Green New Deal – was ist zu tun?

Bundesrat Moritz Leuenberger spricht von einem dritten Konjunkturpaket, welches nachhaltige Projekte enthalten werde, der grüne Nationalrat Bastien Girod schlägt einen Green New Deal vor, der allerdings weder neu noch grün ist. Was wäre denn zu tun?

Während die ganze Welt über mehr oder weniger nachhaltige Konjunkturprogramme nachdenkt, treffen sich die KlimaschutzpolitikerInnen im norwegischen Tromsø. Unter anderem mit einer alarmierenden Neuigkeit: statt wie in den letzten Jahren um jährlich 2 ppm stieg 2008 die CO2-Konzentration auf Spitzbergen um 2.5 ppm – alle Klimaschutzbemühungen dieser Welt führen derzeit also nicht wirklich zu einem nachweisbaren Beitrag zur Verminderung des menschgemachten Klimawandels, im Gegenteil!

Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass – Konjunktur hin, Konjunktur her – die durchschnittliche Welt auf zu grossen Füssen unterwegs ist, zu grosse ökologische Fussabdrücke hinterlässt.

Herr Leuenberger möchte beispielsweise die CO2-Abgabe schneller zurückerstatten – es geht im Jahr 2010 um 500 Mio Franken, die je hälftig an die Bevölkerung und die Wirtschaft zurückerstattet werden sollen. Tönt doch nach viel, oder? Ist es aber nicht: das macht pro Person in der Schweiz gerade mal etwa 35 Franken – pro Monat 3 Franken. Im übrigen Rückerstattet über die Krankenkassenprämien, die 2010 mit Sicherheit mehr als 35 Franken pro Person höher liegen werden als 2009. Als weder Konjunkturförderung nach Nachhaltigkeit. Oder anders: es braucht endlich eine echte CO2-Lenkungsabgabe, nicht so ein Pseudo-Instrument wie die aktuelle Version! Und dann soll erst noch ein Drittel der mageren CO2-Abgabe zweckgebunden für (energetische) Gebäudeerneuerungen Verwendung finden.

Herr Leuenberger möchte Sonnenkollektoren fördern, 80 Mio Franken für 20’000 neue Solardächer, also 4’000 Franken pro Anlage. Tja, leider haben diverse Untersuchungen gezeigt, dass es gar nicht die Fördergelder sind, die über „Sein oder Nicht-Sein“ einer Solaranlage entscheiden. Es sind ganz andere Faktoren, zum Beispiel bequeme Installateure, die Hauseigentümerschaften sogar von Solaranlagen abraten. Hier werden also mit Sicherheit zu nahezu 100 Prozent Mitnahmeeffekte abgedeckt, die Solaranlage wäre also auch ohne Fördermittel realisiert worden – einen wirklichen Impuls gibt es nicht. Und dann die alte Subventionsleier: Subventionen sind die beste Garantie dafür, dass Solaranlagen nicht wirklich billiger werden, denn alles, was subventioniert ist, darf ja einen hohen Preis haben, weil es der Politik dies wert ist.

Mit der oben erwähnten teilzweckgebundenen CO2-Abgabe sollen Gebäude energetisch verbessert werden. 200 Mio Franken pro Jahr sind vorgesehen – bei Investitionen in Unterhaltung und Erneuerungen von jährlich etwa 12 bis 14 Mia Franken, also etwas mehr als ein Prozent der Erneuerungsinvestitionen. Bitte, Herr Leuenberger, wo soll hier die Konjunkturwirkung sein? Zudem: bis anhin wurden die Energie-Einspareffekte im wesentlichen durch die Mengeneffekte (beanspruchte Wohnfläche pro Person) kompensiert.

Mitnahmeeffekt und eher symbolische Konjunkturauswirkung von sogenannten Konjunkturförderungsmassnahmen, das ist die Realität. Schlicht darum, weil Konjunkturmassnahmen ausschliesslich psychologische Wirkung haben, wie diverse Untersuchungen zeigen. Die Schwankungen der Konjunktur gehören zum Wesen der Konjunktur und sind ein Hinweis auf die Nicht-Nachhaltigkeit nicht nur der Finanzwirtschaft, sondern des gesamten Wirtschaftssystems.

Als erstes Fazit: Ein Green New Deal hat auf jegliche Konjunkturmassnahmen zu verzichten!

Bauten sind eine wesentliche Quelle des Ausstosses von Treibhausgasen. Gleichzeitig ist bekannt, dass – nicht nur in der Schweiz – ein eigentlicher Sanierungsstau besteht, die Eigentümerschaften investieren zu wenig in die Werterhaltung ihrer Liegenschaften; dies sind alle jene, die behaupten, sie könnten sich eine Erneuerung der Liegenschaft nicht leisten (die Werterhaltung ist zwingend aus Rücklagen während der Nutzungsphase zu finanzieren; für echte und angemessene Wertsteigerungen, und dazu gehören die meisten energetisch guten Lösungen) sind jederzeit Fremdmittel erhältlich. Die Übernutzung des Vermögens durch zu geringen Werterhalt ist zwar grundsätzlich durch die Eigentumsrechte abgedeckt. Andererseits handelt es sich dabei um eine nicht-nachhaltige Nutzung des Vermögens. Angesichts der technischen Lebensdauer von Standard-Bauten von etwa 40 bis 80 Jahren, also zwei bis drei typische Nutzungszyklen, ist anstelle von Subventionen eine zweckmässige Erneuerungsverpflichtung von Gebäuden – im Sinne einer Vermögensverwaltung – zu postulieren. Vorerst hat der Gesetzgeber Rückstellungen zu verlangen, die an das Gebäude und nicht an die EigentümerInnen gebunden sind, das heisst, diese Rücklagen wechseln bei einem Handwechsel ebenfalls. Nur schon mit einer jährlichen Rücklage von etwa 1 bis höchstens 1.5 Prozent des Gebäudeversicherungswertes kann eine angemessene Werterhaltung ermöglicht werden. In einem zweiten Schritt haben sich die Hypothekarbanken spätestens 25 Jahre nach dem Abschluss eines Hypothekarvertrages oder bei einem Handwechsel bei den EigentümerInnen nach den Bewirtschaftungsabsichten zu erkundigen. Ist 35 Jahre nach dem letzten grösseren, baubewilligungsrelevanten Bauvorhaben noch keine umfassende bauliche Massnahme zur Werterhaltung und Wertsteigerung der Liegenschaft ergriffen worden, hat die öffentliche Hand entsprechende Aufforderungen zu erlassen. Sollte zudem die Wohnfläche pro Person weiter ansteigen, ist eine vollumfänglich zurückzuerstattende Lenkungsabgabe auf Wohnraum zu erheben.

Gleiches gilt für die Wärmeversorgung der Bauten. In der Schweiz gibt es bereits für Neubauten maximal zulässige Werte für den Einsatz nicht-erneuerbarer Energien, im Kanton Zürich beispielsweise den §13a, Höchstanteil nicht-erneuerbare Energien, ebenfalls so in den Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn 2008) – derzeit beträgt dieser Höchstanteil 80 %, es ist ohne Probleme möglich, diesen Wert kontinuierlich abzusenken. Da der Zuwachs an Neubauten relativ bescheiden ist, reicht dies allerdings bei weitem nicht aus, um eine nachhaltige Wärmeversorgung der Bauten zu erreichen. Es sind entsprechende Vorschriften auch beim Gebäudebestand erforderlich: so rasch als möglich ist sowohl bei umfassenden baulichen Erneuerungen als auch beim Ersatz von Wärmeerzeugungsanlagen, zum Beispiel aufgrund der Luftreinhalteverordnung, ein Höchstanteil nicht-erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung von Gebäuden einzuführen. Oder anders: Bevor die kantonalen Mustervorschriften 2008 in allen Kantonen Gültigkeit erlangt haben, ist eigentlich bereits wieder eine Verschärfung erforderlich.

P.S. Warum Vorschriften? Erstens ist die Phase der Freiwilligkeit angesichts der Dringlichkeit des Klimaschutzes längst vorbei. Zweitens geht es um eine grosse Zahl von Bauten mit einer Vielzahl von AkteurInnen. In einer solchen Situation sind Vorschriften die einzig mögliche Form, weil jede andere Form – Stichwort beispielsweise Minergie -zwar die Zweckmässigkeit und den Nutzen betont, das (ethisch verlangte) Müssen aber nicht ansprechen kann oder will. Freiwilligkeit kann immer nur einen Teil der AkteurInnen ansprechen – und genau dies frustriert mit der Zeit jene, die nicht nur im Gebäudebereich, sondern beispielsweise auch im Verkehr freiwillig und eigenverantwortlich handeln – und trotzdem steigt der Energieverbrauch an, weil sich zu wenige freiwillig eigenverantwortlich handeln. Es ist zudem nicht einsehbar, warum technische Massnahmen, die dem bestverfügbaren Stand der Technik entsprechen, nicht generell, sondern nur selektiv eingesetzt werden sollen.

Ein ähnliches Thema ist der motorisierte Individualverkehr – schrötig und in der heutigen Form unnötig! Da nach wie vor neue Strassenabschnitte mit viel Pomp und Aufmerksamkeit in Betrieb genommen werden, betreibt der Staat nach wie vor Marketing für den motorisierten Individualverkehr (MIEF). Es gibt nur eine Möglichkeit: ab sofort wird nur noch reine Werterhaltung am Strassennetz betrieben. Vorgenommen werden allenfalls Lärmschutzmassnahmen an der Quelle (Reduktion der Geschwindigkeit und der Fahrzeugmenge) und sicherheitsverbessernde Massnahmen (z.B. Abtrennung von Velowegen durch Verschmälerung der Fahrspuren der Fahrspuren des MIEF). Ebenso wird im gesamten Strassensystem der öffentliche Verkehr bevorzugt. Nach 10 Jahren wird damit begonnen, die Verkehrsflächen für den MIEF (also ohne Langsamverkehr) jährlich um mindestens ein Prozent zu vermindern, bis 2/3 des Ausgangswertes erreicht werden. 40 Prozent der Wohnquartiere werden bis zum Jahr 2020 ausschliesslich für BewohnerInnen ohne eigenes Auto reserviert, mit regelmässig steigenden Anteilen alle 5 Jahre. Da der öffentliche Verkehr bereits hervorragend ist, ist ein weiterer Ausbau nicht erforderlich. Damit wird ebenfalls ein verkehrspolitisches Signal vermittelt: Sein ist wichtiger als Verkehr!

Auf sämtliche Energieträger – also auch die Erneuerbaren – ist eine stark lenkende und vollumfänglich zuerückerstattete Energieabgabe zu erheben. Importierte Güter sind entsprechend ihrem Primärenergieanteil an der Grenze zu belasten, exportierte Güter sind dementsprechend an der Grenze zu entlasten – der Bilanzbetrag ist ebenfalls in die Rückerstattungskasse der Energieabgabe einzubeziehen. Zu überlegen ist, ob bei Importen die Fairtrade-Aspekte ebenfalls als Lenkungsabgabe einzubeziehen sind.

Da derartige Veränderungen zu einer drastischen Veränderung der ökonomischen Situation führen, sind diese erheblichen Eingriffe zu verbinden mit der unbedingten Existenzsicherung mittels eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle.

Diese Vorschläge stellen erste Ideenskizzen für einen echten „Green New Deal“ dar. Auch zur Illustration, dass eine Ansammlung beliebig vieler Subventionsbeispiele schlicht nichts mit grüner, nachhaltiger Politik und erst recht nichts mit „neu“ zu tun hat!