Gerechtigkeit oder Unterhaltungs-Show?

Das Medien- und Öffentlichkeitsinteresse an den Prozessen gegen „die drei Schläger von München“ oder den „Horgener Zwillingsmord“ ist beachtlich, allerdings auch schwierig zu erklären. Es geht dabei eigentlich ausschliesslich um die juristische Bereinigung von Gewaltexzessen.

Vorbemerkung: Gewalttaten sind durch nichts zu entschuldigen, sie sind auch nicht zu erklären. Selbst drakonische Gerichtsurteile können solche Taten nicht ungeschehen machen, und sie können wahrscheinlich weitere solche Taten – von den gleichen oder anderen TäterInnen -nicht verhindern. Klar ist auf jeden Fall: die Justiz ist nicht geeignet, eine gewaltfreie oder wenigstens gewaltärmere Gesellschaft zu erreichen. Es bleibt dabei: die Gesellschaft muss dazu übergehen, Gewalt in allen Lebensbereichen zu ächten.

In einem Interview sagt der Anwalt Valentin Landmann: Ich habe mir zum Prinzip gemacht, dass Gericht nie zu langweilen. Und keine Geschichte meiner Klienten war, bei echtem Interesse, je langweilig. Früher im Interview sagt er, dass er diese Geschichte mit den Angeklagten erarbeitet. Valentin Landmann äussert sich auch zum Thema Geständnis und Entschuldigungen. Klar wird dabei: da gehts nur um die Unterhaltung, da gehts um den Druck auf die Tränendrüse und das (wo auch immer verortete) Mitleidsorgan. Da passt zu dem, was über den erstinstanzlichen Richter Reinhold Baier „der drei Schläger von München“ berichtet wird: er sei ein Mann mit Einfühlungsvermögen, aber hartem Urteil. Dies heisst: auch bei Herrn Baier spielen neben der Juristerei auch die Emotionen eine Rolle. Oder anders: wenn es einem Angeklagten gelingt, mit seiner „Geschichte“ das Einfühlungsvermögen des Richters anzukurbeln, ist eine mildere Strafe zu erwarten, sonst lässt dieser die volle Härte des Gesetzes über den Angeklagten wirken. Mit Gerechtigkeit hat dies allerdings nichts mehr zu tun – sondern nur noch mit einer schlechten Unterhaltungs-Show.

Denn: bekannt ist beispielsweise, dass Jugendgefängnisse unwirksam und teuer sind – sie vermögen die zentralen Aufgaben des Strafwesens nicht zu erfüllen: eine angemessene Strafe („Sühne“) ist angezeigt, es muss gelingen, die „TäterInnen“ so in die Gesellschaft zu integrieren, dass sie sich zukünftig ethisch und moralisch korrekt verhalten, und es sollte mit den Strafen eine präventive Wirkung gegenüber anderen potentiellen TäterInnen erreicht werden. Alle diese Punkte kann die Justiz nachweislich nicht bewirken, im Gegenteil. P.S. Festzuhalten ist, dass das Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, also die Rache, richtigerweise längst aus dem Justizsystem verschwunden ist, auch wenn dies die vielen StammtischlerInnen gerne anders hätten.

Die Geschichte der Menschheit ist im wesentlichen eine Geschichte der Gewalt. Trotz jahrtausenden trauriger Vorgeschichte ist die Menschheit offenbar nicht lernfähig. Balkan, Irak, Afghanistan, Naher Osten (Israel/Palästina), …: Tag für Tag zelebrieren Medien und Politik, dass Gewalt offenbar zu den erlaubten Handlungsmöglichkeiten zählen, wenn es darum geht, Konflikte zu behandeln. Die visuellen Medien bringen die Folgen dieser Gewalt täglich in jedes Wohnzimmer – und zeigt neben den Opfern immer auch die (vermeintlichen) SiegerInnen dieser Gewalt.

Auch der Strassenverkehr dient zur Verherrlichung der Gewalt – immer noch grössere und schwerere Autos, die den Velofahrenden noch weniger Platz lassen. Zudem verbunden mit einem übermässigen Ausstoss an Treibhausgasen, was auch das Gewaltpotential ansteigen lässt. Oder anders: wie erklärt wohl der Münchner Richter Reinhold Baier seinem Umfeld, dass militärische Gewalttäter respektive deren militärischen und politischen Aufftraggeber) straffrei ausgehen, während er drei Jugendliche, die ähnliches taten, hart be- und verurteilt? Oder soll einfach der Medienrummel um diesen Prozess davon abhalten, die gesellschaftliche Rolle der Gewaltanwendung zu diskutieren?

Die Nachbemerkung entspricht der Vorbemerkung: Gewalt ist keiner Form – ob auf staatlicher Ebene oder im persönlichen Kontext – entschuldbar!