auch diverse Poser, nicht nur die Auto-Poser. Dröhnende Motoren, stinkende Auspuffe – dies wird immer offensichtlicher mit Absicht von einer mehr oder weniger grossen Minderheit vorgeführt. Einfach dies: Lärm ist auch ein Zeichen für wenig effiziente Energienutzung, Gestank für veraltete Technologien. Und wer nur leicht den Kopf schüttelt wegen derartigen Posereien, muss mit einem Stinkefinger rechnen.

Eine andere Form der Poserei lehnt den offensichtlich notwendigen «System Change» ab. Mit anderen Technologien – beispielsweise Wasserstoff, oder erneuerbaren Treibstoffen für den Flug- und Autoverkehr – werden Hoffnungen für weniger oder kleinere System Changes geweckt.

Ich weiss, Photovoltaik wurde von massgeblichen Kreisen lange belächelt – und spielt trotzdem eine immer bedeutendere Rolle bei der Energieversorgung. Als Kontrast dazu: Wasserstoff wurde in den letzten 40 Jahren regelmässig gehypt, passiert ist wenig. Zu klären sein wird, ob diesmal Wasserstoff der Versuch der bisher fossil dominierten Energiewirtschaft ist, weiterhin eine vor allem ökonomisch interessierende Rolle zu spielen – oder ob die Realität immer stärker der Übergang vom Produktions-/Konsum-Schema zu einem Prosumer-Ansatz ist (bei dem auch Wasserstoff eine gewisse Bedeutung haben könnte)!


Unwetter und Klimakrise haben durchaus gewisse Zusammenhänge – wenn es gelingt «wir alle» im Umgang mit der Klimakrise zu erreichen, hilft dies auch beim Unwetter!