Wenn ich auf meinen regelmässigen Wanderungen vom Friesenberg zum Uetliberg und zurück unterwegs bin, trage ich seit einiger Zeit einen Rucksack. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, herumliegenden Abfall einzusammeln. Deshalb hat es in meinem Rucksack einen «Clean Mountain»-Beutel. Meist handelt es sich um Kunststoffabfälle, leere Flaschen und Verpackungen – also Einweg- oder eben Wegwerf-Gegenstände. Diese Abfälle nicht nur am Uetliberg sind ein Symbol unserer Wegwerf-Gesellschaft.
Nach dem lauten Knallen und den Feinstaub-Spitzenwerten in der Nacht wird der Spaziergang am Neujahrs-Morgen zur Abfallsammeltour: Da liegen Unmengen von Feuerwerksabfällen herum. Auch dies ein Symbol.
Am 4. Januar 2018 folgt ein Artikel im Tages-Anzeiger: Wohin mit Europas Abfall, jetzt da China ihn nicht mehr will? – ein wichtiger Aspekt ist der «Plastikmüll». Diese Situation hat durchaus ironischen Charakter, weil einiges dieses Mülls von in China oder anderen Billigexportländern hergestellten Gegenständen stammt.
«Entsorgung» ist immer noch das Zauberwort beim Müll, beim Abfall. Wir sind weit von geschlossenen Stoffkreisläufen entfernt. Wir alle wissen, dass die Erde endlich ist, dass gerade der Fussabdruck von Menschen in reichen Ländern deutlich grösser ist als er für die Erde verträglich ist. «Entsorgung», das tönt schon fast wie ein Gebet: Entsorg uns von dem Abfall!
«Alu sammeln ist gut, Alu meiden ist besser» – so lautet ein Slogan, welcher in den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden ist. Anstelle von Alu können auch andere Ressource stehen: Papier, Kunststoff/Plastik, Biomasse, seltene Erden, …
«Alu sammeln ist gut, Alu meiden ist besser» kommt als moralischer Appell daher, fordert das individuelle und freiwillige Wohlverhalten ein. Da passt ein weiterer Artikel-Titel, publiziert am 3. Januar 2018: Umweltschutz: Ist öko zu unmännlich? (Spektrum.de), mit dem Lead «Männer tun sich mit Umweltschutz oft schwerer als Frauen. Ein Grund: Naturbewusstes Verhalten kratzt offenbar am männlichen Selbstbild.»
Müll, den es zu entsorgen gilt, ist ein Indikator der Wegwerfgesellschaft. Auch beim Verbrauch fossiler Brennstoffe wird einiges an Treibhausgasen «weggeworfen». Wird ein Liter Heizöl (ca 0.85 kg) verbrannt, entstehen 2.8 kg CO2, die in der Umgebung (vermeintlich) entsorgt werden. Bei der Verbrennung der gleichen Energiemenge in Erdgas entstehen rund 2 kg CO2. Die Verhältnisse bei Diesel und Benzin sind ähnlich; sowohl bei Heizöl wie bei Erdgas sind die Vorketten und weitere Treibhausgase nicht berücksichtigt. Die Energiestatistik der Stadt Zürich weist etwa einen jährlichen CO2-Ausstoss von 1.1 Mio Tonnen aus fossilen Quellen aus. Dieses CO2 vermischt sich mit der Luft und führt zum Mensch gemachten Klimawandel. Mit diesem CO2-Gas könnte auf Stadtgebiet alle 15 Minuten ein Heissluftballon gefüllt werden. Würde dieses CO2 als rund 760 mal dichteres Trockeneis ausfallen (physikalisch nur mit sehr viel Energieaufwand realisierbar), ergäbe sich in den Bauzonen pro Jahr eine Schichtdicke von etwa 1.5 cm, was durchaus ein klassisches Entsorgungsthema wäre.
Zur Entsorgung des Mensch gemachten Treibhausgases CO2 ist so rasch als möglich auf nachhaltig nutzbare erneuerbare Energien zu wechseln – wenn wir dies wollen, schaffen wir dies auch (und zwar unabhängig davon, ob dies zum Selbstbild insbesondere älterer Männer passt)! Es muss schlicht und einfach normal, nützlich und notwendig werden, alle Energiebedürfnisse mit erneuerbaren Energien abzudecken.
Und zur Entsorgung all des anderen Mülls? Oder anders: Wie erreichen wir eine Kreislaufwirtschaft, wie erreichen wir eine Materialwirtschaft ohne oder nur mit ganz wenig Abfällen? Es braucht dazu sehr viele einzelne Massnahmen, es braucht einen breiten Mix von Verhaltensmassnahmen bis technologischen Ansätzen – auch die Kreislaufwirtschaft «von der Wiege zur Wiege»/«from cradle to cradle» oder «C2C» muss normal, nützlich und notwendig werden. Und ganz einfach: Mit dem heutigen Verständnis von liberalen oder gar libertären Denkmustern funktioniert dies nicht!
Diese Herausforderungen lassen sich nicht mit «guten Vorsätzen», typisch für die Neujahrszeit, angehen. Dazu braucht es zum Beispiel die Politik, die Standards hebt und Limiten definiert (Zitat aus dem Lead des Standpunkts Erlöst die Konsumenten! von Michael Kopatz). Um vom übergrossen ökologischen Fussabdruck wegzukommen, braucht es einen enkel-/enkelinnentauglichen neuen Lebensstil, und zwar eben nicht nur von altruistischen Freiwilligen, sondern von allen. Den Weg dazu beschreibt Michael Kopatz in seinem Buch «Ökoroutine». Wahrscheinlich taugt dieser Weg dazu, auch für die Urenkelinnen und Urenkel eine lebenswerte Zukunft zu schaffen.