Technologie-Abhängigkeit – auf dem Weg zu von der Wiege zur Wiege

Wenn China aus Machtgelüsten heraus eine restriktive Handelspolitik für seltene Erden umsetzen will, ist dies im mehrfacher Hinsicht auch ein positiver Impuls. China begründet die Politikänderung mit Umweltschutz – nehmen wir diese Botschaft wörtlich und tragen unseren Teil dazu bei, dass Technologie grüner wird, als ein Beitrag zu einer neuen Ressourcenpolitik – „from cradle to cradle“, von der Wiege zur Wiege.

Die gegenwärtig hoch entwickelten Konsumgesellschaften zeichnen sich aus durch einen hohen Technologieanteil und einen übermässig grossen ökologischen Fussabdruck. Dabei machen Technologien diverser Art – am auffälligsten wahrscheinlich die Informations- und Kommunikationstechniken (Computer/Internet, Smartphones vom einfachen Handy bis zum Tablet-Computer im Stile des iPad) – einen erheblichen Anteil an diesem Fussabdruck aus, dazu gehören auch Komponenten wie etwa LCD- oder Touch-Screens, die derzeit noch das „Seltene Erde“-Metall Indium enthalten.

„Derzeit noch“ heisst es oben. Dies als Hinweis auf die Technologiegeschichte. Es gehört zu den Entwicklungsversionen eines Produkts, dass von den prototypnahen Serienprodukten bis zu den marktprägenden Topsellern einiges an Veränderungen erfolgt. Klobig, übermässiger Energieverbrauch, materialintensiv sind einige Stichworte dazu. Merkmale, die sich jeweils im Verlaufe der Zeit verändern, nicht nur immer in positive Richtung, vor allem, wenn neue Technologien zum Massenphänomen werden. Dann werden selbst effiziente, optimierte Produkte zu erheblichen Nachhaltigkeitslasten.

Auch wenn es Indium nur in kleinen Mengen braucht für diese Konsumtechnologien, mit der heutigen Wirtschaftsweise verschwindet diese Ressource, wenn ein solches Gerät nicht mehr benötigt wird. Das Indium in den Displays verschwindet selbstverständlich nicht wirklich, aber es ist nicht mehr verfügbar – Geräte machen üblicherweise einen Kreislauf von der Wiege zur Bahre respektive zum Grab durch, und damit auch die darin enthaltenen wertvollen, seltenen, endlichen Ressourcen. Konsummüll enthält in vielen Fällen bereits mehr an Ressourcen als die unter viel Aufwand abgebauten natürlichen Lagerstätten dieser Metalle. Die meisten Haushalte werfen mehr Gold (aus elektronischen Geräten) in den Abfall als in Form von Schmuck oder Wertanlagen (in der Schweiz z.B. Goldvreneli) gehütet und gepflegt wird! Dazu gibt es zwei Ansätze: Urban Mining und eine Technologieentwicklung Richtung von der Wiege zur Wiege.

Urban Mining ist einfach zu verstehen: statt nur aus Bergwerken werden die Rohstoffe aus den Abfallbergen der Städte und Dörfer gewonnen. Dabei handelt es sich immer noch um einen „Cradle to Grave“-Ansatz. Auch hier gilt der Spruch aus den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts: Alu sammeln (und recyceln) ist gut, Alu meiden ist besser! Wenn es nicht gelingt, beispielsweise Indium mit vertretbarem Aufwand im Materialkreislauf zu behalten, hat dieses Seltene-Erden-Metall nichts in Konsumprodukten zu suchen.

Dies heisst wiederum nicht, dass Anwendungen wie LCD- oder Touch-Screens nicht mehr genutzt werden können. Wie die Technologiegeschichte zeigt, gibt es nicht nur einen Weg, eine Aufgabe zu lösen. Die Vorgabe „geschlossene Materialkreisläufe“ wird in der Weiterentwicklung zu deutlich anderen Produkten und anderen ökologischen Fussabdrücken führen.

Für mich ist dies nicht eine Technologie-Gläubigkeit nach dem Motto „mit Technologie können alle Probleme gelöst werden“ – weil die gesellschaftliche Entwicklung den Rebound- oder gar den Backfire-Effekt bereits internalisiert hat: (Energie-)Effizienz-Steigerung und Ökologisierung von Produkten führt in der Tendenz dazu, dass der Konsum akzeptabler wird. Als ein Beispiel: in energie-effizienten Gebäuden zum Beispiel mit dem Label Minergie-P neigen die NutzerInnen dazu, höhere Temperatur-Ansprüche zu stellen, was einen Teil der Effizienz-Gewinne kompensiert.

So erfolgsversprechend der „from Cradle to Cradle“-Ansatz ist – er muss zwingend eingeordnet sein in die Förderung von LOVOS (Lifestyle of voluntary simplicity) – dem Lebensstil der freiwilligen Einfachheit!

Wenn die restriktive „Seltene Erden“-Handelspolitik von China einen Technologieschub Richtung mehr Effizienz und weniger Ressourceneinsatz auslöst – und dazu gibt es aus der Technologiegeschichte eine grosse Zahl von Beispielen -, wäre dies einmal mehr ein Beispiel dafür, dass Machtgames von Regierungen in der Regel nicht im Sinne der ErfinderInnen ausgehen.


Nachtrag 19. Mai 2013

Organische Solarzellen komplett aus dem Drucker – Forscher ersetzen teuren Rohstoff Indium durch Silber-Nanodrähte – Titel und Lead aus einem Artikel aus derStandard.at illustriert – sowohl aus Kosten- wie Technologiegründen – die Weiterentwicklungsmöglichkeiten.


Erste Version 30.12.2010