Reihe zweitausendundeinwatt: Reiseführer auf dem Weg in die 2000-Watt-Gesellschaft

Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft ist sowohl ein globaler Entwicklungsansatz mit exakter physikalischer Begründung als auch eine „harte“ Vorgabe zur Konkretisierung der nachhaltigen Entwicklung. Die ‚Reihe zweitausendundeinwatt‘ von umweltnetz.ch will im Sinne eines Wegweisers Hinweise auf spannende Weg- und Landmarken zum gesellschaftlichen Prozess hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft darlegen, will auch Gelegenheit bieten für Zwischenhalte, für kreative Pausen, für die individuelle Energieversorgung.

Nachhaltigkeit ist ein massiv missbrauchter Begriff. Dies ist vorerst ein Kompliment für die Grundidee – offenbar entspricht „nachhaltige Entwicklung“ einem menschlichen Grundbedürfnis. Einerseits – Fokus LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability) – geht es um das eigene Wohlergehen. Andererseits ist in der Menschheit der mehr oder weniger visionäre Blick angelegt: die Lebenszeiten von Neugeborenen in dieser Gesellschaft, die Lebensumstände der Kinder und Kindeskinder dieser Neugeborenen weisen lange Jahre voraus. „Nach mir der Weltuntergang“, das offensichtliche Motto der absolutistischen Despoten – von den Pharaonen über den französischen Sonnenkönig bis zu den Bushs, Gaddafis und Mubaraks der Jetztzeit – ist spätestens seit der Aufklärung und der französischen Revolution als untauglicher Ansatz entlarvt (auch wenn dies noch nicht überall erkannt ist).

Zukunftsszenarien bergen ein grosses Risiko: Matthias Horx, einer der Zukunftsforscher, benennt Zukunftsvisionen als „Retro“ im Bezug auf die Realität. Menschen neigen dazu, die Zukunft mit den Möglichkeiten und insbesondere den Denkansätzen der Jetztzeit zu zeichnen. Die Vision der 2000-Watt-Gesellschaft geht nicht von den möglichen Lösungen aus, sondern beschreibt Vorgaben für eine nachhaltige Zeit: der ökologische Fussabdruck soll global gerechter verteilt sein, eine deutliche Verminderung des Verbrauchs an unwiederbringlichen Ressourcen des Raumschiffes Erde, speziell der fossilen Energieträger, ist eine einzuhaltende Rahmenbedingung. Auch wenn etwa die Erdölpreiskrise, die Ueberlegungen zu Grenzen des Wachstums, die Folgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl, Schweizerhalle, der Film „An Inconvenient Trouth“ von und mit Al Gore klare Veränderungen in der Haltung und dem Handeln vieler Menschen bewirkt haben: das, was insbesondere die ökologischen Gross-Fuss-Staaten in den letzten Jahren und Jahrzehnten an ökologischen Entlastungen erreicht haben, ist zwar durchaus beachtlich. Im Hinblick auf die 2000-Watt-Gesellschaft reicht dies bei weitem nicht aus, und es passiert viel zu langsam.

Im Gegensatz zur Konzeptidee „Nachhaltige Entwicklung“ ist die 2000-Watt-Gesellschaft zumindest auf globalem Niveau physikalisch fassbar: 2000 Watt mittlere Primärenergiedauerleistung pro Person, eine Tonne Treibhausgase pro Person und Jahr (ausgedrückt in CO2-Aequivalenten), dies lässt sich statistisch erfassen, lässt sich vergleichen – die Methoden dazu sind verfügbar. Im Gegensatz zur Welt der Franken und Rappen, der Euros und Cents, der Dollars usw sind diese Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft nicht direkt zählbar, sondern nur mehr oder weniger direkt über Energieverbrauchswerte auf Statistikbasis abschätzbar. Nun ist allerdings die aktuelle Bilanz etwa für die Schweiz, auch für mustergültige Städte, dermassen weit von den Zielvorgaben entfernt, dass es nicht angezeigt ist, zuviel Worte über diesen Zahlen- und Wertehaufen zu debattieren. Der Name ‚Reihe zweitausendundeinwatt‘ möchte von der Zahlenbeigerei etwas ablenken, ohne den physikalischen Hintergrund zu ignorieren, möchte ein schreibbares Wort wie „Nachhaltigkeit“ verwenden können. Die Neuschöpfung ‚zweitausendundeinwatt‘ ist angesichts der erbitterten Zahlen- und Begriffsgefechte (oder zumindest Schweingefechte) ein Augenzwinkern als Einladung dazu, die 2000-Watt-Gesellschaft eben nicht nur als Physik, sondern als gesellschaftspolitischen Auftrag zu verstehen. Zumindest in den ersten Wegetappen sollten eigentlich 100 % der Energie für die mentale Nachstartphase verwendet werden und nicht bereits für endlose Wegvarianten-Diskussionen und Abbruch- und Schlechtwetterszenarien vergeudet werden.

Das Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft ist bekannt – es ist weit entfernt, sowohl zeitlich als auch bezüglich den Anforderungen. Ein grosser Teil der Menschen, die sich beruflich und politisch für die 2000-Watt-Gesellschaft engagieren, werden gerade für die Schweiz diese Vision kaum mehr umgesetzt erfahren können. Wie genau die Welt 2050 aussehen wird, ist nicht Gegenstand der 2000-Watt-Gesellschaft! Es geht darum, etwa in der Stadt Zürich das zu konkretisieren, was im November 2008 von 76.4 Prozent der Stimmberechtigten als politische Vision festgesetzt wurde, als Nachhaltigkeitsbeitrag zugunsten nachkommender Generationen.