Gazastreifen – Kosovo – Kurdistan – … Kanton Jura

Wieder einmal erschreckt Israel die Weltbevölkerung: mit unbeschreiblicher Gewalt im Gazastreifen rächt die israelische Armee unverzeihliche Raketenanschläge der Hamas. Wohin führt dies?

Der Gazastreifen – etwa vier mal so gross wie die Stadt Zürich, leicht mehr Einwohnende – gehört zu den ärmsten und dichtbesiedeltsten Gebieten der Erde. Mit einem hohen Anteil an Flüchtlingen und einer hohen Geburtenrate sind die Perspektiven alles andere als attraktiv. Wahrscheinlich wird die Geschichtsschreibung zum Schluss kommen, dass die BewohnerInnen dieses Gebietes den Preis dafür zu bezahlen hatten, dass das schlechte Gewissen der Siegermächte des zweiten Weltkrieges wegen des Holocaust zur Gründung des Staates Israel führte – keine günstige Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung, im Gegenteil ein Umfeld, welches Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung nährt! Seit 1947, also seit über 60 Jahren, ist die Weltgemeinschaft nicht in der Lage, hier eine Verbesserung zu erreichen.

Das Abfeuern von Raketen auf israelische Siedlungsgebiete ist mit keinem Argument zu rechtfertigen. Noch viel weniger plausibel sind die ungeheuren Gewaltexzesse der israelischen Armee. Und dies aus zwei Gründen:

  1. In einem derart dicht besiedelten Gebiet ist davon auszugehen, dass jeder Waffeneinsatz auch Menschen – Kinder, Frauen, Männer – trifft, die nichts mit den Raketenangriffen zu tun haben. Eine Armee, die „Kollateralschäden“ an der Zivilbevölkerung bewusst herbeiführt, muss sich nicht wundern, wenn die Hoffnungslosigkeit und die Verzweiflung weiter steigern – und letztlich zu einer Zunahme von Kurzschlusshandlungen führen. Hier wird eine zerstörerische Spirale der Gewalteskalation angetrieben.
  2. Wenn ein Staat Gewalt einsetzt, steht eine Absicht dahinter. Offenbar ist Israel der Ansicht, dass mit Gewalt Beiträge zur Herbeiführung einer dauerhaften Lösung geleistet werden können. Dann muss aber Israel respektieren, dass auch andere Gewalttäter mit der gleichen Legitimität Gewalt anwenden, um ihre Anliegen voranzubringen.

Mit Gewalt wurden auf dieser Erde noch nie Probleme wirklich, dauerhaft, nachhaltig gelöst – und es hilft auch nicht, Gruppen, die in Analogie zum Verhalten von Staaten Gewalt als Bestandteil des Problemlösungsbaukasten verstehen, als terroristisch einzustufen: es braucht dringlich eine gewaltfreie Konfliktlösungsstrategie.

Und diese braucht es dringlich im Umgang mit Gruppen, die eine Minderheit darstellen – wie die aktuellen Beispiele Kosovo, Kurdistan, aber auch Baskenland, Irland und in der Schweiz beispielsweise der Kanton Jura zeigt.

Es ist festzustellen, dass es regelmässig zu Konflikten zwischen den (auch demokratisch legitimierten) Machthabenden und Minderheiten gibt. Die Hintergründe und Ursachen sind vielfältig, sie mögen in unterschiedlichen Religionen oder Sprachen liegen, mögen Wurzeln haben in einer möglicherweise teilweise leidvollen gemeinsamen Geschichte, sie ergeben sich aufgrund unterschiedlicher ökonomischer Situationen – und sie können sich selbst dann ergeben, wenn sich die Machthabenden/Mehrheiten intensiv bemühen, den Minderheiten gerecht zu werden.

Es ist offensichtlich: es gibt bis anhin keine nachhaltigen Lösungsstrategien, um sowohl Mehrheit wie Minderheit den Eindruck zu vermitteln, dass jeweils ein gerechter Interessensausgleich erreicht wurde. In zu vielen Fällen kommt meist die Minderheit, gelegentlich auch die Mehrheit zum Schluss, dass die Eigenständigkeit für die eigenen Anliegen zu besseren Lösungen führen würde. Da es keine zwingende ideale Grösse von staatlichen Strukturen gibt, dürfte es vor allem die Psychologie sein, welche insbesondere bei den Machthabenden dazu führt, dass Abspaltung dermassen wehleidig und beleidigt beurteilt werden. Denn: die Politik, insbesondere die Weltpolitik, basiert nach wie vor auf dem Prinzip der Grösse. Im UN-Weltsicherheitsrat sind beispielsweise die global gesehen grössten Staaten China und USA vertreten, und die aus geschichtlicher Sicht bedeutenden Staaten Russland, England und Frankreich (die beiden letzten allenfalls auch als Vertretung der EU). Mit jeder Abspaltung verlieren Staaten etwas an Hegemonie-Gewicht, und dies wollen sie mit aller Kraft verhindern. Für die realen, letztlich existenzbedrohenden Fragestellungen (zum Beispiel menschgemachter Klimawandel) ändert dies nichts: „Global handeln, lokal denken“ ist und bleibt die Devise! Denn: Probleme werden letztlich nicht von Staaten gelöst, sondern von Menschen, die bereit sind, einen Beitrag zum Interessensausgleich zu leisten, ohne die eigenen Vorteile und Ansprüche in den Vordergrund zu stellen!

Das Beispiel Kanton Jura: Nach erheblichen Schwierigkeiten und unnötigen, überflüssigen Gewaltexzessen gelang es 1979 nach Verhandlungen und Volksabstimmungen, einen neuen Kanton zu gründen. Es ist davon auszugehen, dass die kulturellen, wirtschaftlichen und weiteren Schwierigkeiten dieser „Randregion“ trotz der Kantonsgründung zumindest teilweise weiterhin bestehen. Durch die etwas direkteren Einflussmöglichkeiten ist letztlich die Zufriedenheit der Menschen im Kanton Jura grösser als noch im Gebiet des Kantons Bern.

Möglicherweise ist auch dieser Kantone-Ansatz eine Lösung für die Konfliktgebiete im Nahen Osten. es ist davon auszugehen, dass palästinensische und israelische Menschen auch zukünftig in enger Nachbarschaft leben werden – für multikulturelle, multiethnische, multireligiöse und allenfalls sogar multiökonomische Fragestellungen drängt sich der föderale Mitbestimmungsansatz mit einer starken Betonung der Subsidiarität (möglichst viele Alltäglichkeiten auf möglichst lokaler Ebene lösen, Anrufung der nächsthöheren Instanz nur, wenn umfassendere Herausforderungen zu bewältigen sind) geradezu auf.

Auf jeden Fall ist dieses Konsensmodell zukunftsgerichteter als die Gewaltsspirale mit Raketenangriffen und rächenden militärischen Gewaltexzessen mit grosser Opferzahl bei der Zivilbevölkerung!