Vorsätzliches Ökodumping

Die Oelpest im Golf von Mexico ist letztlich vorsätzlich verursacht. Auf der Anklagebank sitzt ein ansehnlicher Teil der Menschheit, mit Sicherheit jene mit einem grösseren ökologischen Fussabdruck als der Durchschnitt der Weltbevölkerung. Da „fast alle“ gleichbedeutend ist mit „niemand“, fühlen sich zwar viele „betroffen“, aber nicht verantwortlich.

Eine der schon bald historischen Seiten auf meinem Internet-Angebot www.umweltnetz.ch ist der Beitrag Wirtschaft: Anhaltspunkte zur Beurteilung von Unternehmen vom 12. Juni 2001: ein Versuch, Kriterien zu formulieren für die Investition in Unternehmen, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien im Rahmen des Prinzipes der Nachhaltigkeit genügen. Wer in der Schweiz erwerbstätig ist, muss sich mit diesen Fragen beschäftigen – auch dann, wenn persönlich nicht an der Börse spekuliert wird! Denn: die Pensionskassen, welche das durch das Zwangssparen vom Einkommen erhaltene Geld bewirtschaften, müssen die Mittel anlegen – und vermehren! Dies führt dazu, dass allenfalls mit dem eigenen Pensionskassenguthaben in Unternehmen investiert wird, die den Interessen der Pensionskassen diametral widersprechen!

In der Negativ- oder Ausschlussliste von nicht-nachhaltigen Unternehmen unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer und sozialer Kriterien sind auch „Unternehmen, die fossile Energieträger fördern„, aufgeführt. Dass solche Listen nicht dazu geführt haben, dass diese Unternehmen vom Markt verschwinden – immerhin hat BP die Bedeutung des Kürzels von „British Petroleum“ zu „Beyond Petroleum“ geändert – hat damit zu tun, dass die Forderung nach billiger Energie zu den zentralen Forderungen der Politik gehört, ganz einfach darum, weil behauptet wird, Wohlstand sei direkt korreliert mit dem Energieverbrauch pro Person. Möglicherweise war dies zu Beginn der Industrialisierung zutreffend – demgegenüber sind Unternehmen, die als Nachhaltigkeitsleader gelten, ausgesprochen energie- und ressourceneffizient. Wenn etwa die kanadische Regierung die massive Abschwächung der nationalen Klimaschutzziele mit der Rücksicht auf Unternehmen begründet, ist dies extrem kurzsichtig: nur Unternehmen mit nachgewiesener Oeko-Fitness sind zukunftsfähige Unternehmen!

Erdöl ist eine fossile, zwar endliche aber ziemlich reichlich vorhandene Ressource. Auch wenn noch darüber gestritten wird, wann der genaue Zeitpunkt eintreten wird (oder ob er allenfalls bereits eingetreten ist), wenn die Hälfte des verfügbaren Erdöls – der so genannte Peak Oil – verbraucht sein wird, an der Endlichkeit des derzeit billigen Energieträgers Erdöl ist nicht zu zweifeln. Zudem stammt ein grosser Teil des derzeit konsumierten Erdöls aus Weltgegenden, deren Positionen und Haltungen in diversen Fragestellungen nicht mit den Absichten der grössten Konsumländern übereinstimmt – Erdöl ist ein Politikum. Viele der aktuellen Konflikte von Afghanistan über Irak bis zum Nahen Osten sind „Kriege um Öl“. Weil nun insbesondere die USA hoffen, mit der Oelförderung in der eigenen Nachbarschaft die geopolitische Bedeutung von Erdöl zu vermindern, ist eine eigentliche „Gründerzeit“-Stimmung entstanden: Die Erschliessung von neuen Erdöllagern hat oberste Priorität, Umwelt und Menschen sind unbedeutend. Damit ist allerdings auch eine massive Förderung der Atomenergie verbunden, weil Öl und Uran die gleiche symbolische geopolitische Bedeutung haben, aber auch die erwartende Tiefhaltung der Energiepreise versprechen. Die massive und auch mit dem „Top Cap“-Verfahren noch nicht gestoppte Oelpest im Golf vom Mexico ist der Preis für diese vermeintliche Aufbruchsstimmung. Wer so tief auf dem Meeresgrund bohrt und nicht in der Lage ist, verlässliche Methoden zum Behebung einer unerwarteten Störung dieser Bohrung schnell und wirksam einzusetzen, handelt verantwortungslos. Und dass solche Vorgehensweisen von der Gesellschaft und der Politik grundsätzlich akzeptiert werden, zeigt auf, dass derartige Katastrophen geradezu vorsätzlich herbeigeführt werden!

Die Erschliessung von Erdölressourcen in der eigenen Nachbarschaft ist nur ein Weg, die geopolitische Bedeutung des Erdöls zu vermindern. Der andere Weg: weg von Erdöl und auch Erdgas – wie eine Vielzahl von Studien zeigen, lässt sich dies bei gleichzeitigem Verzicht auf die Nutzung der Atomenergie realisieren! Wie einige dieser Studien darlegen, ist ein solcher Umbau, innerhalb einer, höchstens zwei Generationen zu bewerkstelligen, ökonomisch sicher nicht nachteilig – siehe zum Beispiel Wie reich ist die 2000-Watt-Gesellschaft? Dieser Weg ist zu begehen, was sicher nicht ohne Aufwand zu haben ist:

  • Die eigene Energie- und CO2-Bilanz, den eigenen ökologischen Fussabdruck kennen.
  • Sich mit dem eigenen Lebensstil auseinandersetzen.
  • Es geht nicht um Ängste, es geht um bewusste Entscheidungen, jeden Tag!
  • Was tun Pensionskassen, Banken, Versicherungen mit dem Geld ihrer KundInnen? Wird ausschliesslich in nachhaltige Anlagen nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien investiert?
  • Ist die Politik der von uns gewählten PolitikerInnen nachhaltig? Nachhaltigkeit ist dabei nicht als Worthülse, sondern als glaubwürdige und nachweisbare Herausforderung, zum Beispiel Richtung 2000-Watt-Gesellschaft, zu verstehen.

Wie üblich in der Wirtschaft, wird auch im Ölbusiness versucht, die Verantwortung zu anonymisieren. Die diversen Ping-Pong-Spielchen zwischen BP und Transocean illustrieren dies in irritierender Art. Dass ausgerechnet zeitgleich zur Oelpest im Golf von Mexico der Geschäftssitz von Transocean in die Schweiz verlegt wurde, ist sicher Zufall. Dass gemessen an der bevölkerungsmässigen Bedeutung der Schweiz übermässig viele international tätige Unternehmen ihren Sitz in der Schweiz haben, ist demgegenüber kein Zufall – ein Teil davon ist sicher der übermässigen (und dementsprechend bedenklichen) Verkehrserschliessung zuzuschreiben. Von grosser Bedeutung ist die bewusst schwache Position der Politik, letztlich das Fehlen von ethisch und moralisch verbindlichen Vorgaben, eine Beliebigkeitsgesellschaft, symbolisch im Sortiment der Grossverteiler mit den verschiedenen ethisch-moralisch differenzierten Produktelinien dargestellt.

Die neuen Büros der Transocean sind in den 4 Towers (siehe Bild) in Steinhausen untergebracht. Wenn es sich nicht um Kirchtürme handelt, hatten Türme in der Geschichte Verteidigungscharakter. Dieses Gebäude – 4 fünfgeschossige Rundtürme über einem Sockelbau – stellt allerdings eher eine Karikatur des Turmgedankens dar. Spannend auch die Adresse, zwar etwas billig und nichtssagend, aber immerhin: Turmstrasse! Im übrigen nicht seit langem: in früheren Ortsplänen von Steinhausen heisst diese Strasse „Sumpfstrasse“. Offenbar soll nicht einmal die Adresse die Verantwortlichen daran erinnern, dass ihre Geschäftstätigkeit, gesteuert in einem (Verteidigungs-)Turm an der Turmstrasse, beispielsweise an der nordamerikanischen Südküste direkten Einfluss auf das Sumpf-Ökosystem hat. Vorschlag: als Zeichen ihrer Betroffenheit sollten jetzt die Steinhauser Behörden die Sumpfstrasse sorry Turmstrasse in Ölpest-Sackgasse umbenennen!

Dass Transocean neu auch im „Swiss Market Index“ SMI enthalten ist, illustriert die gedankliche Beschränktheit der Gier-Ökonomie: Free Float (eigentlich ein indirektes Mass für die nachhaltige Bindung zwischen Aktionariat und Unternehmen, das Unternehmen wird im SMI somit ausschliesslich aufgrund der finanztechnischen Eignung und nicht wegen der inneren Werte beurteilt) und der Handelsumsatz sind die wesentlichen Kritererien für die Berücksichtigung im SMI. Um im SMI Platz für den Oekodumper Transocean zu schaffen, wird das Unternehmen Swiss Life aus dem SMI entfernt – Swiss Life macht klare ökologische Statements, auch zur Verminderung des Oelverbrauchs im eigenen Unternehmen. Offenbar sind den Börsenverantwortlichen nach wie vor die Oekokiller lieber als an der Nachhaltigkeit orientierte Unternehmungen.