Zukunft der direkten Demokratie

Zur direkten Demokratie gehören vom Volk gewählte Parlamente, die das gesellschaftliche Meinungsspektrum möglichst umfassend abdecken. Dazu gehören auch Interessenvertretungen – auch wenn ParlamentarierInnen meist auch Parteimitglieder sind, ist auch innerhalb der Parteien das Meinungsspektrum breit. Politik hat die Aufgabe, einen Interessensausgleich zu schaffen (im Gegensatz zu Diktaturen, die Interessen der Machthabenden in den Vordergrund stellen). Direkte Demokratien sind im Grundsatz ein Erfolgsmodell – und sie sollen es auch bleiben. Was braucht dies?

Die Welt ist komplex – eine banale Aussage. Am Beispiel des Mensch gemachten Klimawandels lässt sich diese Komplexität illustrieren. Das Meinungsspektrum ist riesig – von der wissenschaftlich belegten Aussage mit sehr hohen Plausibilitätsansprüchen bis zu absurdesten, aber mediengängigen Verschwörungstheorien zu diesem Thema ist alles zu finden. Aufgabe einer direkten Demokratie ist es, bei derartigen Fragen mehrheitsfähige Vorgehensweisen zu entwickeln und zu beschliessen. In einem Land wie der Schweiz, die einen Promilleanteil an der Weltbevölkerung ausmacht und einen etwas grösseren Anteil am übermässigen globalen Treibhausgasausstoss, stehen mehr als acht Millionen Einzelinteressen zur Debatte, von denen etwas weniger als zwei Drittel davon sich an der politischen Debatte beteiligen können. Und selbstverständlich hat jede dieser Personen die Ansicht, ihre Position sei die einzig richtige und einzig vernünftige auf diesem Planeten, und alle anderen seien so oder so unfähig, und so weiter und so fort (eine Wirkung von 30 Jahren faschistoider Oligarchen-Propaganda, auch bekannt als SVP – interessanterweise vertreten diverse VertreterInnen dieser Partei die Ansicht, dass Diktaturen wie z.B. China geradezu mustergültig seien).

In der Politik geht es in erster Linie um den Ausgleich von individuellen und allgemeinen Interessen. Dabei wird etwa das individuelle «Recht auf Unvernunft» postuliert – eine offensichtliche Distanzierung von den Werten der Aufklärung und damit der französischen Revolution, die sich genau gegen derartige Sonnenkönig-Allüren gewehrt hat und Werte wie Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit in den Vordergrund gestellt hat. P.S. «Recht auf Unvernunft» hat nichts gemein mit dem aufklärerischen Verständnis von «Freiheit» – dies stellt eine missbräuchliche Verwendung der Begrifflichkeiten mit dem Wortstamm «Liberal…»

Auch wenn ParlamentarierInnen immer auch InteressenvertreterInnen sind, ist und bleibt es ihre zentrale Aufgabe, einen klugen Ausgleich zwischen individuellen und allgemeinen Interessen vorzuschlagen. Spätestens seit Rio 1992 haben dieser Interessensausgleich eine weitere Dimension, weil es bei vielen Fragen auch um die Interessen von Menschen in anderen Weltgegenden und von zukünftigen Generationen geht, Stichwort Nachhaltigkeit.

Parlamentarische Arbeit ist anspruchsvoll. Es ist im Grundsatz eine gute Idee, dass parlamentarische Arbeit nach dem Milizprinzip funktioniert, dass es also auch Leben (und Arbeiten) neben der Parlamentsarbeit gibt. Auch angesichts der Themenfülle der Parlamentsarbeit bedeutet dies, dasses einiges an ExpertInnen-Arbeit braucht, dass nicht-parlamentarische Interessensvertretungen einbezogen werden (die idealerweise nicht als Propaganda-ManipulatorInnen funktionieren, siehe Thema Markwalder/Burson-Marstellers/Kasachstan). All diese Arbeit ist korrekt zu entschädigen, sie soll nicht zu Lasten der Freizeit gehen – und es ist hohe Transparenz herzustellen über alle Aspekte der Entschädigung, des ExpertInnen- und Interessensvertretungs-Einbezugs. Objektiverweise sind in der aktuellen Form der Miliz-Politik, der CH-Ausprägung der direkten Demokratie, sämtliche diese Anforderungen nicht erfüllt. Da braucht es deutliche Verbesserungen, auch um die Glaubwürdigkeit der parlamentarischen Arbeit zu erhöhen.

Dass die idealistischen Vorstellungen von Miliz und direkter Demokratie schlecht zur Realität passen, illustriert etwa das Amtsalter in einem Parlament, etwa im Gemeinderat der Stadt Zürich (gemäss Internet Gemeinderat):

dyerware.com

«A» markiert den Medianwert der Amtsdauer (die Hälfte der Mitglieder nimmt seit vier bis fünf Jahren Einsitz im Gemeinderat), «B» den Mittelwert der Amtsdauer. Die Differenz zwischen diesen beiden Werten ist auf die sehr lange Amtsdauer einiger weniger Mitglieder zurückzuführen – ein Mitglied hat gleich viele Amtsjahre, wie alle im Verlauf des Jahres 2014 (Wahljahr) eingetreten Mitglieder des Gemeinderates. Zu beachten ist, dass alle vier bis fünf Jahre ein lokaler Spitzenwert auftritt, eine Folge der Wahljahre …

Vier bis fünf Jahre, etwas mehr als eine Amtszeit, dies ist recht wenig, um sowohl das Tätigkeitsfeld ausreichend genau zu kennen als auch Einfluss auf die Entscheide nehmen zu können. Die doch recht kurze Amtsdauer ist ein eigentliches Warnzeichen – passend zum kleinen Anteil der Wahlberechtigten, die überhaupt noch an den Wahlten teilnehmen. Die erforderlichen deutlichen Verbesserungen des Parlamentsbetriebes im Bezug auf Entschädigung und transparenz sind also auch dringlich.