NettoNull2030: Achtung, fertig, los!

Wenn wir die Klimakrise auf ein für die Menschheit akzeptables Niveau begrenzen wollen, bedeutet dies, dass wir bis 2030 Netto Null CO2-Emissionen zu erreichen haben. Dieses Klimaschutzziel setzt die Vorgabe des Weltklimarates IPCC aus dem Jahr 2018 – schnelle, weitreichende und beispiellose Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft – um. Es ist erstaunlich, dass etwa Medien gegen bestens naturwissenschaftlich begründete Vorgaben polemisieren, am 2. Juli 2019 ein Beispiel der offenbar von der fossilen Energie-Misswirtschaft abhängige Tages-Anzeiger, mit Schlagzeilen wie «Die linke Forderung ist eine Illusion». Dabei ist schon lange klar: wenn wir wirklich wollen, sind auch schnelle, weitreichende und beispiellose Klimaschutzziele bestens umsetzbar! Es heisst also: Achtung, fertig – und jetzt los!
PS: «wir» meint in diesem Zusammenhang speziell die Schweiz – ein reiches Land mit einem eher hohen Treibhausgas-Fussabdruck hat eine besondere Verantwortung beim Klimaschutz.

NettoNull2030 geht von einer Weltklimarat-Aussage aus dem Jahr 2018 aus: Soll die mittlere globale Temperaturzunahme auf für die Gesellschaft erträgliche 1.5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau begrenzt werden, können höchstens noch zehn Jahre lang Treibhausgasse im bisherigen Umfang ausgestossen werden (roter Verlauf im nachfolgenden Diagramm). Wenn möglichst bald ein deutlicher Absenkpfad der Treibhausgas-Emissionen eingehalten wird, reicht das Budget einige Jahre weiter (grüner und lilafarbiger Verlauf in der nachfolgenden Grafik). Wenn wir dies wirklich wollen, ist dies erreichbar!

Nimmt die Gesellschaft fahrlässig in Kauf, dass sich die globale Mitteltemperatur deutlicher erhöht – weil doppelt so viele Treibhausgase wie nach Budget zulässig ausgestossen werden – könnte als fauler Kompromiss (resp. Kompromist) auch NettoNull2050 anvisiert werden (gelber gestrichelter Verlauf in vorangehender Grafik). Dies wird nachfolgende Generationen zu sehr aufwändigen Klimaanpassungsmassnahmen und/oder noch nicht wirklich verfügbaren und kaum finanzierbaren Massnahmen zur Entnahme und sicheren Lagerung von Treibhausgasen zwingen.

Als negative Utopien respektive Dystopien gibt es zu ungenügendem Klimaschutz erschreckende Titel, etwa Klima-Prognose 2050: „Hohe Wahrscheinlichkeit, dass die menschliche Zivilisation endet“

Das ist sicher nicht enkelInnentauglich, darum wollen wir im zukunftsfähigen Bereich bleiben.

Die drei Ebenen Bund, Kantone und Gemeinden haben je ihre Aufgaben und Pflichten, meist auf Verfassungs- oder Gesetzesstufe vorgegeben. Die Kantone haben für den Gebäudebereich 2014 die «Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich« (MuKEn 2014) beschlossen. Die Kantone haben diese Bestimmungen in ihre Energiegesetzgebung aufzunehmen. Im Kanton Zürich ist dies bis jetzt nicht erfolgt, es liegt nicht einmal ein Vorschlag des Regierungsrates vor. Dabei zu beachten: der von den Stimmberechtigten als Klimaschutz-Regierungsrat gewählte Martin Neukom ist seit etwa zwei Monaten im Amt; es wird spannend sein, wie die vom neu zusammengesetzten Regierungsrat beantragte Energiegesetzänderung aussieht. Zwei Dinge sind dabei zu beachten:

  • Die MuKEn 2014 wurden Anfang 2015 beschlossen, also noch vor dem Pariser Klimaschutzabkommen (Dezember 2015) und dem IPCC-Bericht zum 1.5 °C-Ziel (Oktober 2018). Somit ist die MuKEn 2014 eigentlich bereits hoffnungslos veraltet. Der Kanton Basel-Stadt hat darum vor einiger Zeit weitergehende gesetzliche Bestimmungen beschlossen.
  • In den Kantonen Solothurn und Bern wurden Energiegesetzesänderungen durch die Stimmberechtigten abgelehnt – allerdings hat da die fossile Energie-Misswirtschaft zusammen mit dem Hauseigendümmerverband kräftig Nein-Stimmen gekauft. Derartige fossile Propaganda ist nicht mehr zulässig, da sie auf Lügen und Fakes aufbaut.

Auch wenn der Kanton Zürich Gesetzgebungskompetenz im Gebäudebereich hat, gilt auch hier das Subsidiaritätssprinzip. Sind die Vorgaben des Kantons zu schwach, um den Anforderungen der EnkelInnen-Tauglichkeit zu genügen, haben Gemeinden wie die Stadt Zürich das Recht, sogar die Pflicht, Bestimmungen zu erlassen, die ihren Anforderungen genügen. So ist beispielweise festzuhalten, dass ab spätestens 2025 keine Wärmeerzeugungsanlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, eingebaut werden dürfen, sowohl beim Neubauten wie beim Ersatz bestehender Wärmeerzeugungsanlagen. An der Sinnhaftigkeit dieser liberalen Vorgabe – keine Pflicht mehr zum Ausstoss von für das Weltklima giftigem CO2-Abgas – kann niemand zweifeln.

Wichtig ist daher auch das Divestment – es ist nicht nachvollziehbar, warum eine Stadt Hauptaktionärin eines Energieversorgers ist, wenn ein solches Unternehmen den grössten Umsatz mit einem fossilen Energieträger wie Erdgas erreicht.

Die Alternativen zu den fossilen Brenn- und Treibstoffen sind in vielen Bereichen vorhanden. Wenn fähige PlanerInnen im Einsatz stehen, ist es möglich, jedes Gebäude mit dezentral nutzbaren erneuerbaren Energien zu betreiben. Es gibt diverse Studien, die aufzeigen, dass diese Alternativen volkswirtschaftlich günstiger sind als Heizungen mit Heizöl oder Erdgas! Es mag sein, dass in einigen Fällemn die Investitionskosten höher sind; dafür sind die Betriebskosten in der Regel tiefer. Zu beachten sind zudem die Preisentwicklungen, wenn der Marktanteil der Lösungen mit erneuerbaren Energien deutlich zunimmt.

Klimaschutz ist ein Element von Nachhaltigkeitsstrategien. Dazu gehören immer auch die sozialen Aspekte. Dazu passt, dass die SP Schweiz Anfang Juli 2019 ihren «Klima-«Marshallplan» für die Energiewende» vorgestellt hat, unter anderem mit der Botschaft «Es ist ein Wirtschaftsförderungsprogramm mit historischen Dimensionen, von dem die Schweiz wirtschaftlich und sozial profitieren wird.» Bei Nachhaltigkeitskonkretisierung sind immer die Elemente Suffizienz, Effizienz und Konsistenz zu berücksichtigen.

Schon vor vielen Jahren hat Sir Nicholas Stern festgehalten, dass Klimaanpassung teurer zu stehen kommt als Klimaschutz. Klimaschutz kann also nicht abgeblockt werden mit Kostenargumenten – bei fehlendem Klimaschutz muss auch irgendwer die wesentlich höheren Kosten für die Klimaanpassung bezahlen.

Wenn wir es wollen, ist NettoNull2030 bestens möglich. Darum: Achtung, fertig und LOS!


NettoNull2030 betrifft nicht nur die Schweiz – diese Klimastreiks haben etwa am 24. Mai 2019 in 126 Ländern in mindestens einer Stadt stattgefunden, oder Zitat TAZ: So eine große Ausdehnung hatten weltweite Proteste noch nie

In diesem Text wurde der Fokus bewusst auf den Klimaschutz im Gebäudebereich gelegt. Damit verbunden ist die Aussage, dass Klimaschutz derart drängend ist, dass die Frage «Wäre es nicht besser, man würde stattdessen dies oder jenes tun» nicht mehr zulässig ist. Es gibt kein «oder» mehr, nur noch viele «und»: es braucht einen riesigen Strauss an Klimaschutzmassnahmen. Dazu gehört auch, dass sich lokale Politik und CO2-Bilanzierung auf die direkt beeinflussbaren Dinge wie Gebäude und Verkehr beschränken – Konsum beispielsweise gehört auch in der Stadt Zürich dazu, wenn dies in der Bilanz enthalten ist, was an Gütern und Dienstleistungen über die Stadtgrenze exportiert wird.