Zukunft: Demokratie und Gewaltfreiheit

Brexit, Putsch-«Theater» in der Türkei, Anschläge auf Menschengruppen, … – die letzten Monate haben einen nachdenklich machenden Einblick in die Gesellschaften insbesondere in Europa gewährt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um die ersten Auswirkungen des Mensch gemachten Klimawandels oder um die Reaktion auf Veränderungsprozesse handelt. Hybridregimes/Diktaturen und Gewalt jeglicher Form scheinen derzeit an Einfluss zu gewinnen. Demokratie und Gewaltfreiheit sind die Zukunftshoffnung für alle Menschen auf dieser Erde.

Dass die EU ein Demokratie-Defizit aufweist, ist längst bekannt. Dies führt unter anderem dazu, dass sich die EU im Wesentlichen mit sich selbst beschäftigt – der Verhandlungunwille mit dem Nicht-EU-Mitglied Schweiz ist ein illustrativer Hinweis auf diese «innenpolitische» Fixierung der EU. Schon fast lächerlich ist die Reaktion sowohl der Direktbetroffenen als auch des «Umfeldes» auf die Abstimmung in Grossbritannien über die EU-Mitgliedschaft (Brexit). Wenn die Stimmberechtigten in einem für die EU als bedeutsam eingestuften Land knapp, sehr knapp den Auftrag zur Prüfung des EU-Ausstieg erteilen, bricht operative Hektik aus. Es wird allerdings nicht wirklich nach den Hintergründen des Abstimmungsausgangs gesucht, es wird nicht ermittelt, welche EU-Reformschritte es brauchen würde, um die Mehrheit der Stimmberechtigten in Grossbritannien von einem Verbleib bei der EU zu überzeugen. Zur Erinnerung: Die Schweiz zeigt vor, dass es hin und wieder mehrere Anläufe braucht, um selbst selbstverständliche Veränderungen (zum Beispiel Frauenstimmrecht) herbeizuführen, dass es immer auch Vorstösse besonders im Migrationsbereich gibt, die nicht lösungsorientiert ausgestaltet sind, sondern herbeimanipulierte Protestvoten darstellen. Mehr Gewicht für die jungen Stimmberechtigten, auch für die noch nicht Stimmberechtigten, braucht es nicht wegen Brexit, sondern wegen der Zukunftsorientierung der Gesellschaftspolitik. Direkte Demokratie ist ein Lernprozess – direkte Demokratie ist dringend erforderlich, um die Demokratie-Defizite nicht nur der EU abzubauen.

Nach dem Demokratie-Index von The Economist herrscht in der Türkei ein Hybridregime, mit autoritärem Charakter bei den Bürgerrechten. Die Entwicklungen vor und nach dem (vorgeblichen?) Putsch Mitte Juli 2016 lassen erkennen, dass es in erster Linie um die Ausweitung der Machtfülle des willkürlich agierenden Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan geht – Medien und Opposition haben in einem solchen System einen schweren Stand. Wenn davon ausgegangen wird, dass funktionierende Demokratien ein Erfolgsprodukt emanzipierter Gesellschaften sind, ist alles daran zu setzen, dass sich auch Länder wie die Türkei zu Demokratien weiterentwickeln. Insbesondere Länder wie die Schweiz mit starken Demokratien, auch einer starken direkten Demokratie, müssten derartige Entwicklungen einfordern. Die Schweiz verhält sich gegenüber Nahezu-Diktaturen sehr zurückhaltend. Offenbar steht die exportwirtschaftliche Bedeutung von Ländern wie der Türkei im Vordergrund. Verhält sich die Schweiz somit als Hehlerin der Diktaturen?

In meiner einige Jahrzehnte zurückgehenden Wahrnehmung hat sich die Einschätzung von militärischer Gewalt deutlich verändert. Nach den Vietnam-Protesten wurde militärische Gewalt geradezu geächtet, spätestens mit den Balkankriegen Ende des 20. Jahrhunderts veränderte sich die öffentliche Wahrnehmung, inklusive der neu entstehenden Rolle der USA als eine Art von Weltpolizei. Die militärische «Beseitigung» von problematischen Machthabern wie Saddam Hussein und Muammar al-Gaddafi hat zu erkennen gegeben, dass offenbar Gewalt als Handlungsinstrument als legitim eingeschätzt wird, auch wenn Gewalt in jeder Form offensichtlich eine Sackgasse oder ein «Teufelskreis» ist. Das gilt für die Zeit nach den Diktatoren genau so wie für gewalttätige Anschläge (Paris, Nizza, Dallas, Würzburg, München, Ansbach, …), egal ob mit terroristischem, kriminellem oder psychischem Hintergrund.

Diktaturen und Gewalttätigkeiten negieren in erster Linie die ethischen und moralischen Rechte und Pflichten jedes einzelnen Menschen. Dies gilt selbst dann, wenn sich Betroffene nicht an diesen Rechten und Pflichten orientieren. Allerdings ist hier anzumerken, dass es nach wie vor kein universelles Verständnis dieser individuellen Rechte und Pflichten gibt, dass es keine generell akzeptierten universellen Menschenrechte gibt. Zudem ist davon auszugehen, dass fundamentale Differenzen über die Inhalte von Menschenrechten geradezu zur Gewalteskalation beitragen (siehe z.B. Wiki-Artikel mit Ausführungen zu Selbstjustiz).


Die Einschätzung von Demokratien, insbesondere der individuellen Menschenrechte und der Gewaltfreiheit hat einen gewissen Bezug etwa zu den Migrationsbewegungen zum Beispiel aus Vorderasien und Afrika Richtung Europa. Zu beachten sind dabei unser Umgang mit natürlichen Ressourcen – von fossilen Brenn- und Treibstoffen bis zu den seltenen Erden – und die ersten Folgen des Mensch gemachten Klimawandels. Es stellt sich durchaus die Frage, ob sowohl die Ressourcenthematik als auch der Mensch gemachte Klimawandel unter dem Gewaltaspekt einzuschätzen wären. Eine fossil- und nuklearfreie Energieversorgung, welche sich auf nachhaltig genutzte lokal verfügbare Energiequellen abstützt, dient somit sowohl der Demokratie als auch der Gewaltfreiheit.