Mit Sicherheit keine Energiepolitik

Etwas über Positionen der SVP zu schreiben, ist eigentlich blöd – man verschafft diesen Ewiggestrigen damit noch mehr Publizität. Was sich allerdings die SVP unter dem Titel „Energiepolitik“ an ihrer Versammlung vom 23. Januar 2010 in der Innerschweiz geleistet hat, ist derart grotesk und absurd, dass ein Kommentar zwingend ist.

Die SVP prägt seit langen Jahren mit ihren „Baronen“ die schweizerische Elektrizitätswirtschaft. Die Elektrizitätswirtschaft in der Schweiz besteht ja zu einem erheblichen Teil aus Spezialunternehmen des öffentlichen Rechts, im wesentlichen allerdings der demokratischen Mitwirkung entzogen, dafür der Beliebigkeit mehr oder weniger verdienter SVP-Parteigrössen (und auch solchen der FDP und der CVP, hin und wieder einige SPler) unterworfen. Klipp und klar: diese Unternehmen sind rückständig und haben schlicht und einfach die Zeichen der Zeit nicht verstanden.

Dieser abrupte Wechsel von „Energiepolitik“ im ersten Absatz zu „Strom- oder Elektrizitätswirtschaft“ im zweiten Absatz ist nicht zufällig. Auch wenn Elektrizität Energie ist, ist Energie eben nicht nur Strom. Dies geht nicht nur bei der SVP leider sehr häufig vergessen.

Die „Energiepolitik“ der SVP ist im wesentlichen darauf ausgelegt, das Versagen der SVP-Strombarone zu verschleiern – und auch sonst die realen Probleme mit dem Bezug zum Mensch gemachten Klimawandel und der Endlichkeit der Ressourcen zu verdrängen. In Deutschland ist die energiepolitisch auch stark von den Stromlobbyisten gesteuerte Regierung wenigstens sprachlich auf Klarheit aus und spricht sehr euphemistisch von der Atomenergie als „Brückentechnologie“, wohl wissend, dass eben auch Uran eine endliche Ressource ist.

Dass eine andere als die SVP-geprägte Stromversorgungspolitik möglich ist, zeigt das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich ewz. Hier findet ein demokratische Mitwirkung statt. Und dieses Unternehmen ist innovativ, energetisch und ökologisch führend. Die Solarstrombörse, der Effizienzbonus, der Stromsparfonds, lineare Stromtarife sind einige Stichworte. Ein ganz einfaches Spiegelbild der unterschiedlichen Politiken: der Vergleich von EKZ und ewz.

  • Im Jahr 2008 machte der AKW-Stromanteil im Lieferanten-Strommix des ewz 27.8 % aus, Tendenz sinkend!
  • Bei der EKZ machte Nuklearstrom im Jahr 2008 74.7 % des Stromangebotes aus, Tendenz steigend!

Ganz einfach: in der Stadt Zürich wollen Politik und ewz, dass Haushalte und Wirtschaft Oekostrom kaufen, im Kanton Zürich nicht!

Die SVP schwadroniert dauernd von einer Stromlücke – da merkt man, dass die SVP ihre Wurzeln in der hoch subventionierten Landwirtschaftpolitik des letzten Jahrhunderts hat! „Lücke“, das heisst zuwenig Angebot, zuviel Nachfrage. Schon in einer der ersten Lektionen über Ökonomie lernen auch spätere SVP-Mitglieder, welche Auswirkungen dies hat: der Preis steigt! Oder anders: wenn auch die SVP-Strombarone im Strombusiness die Grundsätze von Angebot und Nachfrage akzeptieren, ist eine Stromlücke purer Unsinn!

Im übrigen: das ewz ist auch im Bereich der Stromeffizienz wesentlich aktiver als etwa die EKZ – offenbar pushen hier die SVP-Strombarone nach wie vor die Stromnachfrage, unabhängig von der Effizienz. Oder anders: Glühbirnen stehen für eine Politik, die die Stromlücke herbeiwünscht, Stromsparlampen sind ein Beitrag zu einer sicheren Stromversorgung.

Unter diesen Voraussetzungen ist es etwas dürftig, wenn die SVP einfach neue Atomkraftwerke verlangt – dies würde einmal mehr die Macht der SVP-Strombarone betonen, wäre eine ungerechtfertigte Auszeichnung ihrer Nichtstun-Politik. Derzeit sind die Anbieter von Strom aus erneuerbaren Energien zwar noch in Nischen tätig, aber sie sind wesentlich innovativer und kundenorientierter als die SVP-Elektrizitätswirtschaft. Es ist bezeichnend, dass in Deutschland die ungerechtfertigte Verlängerung der AKW-Laufzeit offenbar gekoppelt ist mit einer Verminderung der garantierten Einspeisevergütung für Strom aus erneuerbaren Energien. Oder symbolisch: die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien war in Deutschland am Morgen des 26. Dezembers 2009 derart hoch, dass die veralteten Grosskraftwerke nicht einmal in der Lage waren, die Leistung zu drosseln. Ganz offensichtlich: die fossile und nukleare Stromunternehmenspolitik der SVP verhindert die erneuerbaren Energien, auch im Strombereich.

Dass die SVP fordert, dass für erneuerbare Energien keine staatlichen Stützungsmassnahmen unternommen werden, unterstreicht doppelt die Unkenntnis der SVP über ganz banale Dinge im Strombereich. Die Solarstrombörse des ewz etwa funktioniert sehr erfolgreich exakt mit den Gesetzen von Angebot und Nachfrage – was an Solarstrom produziert wird von Privatpersonen und Unternehmen, wird direkt an Privatpersonen und Unternehmen weiterverkauft (ergänzt mit relativ geringen Förderbeiträgen für die Installation der Anlagen; diese sind finanziert aus einem ganz geringen Stromaufpreis). Ganz einfach: die KonsumentInnen wollen Strom aus erneuerbaren Quellen – und die SVP will dies aus Rücksicht auf ihre Strombarone nicht!

Diese ablehnende Haltung gegenüber Strom aus erneuerbaren Ideen ist geradezu zynisch, ist doch die Atomenergie nur darum überhaupt auf de Markt, weil der Staat erhebliche Kosten dieser Stromproduktionsindustrie übernimmt – mangelhafte Sicherheitsdeckung, unlösbare dauerhaft sichere Lagerung der radioaktiven Abfälle (Stichwort Asse) und weitere mehr sind einige Aspekte.

Objektiverweise ist die Situation ähnlich wie rund um das nie gebaute AKW Kaiseraugst. Schon damals wurde eine Stromlücke herbeigeschwatzt, um ein unnötiges AKW durchzustieren. Der politische Widerstand gegen dieses AKW wirkte als Sand im Getriebe der Demokratie, um durch Nationalräte wie Stucky und Blocher eine Vergoldung der Projektarbeiten und damit das Ende des Projektes zu erreichen. Es ist nicht auszuschliessen, dass hier die SVP ähnliches plant: fiktive Projekte (derzeit drei!!!) durch die Kraftwerkgesellschaften zu entwickeln, die zum Vorneherein als nicht-realisierbar gelten – um dann irgendwann in einigen Jahren die Projekte gegen riesige Entschädigungssummen an die planenden Unternehmen stillzulegen.

Im übrigen ist es gut, dass sich die SVP nicht zu anderen Energiethemen als dem Strom geäussert hat: wer nichts zu sagen hat, schweigt besser!