Kommentar nach der Volksabstimmung vom 7. März 2021

In meiner Abstimmungsempfehlung für die Volksabstimmung vom 7. März 2021 habe ich bei den Vorlagen von Bund und Kanton für sieben Nein plädiert – die Stimmberechtigten haben sich allerdings für sechs Ja und nur ein Nein entschieden. Ich bin also einer der Verlierer dieses Abstimmungswochenendes – und sollte daher allenfalls eher schweigen. Ich erlaube mir trotzdem einige Kommentare.

Zuerst zur Stimmbeteiligung. 51.3 Prozent der Stimmberechtigten haben an der Abstimmung teilgenommen – knapp über der Hälfte, aber im Vergleich mit früheren Abstimmungen ein beachtlicher Anteil. An den drei Abstimmungen vor dem Pandemie-Unterbruch haben sich im Mittel etwa 41 Prozent der Stimmberechtigten beteiligt. An den drei Abstimmungen nach dem Pandemie-Unterbruch beteiligten sich im Mittel 52.6 % der Stimmberechtigten. Ob dies wohl tatsächlich ein Effekt der Pandemie-Langweile ist, oder ob es an der Zahl der zur Abstimmung gelangenden «brisanten» Vorlagen liegt?

Ein deutliches Nein legten die Stimmberechtigten zur eID ein – sie wollen offenbar keine von privaten Unternehmen angebotene elektronische Identität. Die Kantonsergebnisse reichen von einem Nein-Anteil von etwa 59 Prozent bis zu einem solchen von 70.69 Prozent, mit im Mittel 64.36 Prozent Nein-Anteil. Da braucht es keinen grossen Interpretationsspielraum – das ist ganz einfach ein Auftrag an den Bund, eine moderne eID-Lösung in der Hoheit des Staates zu schaffen. Ein weiterführender Kommentar dazu aus der Republik von Adrienne Fichter: Ctrl-Alt-R – Sieg der Nerds.

Das Ja der Stimmberechtigten zur Burka-Initiative des Egerkinger-Komitees zeigt eine Bandbreite der kantonalen Ergebnisse von 60.65 Ja-Prozenten bis zu 59.39 Nein-Prozenten – das Schlussergebnis mit einem Ja-Anteil von 51.21 Prozent hat somit einen gewissen zufälligen Charakter. Da bestehen offenbar diverse (Meinungs-)Blasen, was eine deutliche Distanz zu Fakten offenlegt. Eine plurale Gesellschaft hat durchaus gute Seiten, anderseits wäre gerade bei derartigen Fragestellungen ein gewisser gesellschaftlicher Konsens angebracht. Es bleibt dabei: Bekleidungsvorschriften haben schlicht nichts in der Verfassung zu suchen.

Noch breiter ist die Bandbreite beim Entscheid der Stimmberechtigten über das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Indonesien: die kantonalen Ergebnisse reichen von 62.67 Ja-Prozenten bis zu 65.87 Nein-Prozenten; auch hier ergibt sich auf nationaler Ebene ein eher zufällig anmutender Ja-Anteil von 51.65 Prozent. Somit bestehen bei den Stimmberechtigten erhebliche Zweifel über den tatsächlichen Zweck und die tatsächlich zu erwartende Wirkung des Abkommens. Dies sollte vor allem Auswirkungen haben für die Vermittlung der tatsächlichen Substanz derartiger Abkommen bei weiteren Abstimmungen.

Im Kanton Zürich ist zur Kenntnis zu nehmen, dass die Stimmberechtigten in erheblichem Umfang an der Redlichkeit der Sozialhilfebeziehenden zweifeln; dies ist allenfalls ein Hinweis darauf, dass die Sozialhilfe eher schwach ausgestaltet ist. Aus Sicht eines Abstimmungsverlierers bestehen erhebliche Zweifel, ob im Kanton Zürich die Bundesverfassung respektiert wird, etwa bei der Umsetzung der  Vorgabe «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich».

Von 57.16 Prozent Ja-Anteil bis zu einem Nein-Anteil von 70.52 Prozent variieren die Bezirksabstimmungsergebnisse bei der Volksinitiative «Bei Polizeimeldungen sind die Nationalitäten anzugeben» (kantonales Ergebnis 56.25 Nein-Prozente). Beim (angenommenen) Gegenvorschlag variieren die Bezirksergebnisse von 62.84 Ja-Prozenten bis zu 53.58 Nein-Prozenten. Da besteht offensichtlich eine Stadt-Land-Blase. Zur Prävention von polizeimeldungs-relevanten Sachverhalten trägt der angenommene Gegenvorschlag kaum bei.

Einmal mehr: bei den vier Sachvorlagen in der Stadt Zürich ergaben sich sehr deutliche Ja-Anteile (was auch meiner Abstimmungsempfehlung entspricht).