Gewalt ist untaugliche Strategie: weder Verurteilung zum Tod noch Krieg!

Die USA und Grossbrittanien stehen an der Spitze einer gewalttätigen Streitmacht, die seit März 2003 militärisch im Irak tätig ist. Dieser Krieg wurde im wesentlichen mit Lügen (beschönigend falsche Geheimdienstinformationen), insbesondere der USA, begründet. Es handelte sich um den Versuch, mit Gewalt eine generell als politisches Problem anerkannte Situation zu bereinigen (die allerdings durch die USA mitverursacht wurde): ein unerträglicher Diktator prägte das Geschehen.

Am 5. November 2006 hat ein irakisches Sondergericht in einem wahrscheinlich gar nicht fair führbaren Prozess den früheren irakischen Diktator Saddam Hussein zum Tod verurteilt. Ein solcher Entscheid ist in keiner Situation akzeptabel. Die Tötung eines Menschen ist nicht etwa eine Strafe (auch wenn der falsche Begriff „Todesstrafe“ durchaus gängig ist), sondern eine plumpe Rache, bei der einer Person das Gleiche oder Schlimmeres antut, das sie selber getan hat. Die Tötung eines Menschen im Rahmen eines Strafverfahrens ist nicht anderes als die Uebertragung der Gewaltanwendung auf den individuellen Bereich. Gewaltanwendung ist eine dauernd drehende Spirale – jede Gewaltanwendung führt zu einer Eskalation, zu noch mehr Gewalt – gerade das Beispiel Irak zeigt, dass Gewalt in keiner Art und Weise Probleme lösen kann, sondern die Probleme verschärft und einen Teufelskreis anwirft. Wenn sich der Staat an Tätern rächt, stellt er sich letztlich auf die gleiche Stufe wie die Täter, die gegen die Menschenrechte verstossen haben.

Verzicht auf Rache (und damit sehr direkt Verzicht auf Gewaltanwendung) ist eine Grundvoraussetzung, um menschlich verträgliche Problemlösungsstrategien umsetzen zu können. Statt Rache braucht es Langmut und Barmherzigkeit, braucht es zwar eine Bestrafung, die sich aber am Prinzip der Wiedergutmachung und der Verbesserung orientiert – dies setzt allerdings Selbstachtung voraus.

Wer Krieg führt, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dieser Selbstachtung nicht in der Lage, weil Gewalt beispielsweise dazu führt, dass der primitive Selbsterhaltungstrieb wesentlicher stärker ausgeprägt ist als übliche menschliche Tugenden, zum Beispiel die Fähigkeit der Vergebung. Nur durch Vergebung ist es möglich, den Teufelskreis von Gewalt, Rache und Hass zu überwinden. Richten über Gewalttäter sollten also nur Menschen, die nicht Teil dieser Gewaltspirale sind, weil im Rahmen der Gewaltspirale keine gerechten Urteile möglich sind – Gerechtigkeit heisst, dass sowohl Opfer (oder deren Nächste) wie TäterIn Rache- und Hassgefühle überwinden können und ihren Beitrag zur Wiedergutmachung und zur Versöhnung leisten können. „Todesstrafe“ ist Mord und Verstoss gegen den Grundgedanken der Menschenrechte!

Ein nicht an Rache orientiertes Urteil müsste eine Täterschaft – und sei dies ein unmenschlicher Diktator wie Saddam Hussein – dazu bringen können, ernsthafte Beiträge zur Wiedergutmachung zu leisten und damit die Opfer oder deren Nächsten dazu einladen zu können, den Hass abzulegen und die Taten zu vergeben. Echte Hilfestellung könnte dabei der Weltethos von Hans Küng leisten: der Weltethos postuliert die Verpflichtung auf 8 Grundhaltungen:

  • Verpflichtung auf eine Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben 
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Solidarität und eine gerechte Wirtschaftsordnung
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Toleranz und ein Leben in Wahrhaftigkeit
  • Verpflichtung auf eine Kultur der Gleichberechtigung und die Partnerschaft von Mann und Frau

Anstelle plumper Rache wäre es zwingend erforderlich, dass sich die internationale Gemeinschaft Gedanken darüber macht, welche Urteile in Gerichtsverfahren gerecht sind und gleichzeitig der Wiedergutmachung und der Versöhnung dienen.


30.12.2006: Nun hat sich also die USA durchgesetzt, trotz Protesten zum Beispiel des Vatikans und vieler europäischer Länder. Dass gerade Präsident Bush ein fanatischer Anhänger des Rache-Gedankens ist, ist nichts neues. Spätestens seit dem verlogenen Entscheid zum Angriff gegen Irak hat sich dieser Präsident als Vertreter einer Richtung geoutet, die emotionales Steinzeitverhalten über rationale Vorgehensweisen stellt. Die globale Sicherheitslage, im speziellen die Verhältnisse im Irak und in Afghanistan, aber auch in diversen Gegenden in Afrika zeigen, dass die gedankenlose Anwendung von Gewalt nicht zu Lösungen, sondern zu immer noch mehr Gewalt führt – und dass es dabei nur VerliererInnen gibt. Es ist ein Alarmzeichen für den Zustand der Welt, für die Bedeutung von Werten wie Humanität oder Nächstenliebe, dass Männer wie George W. Bush ohne Bestrafung, ohne Verpflichtung zur Wiedergutmachung oder zur Versöhnung ihren Geschäften nachgehen können.


21. August 2007: Die Europäische Union, vertreten durch die portugiesische EU-Ratspräsidentschaft, hat namens der 27 EU-Länder an den texanischen Gouverneur Rick Perry appelliert, um Hinrichtungen aufzuschieben und ein Moratorium für Todesurteile zu erwägen, dies angesichts der angekündigten 400. Hinrichtung in Texas innerhalb der letzten 31 Jahre. Die zentrale Aussage: Die Union ist entschieden und unter allen Umständen gegen die Todesstrafe.Die Reaktion der Verantwortlichen in Texas ist menschlich beschämend, und darum im Originalzitat: Statement by Robert Black, spokesman for Texas Governor Rick Perry, concerning the European Union’s appeal that Texas enact a moratorium on the death penalty: „230 years ago, our forefathers fought a war to throw off the yoke of a European monarch and gain the freedom of self-determination. Texans long ago decided that the death penalty is a just and appropriate punishment for the most horrible crimes committed against our citizens. While we respect our friends in Europe, welcome their investment in our state and appreciate their interest in our laws, Texans are doing just fine governing Texas.“

Diese Reaktion ist dermassen schäbig angesichts der moralischen und ethischen Vorbehalte, die von der EU vorgebracht werden, dass nur ein Schluss möglich ist: Die Verantwortlichen verweigern in dieser Frage schlicht das Denken, das Nachdenken – hier geht es um prinzipielle Fragen des Menschseins, und hier irren Mehrheiten, wenn sie Hinrichtungen als gerecht und passend beurteilen. Dieser historische Bezug ist dermassen fahrlässig, dass Menschen mit minimalem Respekt vor ethischen Werten dies niemals akzeptieren können. Diese Haltung muss zu Protesten führen!

1. Fassung: 5.11.2006