5 Jahre Pariser Klimaschutz-Übereinkommen – Schweizer Klimapolitik muss kräftig zulegen

Probleme lösen oder den Umgang mit den Problemen zukünftigen Generationen überlassen? Nicht erst mit dem Rahmen der nachhaltigen Entwicklung ist offensichtlich, dass Probleme zu lösen und nicht zukünftigen Generationen abzuschieben sind. Bei der offiziellen Klimapolitik geht dieser Nachhaltigkeitsansatz einmal mehr vergessen.

«Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst 1.5 °C im Vergleich zu vorindustriellen Levels». Das haben die Staaten am 12. Dezember 2015 in Paris vereinbart. Was heisst dies konkret, Zitate aus Wikipedia:

Pfad 1:
Um das gesteckte 1,5°-Ziel erreichen zu können, müssen die Treibhausgasemissionen weltweit zwischen 2045 und 2060 auf Null zurückgefahren werden und anschließend ein Teil des zuvor emittierten Kohlenstoffdioxids wieder aus der Erdatmosphäre entfernt werden (Carbon Dioxide Removal). Erreichbar ist das gesteckte Ziel zudem nur mit einer sehr konsequenten und sofort begonnenen Klimaschutzpolitik, da sich das Zeitfenster, in dem dies noch realisierbar ist, rasch schließt (Stand 2015).

Pfad 2:
Soll das 1,5°-Ziel ohne Einsatz von «Carbon Dioxide Capture and Storage (CCS-Technik) erreicht werden, muss die Verbrennung fossiler Energieträger bis ca. 2040 komplett eingestellt werden und die Energieversorgung – d. h. Strom, Wärme und Verkehr – in diesem Zeitraum vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden.

Aus der Medienmitteilung des Bundesamtes für Umwelt BAFU «Klimaschutz: Fünf Jahre Pariser Übereinkommen»: ”bis 2050 will die Schweiz unter dem Strich gar keine Treibhausgasemissionen mehr ausstossen“. Das BAFU nennt hier die Formulierung der offiziellen Klimapolitik der Schweiz. Dies entspricht einem Teil des oben erwähnten Pfades 1. Das Verschweigen der Notwendigkeit des «Carbon Dioxide Removal» ist irreführend. Das Greenwashing des völlig ungenügenden CO2-Gesetzes Herbst 2020 ist ebenso irreführend.

Was es nicht besser macht: fast alle offiziellen Stellen fast aller Regierungen in den Ländern dieser Erde verhalten sich ähnlich! Nicht ohne Grund verlangt UN-Generalsekretär António Guterres die Ausrufung des Klimanotstandes.


Auf der Internet-Seite www.showqourbudgets.ch ist zu finden, was dies beiden Pfade für die Schweiz bedeuten.

Wenn die Schweiz ihren Beitrag zur Erreichung des 1.5°-Ziels ohne «Carbon Dioxide Removal» leistet will, sind bis 2039 Netto-Null-Emissionen mit einem linearen Absenkpfad zu erreichen. Da derzeit in der Schweiz pro Jahr etwa 43 Megatonnen CO2 ausgestossen werden, führt dies in den verbleibenden 20 Jahren zu Gesamtemissionen von etwa 430 Megatonnen CO2.

Soll die Null wie von der Politik derzeit verkündet erst 2050 erreicht werden, summieren sich die CO2-Emissionen zu etwa 667 Megatonnen CO2. Somit müssen dann so rasch als möglich in der Schweiz 237 Megatonnen CO2 aus der Atmosphäre entnommen werden – etwas mehr als die Menge von fünf Jahre mit heutigen CO2-Emissionen.


Ein vielfach genannter Ansatz für «Carbon Dioxide Removal» ist das Modell von Climeworks: Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre, angetrieben mit erneuerbaren Energien oder Abwärme, dauerhafte Lagerung des CO2 in mineralisierter Form in bestimmten Gesteinsformationen. Zu den Zahlen: derzeit ist climeworks daran, die Anlage Orca in Island zu realisieren. 4 Mio kg CO2 sollen dort pro Jahr zukünftig gelagert werden. 4 Mio kg CO2 – das sind 0.004 Megatonnen CO2.

Eine Abschätzung: wenn eine derartige Anlage 24 Jahre lang genutzt werden kann, werden dabei während der Nutzungszeit 0.1 Megatonnen CO2 der Atmosphäre entnommen. Sollen die 237 Megatonnen CO2-Überemissionen der Schweiz als Differenz zwischen Pfad 1 und Pfad 2 der Atmosphäre entnommen werden, braucht es dazu allein für die Schweiz 2’500 solcher Anlagen.

Die Untergrund-Mineralisation erfordert sehr ausgewählte Gesteinsarten, die eben nicht flächendeckend verfügbar sind, darum auch die Realisierung der Anlage in Island. Diese Lösung dürfte nicht verallgemeinerbar sein, und sie hinterlässt einen nicht vernachlässigbaren ökologischen Fussabdruck. Auch die Kosten sind relevant und erheblich.

Somit: derzeit sind mit «Carbon Dioxide Removal»-Ansätzen derart viele «Wenn» und «Aber» verbunden, dass mehr als fraglich ist, ob damit die Anforderungen gemäss Pfad 1 erfüllt werden könnten. Somit ist Pfad 2 – der raschestmögliche Ausstieg aus den fossilen Energien und der konsequente Übergang zu nachhaltig und dezentral nutzbaren erneuerbaren Energien – eindeutig zu bevorzugen. Einmal mehr: Herausforderungen bewältigen, Herausforderungen bewältigen, Herausforderungen bewältigen und erst in vierter Priorität Symptome bekämpfen. Also: Zuerst Ausstieg aus den fossilen Energien, erst dann auf «Carbon Dioxide Removal» setzen. Da allerdings der bisherige Umgang der Politik mit der Klimakrise «verheerend schlecht» ist, ist nicht auszuschliessen, dass «Carbon Dioxide Removal» einen gewissen Stellenwert erhalten dürfte – es macht sicher Sinn, daran zu arbeiten, verbunden mit der klaren Botschaft, dass es sich dabei um eine schlechte Alternative zu ernsthaftem Klimaschutz handelt.

Schon mehrfach wiederholt: Ein wirtschaftlich und sozial verträglicher Ausstieg aus der Kernenergie und der CO2-intensiven Energiewelt ist schon mit den heute bekannten technischen und finanziellen Mitteln grundsätzlich möglich … wenn wir wollen. (Schweizerischer Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF), 14. Januar 2020).