Recht und Politik

Dass das Bundesverwaltungsgericht den Deal zwischen der Schweiz und den USA über den Umgang mit der steuerrechtlichen Behandlung von auf Schweizer Banken angelegten Vermögen von AmerikanerInnen aus juristischer Sicht kritisch beurteilt und partiell ablehnt, ist aus rechtsstaatlicher Sicht grundsätzlich positiv, auch wenn das Ergebnis nicht überzeugt. Die entscheidende Aussage: das von der Politik konstruierte gesetzliche Gebilde fördert die Steuerungerechtigkeit, und die Mehrheiten dieses Landes finden dies korrekt (oder haben dies zumindest bei Erlass der gesetzlichen Regelungen gefunden).

Gerichte sind das dritte Element des rechtsstaatlichen Systems der Schweiz, und sie brauchen eine grosse Unabhängigkeit – insbesondere müssen sie politische Opportunitäten nicht berücksichtigen. Oder anders: was recht ist, ist nicht immer klug! Spannend ist nun allerdings, dass auch das Bundesverwaltungsgericht eben nicht immer die rechtsstaatlichen Prinzipien hochhält – das Recht auf saubere Luft beispielsweise wird vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt, obwohl dieses Recht sogar in der Verfassung verankert ist (und selbst vom Europäischen Gerichtshof anerkannt wird).

Das Recht auf Steuerhinterziehung hingegen wird vom Bundesverwaltungsgericht geschützt. Diese unterschiedliche Behandlung von Rechtsansprüchen liegt selbstverständlich im Ermessen – oder eher der Willkür – des Bundesverwaltungsgerichtes – es ist davon auszugehen, dass die VertreterInnen des Bundesverwaltungsgerichtes diese rechtsungleiche Behandlung wortreichst begründen könnten.

Fakt ist: für die Vergangenheit bietet das Bundesverwaltungsgericht keine Möglichkeit, die nicht nachvollziehbare Unterscheidung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug zumindest für Menschen aus dem Ausland, die ihr Vermögen offensichtlich vor dem heimischen Fiskus verstecken wollen, aufzuheben!

Wenn man in der Schweiz – wie selbst die FDP – Steuerhinterziehung als legitim erachtet, so fördert dies aktiv die Steuerungerechtigkeit. Wer – ob absichtlich oder unabsichtlich – Einkommens- und Vermögenswerte nicht deklariert, handelt unsolidarisch. Und sorgt dafür, dass die (freiwillig oder gezwungenermassen) Ehrlichen mehr von den Aufgaben des Staates zu finanzieren haben. Ein absurder Kreis: die Ehrlichen finanzieren unter anderem das Bundesverwaltungsgericht, welches den Unehrlichen attestiert, im Sinne des Gesetzes zu handeln! Aber so ist halt nun mal der Rechtsstaat. Immerhin haben es die Ehrlichen in der Hand, eine Veränderung auf demokratischem Weg herbeizuführen.

Andererseits: es kann und darf nicht Aufgabe der Schweiz sein, die Steuergerechtigkeit etwa in den USA oder in Deutschland zu fördern. Ein ganz einfacher Vorschlag: wenn Steuerbehörden einen begründeten Verdacht haben, sollten sie das Hundertfache des geschuldeten Steuerbetrags in Rechnung stellen. Diese Rechnung wird erst zerrissen, wenn der oder die Steuerpflichtige die Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend und transparent offenlegt (nur gegenüber dem Staat im übrigen – und sämtliche staatlichen MitarbeiterInnen unterstehen erhöhten Geheimhaltungsvorgaben).
Zu ergänzen hat dies die Schweiz durch ein Instrument im Sinne der Verrechnungssteuer auf Vermögenserträge, welche an die öffentlichen Kassen des Herkunftslandes der Vermögenden überwiesen werden.

P.S. Ich gehe nicht davon aus, dass mit der Erschwerung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug die finanziellen Probleme der Staaten gelöst sind. Ein hohes Mass an Steuergerechtigkeit ist ein wichtiges Element, um auch dringend nötige Steuererhöhungen – oder den Umbau des Steuersystems Richtung ökologische Finanzreform – voranbringen zu können.

Für das Hochhalten der rechtsstaatlichen Prinzipien ist dem Bundesverwaltungsgericht der Dank auszusprechen – aber auch für die klare Aussage, dass das schweizerische Rechtssystem mindestens unsolidarisches Verhalten, wahrscheinlich sogar ungesetzliches Verhalten im Bezug auf Steuerhinterziehung schützt. Und hier hat die Politik anzusetzen! Nicht mehr die Stammtischgeschichten über das schlitzohrige und kreative Umgehen mit der Steuererklärung dürfen die Situation prägen, sondern die Erkenntnis, dass Steuergerechtigkeit und Solidarität Tragpfeiler eines staatlichen Gemeinwesens sind.


Eigentlich betreiben viele Banken unter Berufung auf das Bankgeheimnis letztlich Hehlerei: sie tragen dazu bei, dass sich ihre KundInnen unrechtmässig verhalten. Wenn dann noch die Gier – sowohl die persönliche der AkteurInnen als auch die der Bankunternehmen – dazu kommt, geht sämtliche Ethik und Moral vergessen. Nun ist es ja wie immer, die Gewinne sind privatisiert, der Staat hat die Risiken und Verluste zu tragen. Die SchweizerInnen sind ja sehr auf Etikette und das Wahren der Contenance bedacht – wenn dann mal im vertraulichen Rahmen einer parlamentarischen Kommission zum Beispiel ein Bundesrat etwas deutlichere Worte braucht, um einen Sachverhalt zu qualifizieren, heisst es gleich: da hat einer – beispielsweise Bundesrat Hans-Rudolf Merz – die Nerven, die Fassung verloren. Mag sein, dass Herr Merz schon viel länger deutlicher hätte werden müssen. Aber letztlich führt Ehrlichkeit weiter – Betrüger und/oder Gauner sind mit der Tarnhülle Bankgeheimnisse einige unterwegs, das Benennen dieser Tatsache hat nichts mit „Emotionen“ oder die „Fassung verlieren“ zu tun.

P.S. Wohlverstanden: in dieser Welt gibt es eine grosse Zahl von Betrügern und/oder Gauner, die nicht von der Justiz verurteilt worden sind. Aber eben, Ethik und Moral müssen bekanntlich weder bei der Gesetzgebung noch bei Gerichtsentscheiden einbezogen werden!